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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV Kulturdenkmallisten

Vollzitat: VwV Kulturdenkmallisten vom 15. September 1993 (SächsABl. 1994 S. 6), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 1. Dezember 2015 (SächsABl. SDr. S. S 348)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
für die Erfassung von Kulturdenkmalen in öffentlichen Verzeichnissen
(VwV-Kulturdenkmallisten)

Vom 15. September 1993

1
Vorbemerkung
1.1
Zweck der Erfassung
 
Die Kulturdenkmale (§ 2 Sächsisches Denkmalschutzgesetz – SächsDSchG) sind zur Erfüllung der Aufgaben des wirksamen Schutzes gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 SächsDSchG in einer Liste zu erfassen. Die Verwaltungsvorschrift soll eine einheitliche Anwendung des Begriffes Kulturdenkmal sicherstellen und dient zugleich der Anleitung der für den Denkmalschutz zuständigen Behörden.
Zwar geht das Denkmalschutzgesetz davon aus, daß der Begriff „Kulturdenkmal“ und seine Anwendung auf einen bestimmten Gegenstand auch von einem Laien nachvollzogen werden kann. Die Praxis hat aber gezeigt, daß eine Verdeutlichung erforderlich ist, insbesondere
  • zur Information der Eigentümer von Kulturdenkmalen,
  • zur Schaffung von Planungsunterlagen jeglicher Art (z. B. für die Gemeinden, für die Landesplanung, den Straßenbau und die Flurbereinigung),
  • zur Rationalisierung der Arbeit der Denkmalschutzbehörden.
1.2
Rechtliche Bedeutung der Liste
1.2.1
Die Aufnahme eines Gegenstandes in die Liste hat rein deklaratorische Bedeutung. Der Schutz nach dem Denkmalschutzgesetz ist daher nicht davon abhängig, daß Kulturdenkmale in die Liste eingetragen sind.
1.2.2
Zusätzlich kann die Denkmaleigenschaft durch Verwaltungsakt der unteren bzw. höheren Denkmalschutzbehörde im Rahmen von Genehmigungs- oder Zustimmungsverfahren oder auf besonderen Feststellungsantrag (§ 10 Abs. 3 Satz 2 SächsDSchG) festgestellt werden.
2
Gegenstand der Erfassung
2.1
In den Listen sind Kulturdenkmale zu erfassen.
Kulturdenkmale sind von Menschen geschaffene Sachen, Sachgesamtheiten, Teile und Spuren von Sachen einschließlich ihrer natürlichen Grundlagen, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen, städtebaulichen oder landschaftsgestalterischen Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (§ 2 Abs. 1 SächsDSchG).
2.2
Kulturdenkmale können insbesondere zum Beispiel sein
 
a)
Bauwerke, Teile von Bauwerken,
 
b)
Siedlungen, Ortsteile, Straßen- oder Platzbilder, Ortsansichten von besonderer städtebaulicher oder volkskundlicher Bedeutung, Gebäudegruppen (unter anderem Vierseithof),
 
c)
Werke der Garten- und Landschaftsgestaltung, historische Landschaftsformen, wie Dorffluren oder Haldenlandschaften,
 
d)
Werke der Produktions- und Verkehrsgeschichte,
 
e)
Orte und Gegenstände zu wissenschaftlichen Anlagen oder Systemen,
 
f)
Steinmale,
 
g)
unbewegliche und bewegliche archäologische Sachzeugen, wie Reste von Siedlungs- und Befestigungsanlagen, Grabanlagen und historische Gräber einschließlich Resten von Menschen und von anderen Lebewesen, Höhlen, Wüstungen, Kult- und Versammlungsstätten und andere Reste von Gegenständen und Bauwerken,
 
h)
Werke der bildenden Kunst, des Kunsthandwerks und der Technik, Sachgüter der Volkskunde (unter anderem Handwerks- und Hausgerätschaften),
 
i)
Urkunden, Archivalien und anderes Schriftgut, Sammlungen.
 
 
In den Listen werden auch erfaßt
  • Gegenstände, die als Zubehör und Nebenanlagen mit einer anderen Sache (Hauptsache) eine Einheit von Denkmalwert bilden (§ 3 Abs. 2 SächsDSchG), z. B. Altar mit Kirche,
  • die Umgebung eines Kulturdenkmals, soweit sie für dessen Erscheinungsbild von erheblicher Bedeutung ist (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 SächsDSchG),
  • Orte zu geschichtlichen Ereignissen (§ 2 Abs. 4 SächsDSchG).
 
 
In den Listen werden nachrichtlich auch erfaßt
  • Denkmalschutzgebiete § 21, Grabungsschutzgebiete § 22, Archäologische Reservate § 23.
2.3
Ermittlung der Kulturdenkmaleigenschaft
2.3.1
Die Feststellung, daß an der Erhaltung eines Gegenstandes ein öffentliches Interesse besteht, ist jeweils nur im Einzelfall möglich. Sie erfordert folgende Prüfungsschritte:
  • Vorliegen einer von Menschen geschaffenen Sache, Sachgesamtheit, Teil oder Spur einer Sache einschließlich ihrer natürlichen Grundlagen,
  • Bejahung eines der Merkmale geschichtlich künstlerisch, wissenschaftlich, städtebaulich oder landschaftsgestaltend,
  • Vorliegen eines öffentlichen Erhaltungsinteresses. Hierzu erforderlich ist ein über das subjektive Einzelinteresse hinausgehender, auf der Ebene der Allgemeinheit bestehender Bedeutungsgrad; dabei gilt der Kenntnis- und Wissensstand des sachverständigen Fachmannes als Beurteilungsmaßstab; der Bedeutungsgrad muß durch bestimmte Fakten erwiesen und ins Bewußtsein der Bevölkerung oder eines breiten Kreises von Sachverständigen übergegangen sein.
2.3.2
Ein Kriterium für die erwähnte Feststellung kann sich für einen Gegenstand insbesondere aus einem oder mehreren der folgenden wertenden Gesichtspunkte ergeben (die Reihenfolge der Aufzählung bedeutet keine Rangfolge):
  • Singularität,
  • Bedeutung für die Umgebung,
  • wissenschaftlich-dokumentarischer Wert,
  • Vorbildhaftigkeit für eine Tradition,
  • Bedeutung für die Volksbildung,
  • Bedeutung für die Deutung einer Epoche oder eines Ereignisses der Geschichte,
  • Bedeutung für die Kulturlandschaft,
  • Erlebnis- und Erinnerungswert,
  • Bedeutung für das Ortsbild und die Ortsgeschichte,
  • künstlerischer Rang.
2.3.3
Bei Baudenkmalen hat sich eine systematische Abfrage nach den in Betracht kommenden Merkmalen des Kulturdenkmalbegriffs (Nummer 2.3.1) und den in Nummer 2.3.2 genannten wertenden Gesichtspunkten bewährt.
Bei archäologischen Kulturdenkmalen (der Vor- und Frühgeschichte und des Mittelalters) ist im allgemeinen davon auszugehen, daß das öffentliche Interesse an deren Erhaltung auf einer wissenschaftlich-dokumentarischen Bedeutung beruht.
Bei den Sachgütern der Volkskunde ist vor allem deren dokumentarischer Wert als Zeugnis und Ausdruck historischer Lebensformen maßgebend.
2.3.4
Die fachlich-konservatorische Begründung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Kulturdenkmals muß wissenschaftlich abgesichert und nachvollziehbar sowie in verwaltungsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachprüfbar sein.
2.4
Ohne Belang für die Feststellung, daß ein Kulturdenkmal vorliegt, ist:
  • in welchem Erhaltungszustand (z. B. vernachlässigt) ein Gegenstand angetroffen wird;
  • ob im Falle eines Konflikts mit anderen Interessen (z. B. Verkehrsplanung) ein Kulturdenkmal tatsächlich unverändert erhalten werden kann;
  • ob und wieviel Denkmalpflegezuschuß- oder Entschädigungsmittel für die Erhaltung von Kulturdenkmalen zur Verfügung stehen.
3
Einteilung und Inhalt der Kulturdenkmalliste
3.1
Allgemeines
3.1.1
Die Liste wird für jede Gemeinde gesondert angelegt.
3.1.2
Sie besteht aus
  • Teil A 1:   Unbewegliche archäologische Kulturdenkmale,
  • Teil A 2:   Bewegliche archäologische Kulturdenkmale,
  • Teil B 1:   Unbewegliche Bau-, Kunst- und technische Kulturdenkmale,
  • Teil B 2:   Bewegliche Bau-, Kunst- und technische Kulturdenkmale.
 
Im Zweifel ist ein Kulturdenkmal in Teil A 1 oder B 1 zu erfassen (Auffangtatbestand); dies gilt auch für die Sachgüter der Volkskunde.
3.1.3
Der Auflistung der Kulturdenkmale soll eine kurze Charakterisierung der Gemeinde bzw. eines Ortsteils vorangestellt werden. Dabei werden im allgemeinen Gesichtspunkte der Bau- und Kunstdenkmalpflege darzustellen sein, manchmal auch Gesichtspunkte der Bodendenkmalpflege. Der Auflistung der Kulturdenkmale sind ferner Denkmalschutzgebiete, Grabungsschutzgebiete und Archäologische Reservate (§§ 21 bis 23 SächsDSchG) voranzustellen, soweit sie bereits ausgewiesen sind. Falls die zuständige Landesoberbehörde für Denkmalschutz die Ausweisung eines Denkmalschutzgebietes, Grabungsschutzgebietes oder eines Archäologischen Reservates vorschlägt, ist dies nur kurz darzustellen; die Einleitung oder der Abschluß eines entsprechenden rechtlichen Verfahrens ist nicht abzuwarten, denn die Erstellung der Liste soll durch vorgesehene Verfahren der erwähnten Art nicht verzögert werden.
3.1.4
Für die Sammlung und Aufbereitung des Materials ist das bei den Dienststellen der zuständigen Landesoberbehörde bisher gehandhabte Verfahren anzuwenden.
3.2
Inhalt der Liste
3.2.1
Die Liste ist nach folgendem Muster zu erstellen:
Landkreis . . . . . . . . . . / Stadtkreis . . . . . . . . . .
Gemeinde . . . . . . . . .   Ortsteil . . . . . . . . . . . . .
 
I.
Kurze Charakterisierung der Gemeinde bzw. des Ortsteils
 
II.
Ausgewiesene Denkmalschutzgebiete oder zur Ausweisung vorgeschlagene Bereiche (§ 21 SächsDSchG)
 
III.
Ausgewiesene Grabungsschutzgebiete und Archäologische Reservate oder zur Ausweisung vorgeschlagene Bereiche (§§ 22, 23 SächsDSchG)
 
IV.
Teil A 1:
      Unbewegliche archäologische Kulturdenkmale:
  • Grundstücksbezeichnung (Straße und Hausnummer, Lgb./Parz.Nr.), soweit erforderlich (Flurkarte, topographische Karte, Koordinaten)
  • Bezeichnung des Objekts
  • Angaben über etwaigen zusätzlichen Schutz (§§ 22, 23 SächsDSchG)
  • fachlich-konservatorische Begründung
 
V.
Teil A 2:
      Bewegliche archäologische Kulturdenkmale
 
VI.
Teil B 1:
      Unbewegliche Bau-, Kunst- und technische Kulturdenkmale:
  • Grundstücksbezeichnung (Straße und Hausnummer, Lgb./Parz.Nr.)
  • Flurkarte, topographische Karte, Koordinaten
  • Bezeichnung des Objektes
  • Angaben über etwaigen zusätzlichen Schutz (§ 21 SächsDSchG)
  • fachlich-konservatorische Begründung
 
VII.
Teil B 2:
      Bewegliche Bau-, Kunst- und technische Kulturdenkmale
3.2.2
Bei archäologischen Kulturdenkmalen (der Vor- und Frühgeschichte und des Mittelalters) ist deren Ausdehnung häufig nicht exakt feststellbar. Zur Sicherung eines angemessenen Schutzes kann, wenn die Lage des Bodendenkmals noch nicht genau bekannt ist, vorsorglich eine ausreichend große Fläche angegeben werden (Parzellenunschärfe).
3.2.3
Mehrere Zubehörstücke sollen einzeln angegeben werden.
4
Verfahren
4.1
Die zuständige Landesoberbehörde für den Denkmalschutz erarbeitet einen Entwurf der Liste mit Einzelbegründung entsprechend Nummer 2.3.4. Der Mitarbeiter oder Beauftragte der Landesoberbehörde stützt sich dabei insbesondere auf Beobachtungen und Ortsbegehungen, auf Fachliteratur und auf Nachforschungen in Archiven. Der unteren bzw. höheren Denkmalschutzbehörde (vgl. § 5 SächsDSchG), der Gemeinde und den berührten Kirchengemeinden ist Gelegenheit zu geben, an den Ortsbegehungen teilzunehmen.
4.2
Über die Aufnahme der Kulturdenkmale in den Listenentwurf ist das Benehmen zwischen Landesoberbehörde und Gemeinde herzustellen.
Die Landesoberbehörde leitet die im Benehmen mit der Gemeinde abgestimmte Liste der unteren bzw. höheren Denkmalschutzbehörde und, soweit sie Kulturdenkmale in kirchlichem Eigentum oder Besitz betrifft, auch den oberen Kirchenbehörden zu. Die Denkmalschutzbehörden prüfen die Liste und können im Einvernehmen mit den Landesoberbehörden nötigenfalls Änderungen, Streichungen oder Ergänzungen vornehmen. Kommt kein Einvernehmen zustande, entscheidet die höhere Denkmalschutzbehörde.
4.3
Die Beteiligung des Bundes und des Freistaates als Eigentümer erfolgt nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 und 2 SächsDSchG.
4.4
Die Liste ist fortzuschreiben.
5
Bekanntmachung
5.1
Über dieAufnahme eines Gegenstandes in die Liste erhält der Eigentümer von der unteren Denkmalschutzbehörde eine schriftliche Benachrichtigung, die nicht als Verwaltungakt ausgestaltet ist. Auf Antrag des Eigentümers hat die Denkmalschutzbehörde durch Verwaltungsakt über die Eigenschaft als Kulturdenkmal zu entscheiden (§ 10 Abs. 3 Satz 2 SächsDSchG).
5.2
Die untere Denkmalschutzbehörde übersendet die Liste gemeindeweise zusammengestellt den betroffenen Behörden und Stellen, insbesondere
  • der obersten Denkmalschutzbehörde,
  • der höheren Denkmalschutzbehörde,
  • den Gemeinden,
  • der Oberfinanzdirektion,
  • den oberen Kirchenbehörden,
  • dem Staatlichen Amt für Ländliche Neuordnung,
  • dem Straßenbauamt,
  • dem Staatlichen Forstamt,
  • dem Bergamt,
  • dem Vermessungsamt,
  • dem Staatlichen Umweltfachamt.
 
Die Gemeinde macht die Liste ortsüblich bekannt und weist darauf hin, daß die Liste bei der zuständigen Landesoberbehörde für den Denkmalschutz, bei der unteren Denkmalschutzbehörde oder bei der Gemeinde eingesehen werden kann.
6
Übergangsbestimmung
6.1
Vordringlich sind unbewegliche Kulturdenkmale zu erfassen.
6.2
Mit der Übersendung der Kulturdenkmalliste nach Nummer 5.2 an die Gemeinde tritt diese an die Stelle der vorläufigen Kulturdenkmalverzeichnisse nach § 38 Abs. 1 SächsDSchG.
7
Inkrafttreten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.


Dresden, den 15. September 1993

Der Staatsminister des Innern
Heinz Eggert

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 1994 Nr. 1, S. 6
    Fsn-Nr.: 46-V93.4

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 7. Januar 1994

    Fassung gültig bis: 29. September 2016