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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV Belohnungen und Geschenke

Vollzitat: VwV Belohnungen und Geschenke vom 20. Oktober 2007 (SächsABl. S. 1471), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 15. Dezember 2009 (SächsABl. SDr. S. S 2394)

Verwaltungsvorschrift
der Sächsischen Staatsregierung
über das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken durch die öffentlich Bediensteten des Freistaates Sachsen
(VwV Belohnungen und Geschenke)

Vom 20. Oktober 2007

I. Geltungsbereich

Diese Verwaltungsvorschrift gilt für alle öffentlich Bediensteten des Freistaates Sachsen. Das sind

a)
Beamte, Ruhestandsbeamte und frühere Beamte (§ 90 des Beamtengesetzes für den Freistaat Sachsen [Sächsisches Beamtengesetz – SächsBG] in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juni 1999 [SächsGVBl. S. 370, 2000 S. 7], das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. April 2007 [SächsGVBl. S. 54, 77] geändert worden ist),
b)
Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 3 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder [TV-L] vom 12. Oktober 2006),
c)
Berufsrichter im Landesdienst (§ 3 des Richtergesetzes des Freistaates Sachsen [SächsRiG] in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. August 2004 [SächsGVBl. S. 365] in Verbindung mit § 90 SächsBG) und
d)
außertarifliche Arbeitnehmer, Auszubildende und Praktikanten, sofern eine entsprechende einzelvertragliche Regelung besteht.

II. Grundsätze

1.
Öffentlich Bedienstete dürfen nicht den Anschein erwecken, im Rahmen der Dienstführung für persönliche Vorteile empfänglich zu sein. Den öffentlich Bediensteten ist daher untersagt, Belohnungen und Geschenke für sich oder einen Dritten in Bezug auf ihr Amt oder ihre Tätigkeit anzunehmen.
2.
Ausnahmen vom Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken bedürfen der vorherigen Zustimmung des Dienstherrn oder Arbeitgebers. Näheres ist unter Ziffer V und Ziffer VI geregelt.

III. Begriffsbestimmungen

1.
Belohnungen und Geschenke
Belohnungen und Geschenke sind alle Vorteile, auf die öffentlich Bedienstete keinen Rechtsanspruch haben und die sie materiell oder immateriell objektiv besser stellen. Hierzu zählen auch Vorteile, die Dritten (beispielsweise Angehörigen, Bekannten, Vereinen, dem Dienstherrn oder Arbeitgeber des Vorteilsempfängers) zugewendet werden, wenn sie bei den öffentlich Bediensteten zu einer Ersparnis führen oder wenn sie öffentlich Bedienstete in irgendeiner Weise tatsächlich besser stellen. Neben Geldzahlungen und Sachwerten kommen dafür auch alle anderen Leistungen in Betracht. Das sind beispielsweise:
 
a)
die Möglichkeit, Gegenstände zu gebrauchen oder zu verbrauchen (Kraftfahrzeuge, Baumaschinen, Kraftstoffe oder Ähnliches),
 
b)
die Überlassung von Gutscheinen (beispielsweise Telefon-, Frei- oder Eintrittskarten, Fahrscheine oder Flugtickets),
 
c)
persönliche Vergünstigungen bei Privatgeschäften (beispielsweise zinslose oder zinsgünstige Darlehen, Einkaufsmöglichkeiten oder Dienstleistungen zu Vorzugspreisen, unverhältnismäßig hohe Vergütungen für Leistungen des Bediensteten),
 
d)
Bewirtungen oder kostenlose oder vergünstigte Gewährungen von Unterkunft,
 
e)
die Mitnahme zu Informations-, Repräsentations- und Urlaubsreisen oder deren Bezahlung,
 
f)
erbrechtliche Begünstigungen (Vermächtnis oder Erbeinsetzung),
 
g)
Gewährung von persönlichen Rabatten zugunsten des öffentlich Bediensteten bei dessen Durchführung von dienstlich veranlassten Rechtsgeschäften.
2.
Bezug zum Amt oder zur Tätigkeit
In Bezug auf das Amt oder die Tätigkeit ist ein Vorteil gewährt, wenn sich der Vorteilsgeber nach den Umständen des Falles davon leiten lässt, dass der Vorteilsnehmer ein bestimmtes Amt oder eine bestimmte Tätigkeit im öffentlichen Dienst bekleidet oder bekleidet hat. Ein Bezug zu einer bestimmten Diensthandlung ist nicht erforderlich, die Amts- oder Tätigkeitsbezogenheit ist aber stets zu bejahen, wenn der Vorteil für eine oder wegen einer konkreten dienstlichen Handlung erbracht wurde. Zum „Amt“ oder zur „Tätigkeit“ gehören auch jedes Nebenamt und jede sonst auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung des Dienstherrn oder Arbeitgebers ausgeübte oder im Zusammenhang mit den dienstlichen Aufgaben stehende Nebentätigkeit.
3.
Annahme
Die Annahme eines Vorteils liegt schon in jedem privaten oder dienstlichen Be- oder Ausnutzen. Dazu zählt auch, wenn der Vorteil unmittelbar an Dritte weiterverschenkt oder einer karitativen Einrichtung gespendet wird. Die Annahme muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Es reicht auch schlüssiges Verhalten.
4.
Zuständige Stelle
Zuständige Stelle ist für die Beamten und Richter die oberste oder letzte oberste Dienstbehörde oder die gemäß § 90 Satz 3 SächsBG bestimmte Behörde. Für Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber die zuständige Stelle, für Auszubildende oder Praktikanten der Ausbildende.

IV. Anzeigepflicht

Öffentlich Bedienstete haben die zuständige Stelle unverzüglich und unaufgefordert über jeden Versuch zu unterrichten, ihre dienstliche Tätigkeit durch das Angebot von Geschenken oder Belohnungen zu beeinflussen.

V. Zustimmungsverfahren

1.
Antrag
Die Annahme eines Vorteils bedarf der vorherigen Zustimmung der zuständigen Stelle. Diese ist – vorbehaltlich der unter Ziffer VI beschriebenen allgemein erteilten Zustimmung – auch in Zweifelsfällen unverzüglich schriftlich zu beantragen. Kann die Zustimmung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, etwa weil die Gewährung des Vorteils nicht absehbar war, so dürfen öffentlich Bedienstete den Vorteil vorbehaltlich der Zustimmung der zuständigen Stelle vorläufig annehmen. Die nachträgliche Zustimmung zur Annahme ist unverzüglich schriftlich zu beantragen. In dem Antrag sind die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände vollständig mitzuteilen (die Art des Vorteils, sein geschätzter Wert, der Anlass der Vorteilsgewährung und von wem der Vorteil gewährt wurde). Sachzuwendungen und etwaige Anschreiben des Zuwendungsgebers sind dem Antrag beizufügen. Angaben nach reisekostenrechtlichen Regelungen, das heißt im Dienstreiseantrag oder im Antrag auf Kostenerstattung einer Dienstreise, ersetzen nicht einen Antrag auf Zustimmung zur Annahme, wie umgekehrt eine Zustimmung nicht von Angaben nach reisekostenrechtlichen Regelungen (wie zum Beispiel über kostenlose Verpflegung oder Unterbringung) entbindet. Dies gilt auch im Falle einer allgemein erteilten Zustimmung zur Annahme.
2.
Zustimmung
 
a)
Die Zustimmung zur Annahme wird schriftlich erteilt. Versagungsgründe sind in der Entscheidung zu benennen. Die Zustimmung zur Annahme ist insbesondere zu versagen, wenn
 
 
aa)
mit dem Vorteil von Seiten des Vorteilsgebers erkennbar eine Beeinflussung des amtlichen Handelns beabsichtigt ist oder in dieser Hinsicht Zweifel bestehen,
 
 
bb)
die Gefahr besteht, dass durch die Annahme die objektive Amtsführung des öffentlich Bediensteten beeinträchtigt oder
 
 
cc)
bei dritten Personen der Eindruck seiner Befangenheit oder Käuflichkeit erweckt werden kann.
 
b)
Die Annahme von Bargeld – gleich in welcher Summe – sowie von Belohnungen und Geschenken mit einem Wert von mehr als 50 EUR ist nicht zustimmungsfähig.
 
c)
Für die Annahme von Geschenken aus dem Kreis der Kollegen und Mitarbeiter im üblichen Rahmen (beispielsweise aus Anlass des Geburtstages oder eines Dienstjubiläums) ist keine Zustimmung erforderlich.
 
d)
Wird die nachträgliche Zustimmung zur Annahme abgelehnt, ist der Vorteil an den Vorteilsgeber zurückzugeben (Musterbrief Variante 1).
 
e)
Die Rückgabe an den Vorteilsgeber nach Buchstabe d entfällt insbesondere, wenn der öffentlich Bedienstete den Vorteil als Repräsentant seines Dienstherrn oder Arbeitgebers entgegengenommen hat oder die Rückgabe an den Vorteilsgeber untunlich ist. Die Ablehnung der nachträglichen Zustimmung ist dann mit der Aufforderung zu versehen, den Vorteil unverzüglich an die zuständige Stelle abzuliefern. Untunlich ist die Rückgabe, wenn
 
 
aa)
sie als Verstoß gegen die allgemeinen Regeln des gesellschaftlichen Umgangs oder der Höflichkeit aufgefasst werden würde,
 
 
bb)
der Vorteilsgeber die Rücknahme verweigert hat oder mit großer Wahrscheinlichkeit verweigern wird oder
 
 
cc)
die Rücksendung mit einem Aufwand verbunden wäre, der zum objektiven Wert des Vorteils außer Verhältnis steht.
 
f)
Zurückzugeben ist auch ein Vorteil, der ohne Zutun des öffentlich Bediensteten gewährt wurde und den der öffentlich Bedienstete nicht annehmen möchte (Musterbrief Variante 1). Ist in einem solchen Fall die Rückgabe aus den unter Buchstabe e genannten Gründen untunlich, kann der Bedienstete den Vorteil an die zuständige Stelle abliefern.
 
g)
Die zuständige Stelle hat die an sie abgelieferten Vorteile grundsätzlich einem sozialen Zweck zuzuführen.
 
h)
Der Vorteilsgeber ist grundsätzlich zu informieren, wenn der Vorteil dem öffentlich Bediensteten aufgrund der unter Buchstabe e Doppelbuchst. bb und cc aufgeführten Gründe nicht verblieben ist (Musterbrief Variante 2).

VI. Allgemein erteilte Zustimmung

1.
Für folgende Fälle gilt die Zustimmung zur Annahme allgemein als erteilt:
 
a)
bei der Annahme von geringwertigen Aufmerksamkeiten bis zu einem handelsüblichen Marktwert von im Einzelfall 10 EUR und jährlich insgesamt höchstens 30 EUR (zum Beispiel Reklameartikel einfacher Art wie Stifte, Schreibblocks, Kalender),
 
b)
bei der Teilnahme an Bewirtungen, wenn sie allgemein üblich und angemessen sind oder wenn sie ihren Grund in den Regeln des Verkehrs und der Höflichkeit haben, denen sich auch öffentlich Bedienstete unter Berücksichtigung ihrer besonderen Verpflichtung zur objektiven Amtsführung nicht entziehen können, ohne gegen gesellschaftliche Formen zu verstoßen,
 
c)
bei geringfügigen Dienstleistungen, die die Durchführung eines Dienstgeschäftes erleichtern oder beschleunigen (beispielsweise die Abholung mit einem Fahrzeug vom Bahnhof).
2.
Die allgemeine Zustimmung kann durch die zuständige Stelle widerrufen werden, wenn durch die Annahme der Eindruck der Bevorzugung Einzelner oder der Befangenheit entstehen könnte.

VII. Rechtsfolgen bei Verstoß

1.
Der Verstoß gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken stellt zum einen ein Dienstvergehen oder eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, so dass
 
a)
Beamten disziplinarische Maßnahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis,
 
b)
Ruhestandsbeamten disziplinarische Maßnahmen bis zur Aberkennung des Ruhegehalts,
 
c)
Arbeitnehmern sowie Auszubildenden arbeitsrechtliche Sanktionen bis zur außerordentlichen Kündigung
 
drohen.
2.
Zum anderen kann ein Verstoß gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken strafrechtliche Konsequenzen nach den §§ 331 ff. StGB nach sich ziehen.
3.
Entsteht dem Dienstherrn oder Arbeitgeber im Zusammenhang mit einem (vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen) Verstoß gegen die Regelungen des Verbots der Annahme von Belohnungen und Geschenken ein wirtschaftlicher Nachteil, sind die betroffenen öffentlich Bediensteten zum Schadensersatz verpflichtet (vergleiche § 97 SächsBG , § 3 Abs. 7 TV-L). Unabhängig von eventuellen Schadensersatzansprüchen kann der Dienstherr oder Arbeitgeber einen Anspruch auf Herausgabe der Vorteile haben, soweit nicht im Strafverfahren der Verfall angeordnet wurde oder sie auf andere Weise auf den Staat übergegangen sind. Für den Umfang des Herausgabeanspruchs gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Die Herausgabepflicht nach Satz 1 umfasst auch die Pflicht, dem Dienstherrn oder Arbeitgeber Auskunft über Art, Umfang und Verbleib des Erlangten zu geben.

VIII. Empfehlung

Den kommunalen Gebietskörperschaften sowie den sonstigen der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, entsprechend zu verfahren.

IX. Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig treten die Hinweise des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken durch die Beschäftigten des Freistaates Sachsen vom 4. Juli 1996 – Az.: 11-0301.4/01 (SächsABl. S. 832) sowie alle diese Hinweise ergänzenden Regelungen der obersten Dienstbehörden sowie der nachgeordneten Behörden außer Kraft.

Dresden, den 20. Oktober 2007

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Georg Milbradt

Der Staatsminister des Innern
Dr. Albrecht Buttolo

Anlage

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2007 Nr. 45, S. 1471
    Fsn-Nr.: 240-V07.3

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 9. November 2007

    Fassung gültig bis: 3. November 2011