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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit über die Bewilligung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen

Vollzitat: Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit über die Bewilligung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen vom 22. Mai 2006 (SächsABl. S. 563), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 24. November 2011 (SächsABl. SDr. S. S 1767)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums
für Wirtschaft und Arbeit
über die Bewilligung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen
(VwV Parkerleichterungen)

Vom 22. Mai 2006

Die Straßenverkehrsbehörden können schwerbehinderten Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung (Merkzeichen „aG”) sowie Blinden (Merkzeichen „Bl“) Parkerleichterungen in Form von Ausnahmen von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) im Rahmen der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gewähren.
Die Praxis zeigt jedoch, dass diese Regelungen in besonders gelagerten Einzelfällen für einen bestimmten Personenkreis von schwerbehinderten Personen zu einer nicht gewollten Härte führen können. Betroffen sind hier insbesondere die behinderten Menschen, die nicht über das Merkzeichen „aG” verfügen, aber in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr außergewöhnlich beeinträchtigt sind. Zur selbstständigen Erledigung alltäglicher Dinge (zum Beispiel Arztbesuche und Einkäufe) sind auch diese behinderten Menschen auf spezielle Parkerleichterungen angewiesen.
Zur Sicherung einer einheitlichen Verfahrensweise und Ermessensausübung werden daher für den Freistaat Sachsen folgende Regelungen getroffen:

1.
Berechtigter Personenkreis
 
Die Straßenverkehrsbehörden können abweichend von der Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO nach Maßgabe der folgenden Vorschriften auch den unter Nummern 1.1 bis 1.4 genannten Personen Parkerleichterungen gewähren:
1.1
Schwerbehinderten Menschen mit Merkzeichen „G“ (erheblich gehbehindert) , bei denen
 
a)
wenigstens ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 alleine infolge Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule und gleichzeitig das Merkzeichen „B“ (ständige Begleitung)
oder
 
b)
wenigstens ein GdB von 70 alleine infolge Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule und gleichzeitig ein GdB von wenigstens 50 infolge Funktionsstörungen des Herzens und/oder der Lunge vorliegt.
1.2
An „Morbus Crohn“ und „Colitis ulcerosa“ erkrankten Personen, bei denen alleine aufgrund dieser Erkrankungen ein GdB von wenigstens 60 vorliegt.
1.3
Stomaträger mit doppeltem Stoma (künstlicher Darmausgang und künstliche Harnableitung).
1.4
Vorübergehend Berechtigten, die aufgrund einer Erkrankung, eines Unfalles oder nach einer schweren Operation vorübergehend, aber dennoch für einen längeren Zeitraum an so starken Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule leiden, dass ihnen entsprechend dem unter Nummer 1.1 genannten Personenkreis vermeidbare Wege erspart werden müssen.
2.
Umfang der Berechtigung
2.1
Schwerbehinderten Personen mit Merkzeichen „G” (Nummer 1.1) und vorübergehend Berechtigten (Nummer 1.4) wird gestattet,
 
a)
in Strecken eingeschränkten Haltverbotes (Zeichen 286 StVO) bis zu drei Stunden zu parken,
 
b)
an Stellen, die durch Zeichen „Parkplatz“ (Zeichen 314 StVO) oder „Parken auf Gehwegen“ (Zeichen 315 StVO) gekennzeichnet sind, bei Begrenzung der Parkzeit durch Zusatzschild die vorgeschriebene Parkzeit zu überschreiten,
 
c)
an Parkscheinautomaten und Parkuhren ohne Entrichtung einer Gebühr zu parken,
 
d)
in Zonenhaltverboten (Zeichen 290 StVO), wenn durch Zusatzschild das Parken zugelassen ist, die zugelassene Parkzeit zu überschreiten,
 
e)
auf Parkplätzen für Bewohner bis zu drei Stunden zu parken,
 
f)
in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325) außerhalb der gekennzeichneten Flächen zu parken, sofern der durchgehende Verkehr dadurch nicht behindert wird, sowie
 
g)
in Fußgängerzonen, in denen das Be- und Entladen für bestimmte Zeiten zugelassen ist, während der Ladezeit zu parken,
sofern in zumutbarer Entfernung keine andere Parkmöglichkeit besteht.
Bei Beschränkung der Parkdauer ist die Ankunftszeit durch Einstellung auf einer Parkscheibe (§ 13 Abs. 2 Nr. 2, Bild 291 StVO) zu dokumentieren. Die Parkscheibe ist im Fahrzeug so auszulegen, dass sie von außen gut lesbar ist.
2.2
Morbus-Crohn-Kranken, Colitis-ulcerosa-Kranken (Nummer 1.2.) und Stomaträgern mit doppeltem Stoma (Nummer 1.3.) können ebenfalls die unter 2.1. aufgeführten Ausnahmen, jedoch mit einer Beschränkung der Parkzeit auf drei Stunden, bewilligt werden. Die Ankunftszeit ist durch Einstellung auf einer Parkscheibe (§ 13 Abs. 2 Nr. 2, Bild 291 StVO) zu dokumentieren. Die Parkscheibe ist im Fahrzeug so auszulegen, dass sie von außen gut lesbar ist.
2.3
Parkflächen, welche durch das Zeichen 314 beziehungsweise 315 StVO und das Zusatzzeichen 1044-10 Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinden vorbehalten sind, dürfen grundsätzlich nicht genutzt werden. Eine Nutzung ist in besonderen Ausnahmefällen dann zulässig, wenn diese Parkflächen (zum Beispiel vor Arztpraxen oder bestimmten Geschäften zur Deckung des täglichen Bedarfs) in der Ausnahmegenehmigung konkret benannt sind.
2.3
Die Ausnahmegenehmigung muss die Auflage enthalten, dass von den darin erteilten Befreiungen nur unter Berücksichtigung der in § 1 StVO vorgeschriebenen Grundsätze Gebrauch gemacht werden darf und die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer stets zu berücksichtigen ist. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Ausnahmegenehmigung nicht genutzt werden darf, wenn in besonderen Verkehrssituationen das Halten und Parken des Fahrzeuges zu einer erheblichen Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer führen würde. Die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer ist stets zu berücksichtigen. Ferner muss die Ausnahmegenehmigung den Hinweis enthalten, dass ein Verstoß gegen diese Grundsätze den Widerruf der Ausnahmegenehmigung zur Folge haben kann.
3.
Verfahren
3.1
Der Antrag ist bei der für den Wohnsitz zuständigen Straßenverkehrsbehörde des Landkreises, der Kreisfreien Stadt oder der Großen Kreisstadt auf einem Formblatt (Anlage 1) zu stellen.
Die Straßenverkehrsbehörde erhebt in den unter Nummern 1.1. und 1.2. genannten Fällen gemäß § 12 Abs. 4 Nr. 8 des Gesetzes zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Datenschutzgesetz – SächsDSG) vom 25. August 2003 (SächsGVBl. S. 330) beim zuständigen Amt für Familie und Soziales die für die Bearbeitung des Antrags notwendigen personenbezogenen Daten anhand der als Anlage 2 beigefügten Bescheinigung, um einen unverhältnismäßigen Aufwand sowohl bei den Antragstellern als auch bei den beteiligten Behörden zu vermeiden. Überwiegende schutzwürdige Interessen der Antragsteller stehen diesem Verfahren nicht entgegen, weil die Antragsteller das Verfahren selbst in Gang setzen und die Gewährung eines rechtlichen Vorteils anstreben.
Die erforderlichen Formulare (Anlagen 1 und 2) sind bei den Straßenverkehrsbehörden bereitzuhalten.
3.2
Falls noch kein Verfahren über die Feststellung der Behinderung der Antragsteller stattgefunden hat, sind die Antragsteller – mit Ausnahme der unter Nummer 1.4. genannten Personen (vorübergehend Berechtigte) – darauf hinzuweisen, dass sie bei dem zuständigen Amt für Familie und Soziales einen entsprechenden Antrag stellen können. Die hierzu erforderlichen Formulare sollen den Regierungspräsidien durch das Landesamt für Familie und Soziales zur Verfügung gestellt und bei den Straßenverkehrsbehörden bereitgehalten werden.
3.2
Sofern die Behörde bei Nichtvorliegen der unter Nummer 1.1. und 1.2. genannten Voraussetzungen nach eingehender Prüfung und Würdigung aller im Einzelfall relevanten Umstände davon ausgeht, dass ein ganz außergewöhnlicher Sachverhalt gegeben sein könnte, der aufgrund von vergleichbaren Beeinträchtigungen der Mobilität die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung dringend geboten erscheinen lässt (atypischer Fall), ist Folgendes zu beachten:
 
a)
Beeinträchtigungen der Gehfähigkeit, die auf Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule beruhen, jedoch nicht die unter Nummern 1.1. und 1.4. genannten Kriterien erfüllen, sind grundsätzlich nicht als atypische Fälle zu bewerten.
 
b)
Vor Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung kann die Straßenverkehrsbehörde nach schriftlicher Zustimmung der Antragsteller eine Stellungnahme des Amtes für Familie und Soziales einholen. In dieser Stellungnahme sollen die Art der Erkrankung/Behinderung und insbesondere deren Auswirkungen dargestellt werden. Es ist zu prüfen, inwieweit die Ausnahmegenehmigung inhaltlich, zeitlich und örtlich begrenzt werden kann. Im Übrigen sind bezüglich des Geltungsbereiches der Ausnahmegenehmigung die für Berechtigte nach Nummer 1.1 genannten Beschränkungen zu beachten. Die Gründe für die Entscheidung sind detailliert und nachvollziehbar schriftlich zu dokumentieren.
3.4
Ausnahmegenehmigungen sind ausschließlich für den Freistaat Sachsen und unter Widerrufsvorbehalt längstens für die Dauer von fünf Jahren zu erteilen. Bei Antragstellern mit nicht besserungsfähigen Behinderungen können sie auch unbefristet erteilt werden. Die Ausnahmegenehmigungen erlöschen unabhängig von der Befristung mit dem Ungültigwerden des Schwerbehindertenausweises. Die Ausnahmegenehmigung sowie der Schwerbehindertenausweis sind mitzuführen und bei Kontrollen auf Verlangen vorzuzeigen. Für den Personenkreis der vorübergehend Berechtigten beträgt die Gültigkeitsdauer maximal ein halbes Jahr.
Gleichzeitig mit der Ausnahmegenehmigung (Anlage 3) ist ein Parkausweis nach Anlage 4 auszugeben, der bei Inanspruchnahme der Parkerleichterungen im Fahrzeug von außen gut lesbar auszulegen ist.
4.
Gebühren
 
Auf § 5 Abs. 6 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr wird hingewiesen.
5.
In-Kraft-Treten und Außer-Kraft-Treten
 
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig treten der durch Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur Verlängerung der Geltungsdauer von Verwaltungsvorschriften des Jahres 2002 (VerlängerungsVwV 2002) vom 2. Dezember 2002 (SächsABl. 2003 S. 59) bis 31. Dezember 2007 verlängerte Erlass des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur Parkerleichterung für Schwerbehinderte – Az.: 76-3851.01 – vom 24. April 1997 (unveröffentlicht) und der Ergänzungserlass vom 29. Juli 2003 außer Kraft.

Dresden, den 22. Mai 2006

Sächsisches Staatsministerium
für Wirtschaft und Arbeit
Christoph Habermann
Staatssekretär

Anlagen:

Anlage 1:

Anlage 2:

Anlage 3:

Anlage 4:

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2006 Nr. 25, S. 563
    Fsn-Nr.: 471-V06.2

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 23. Juni 2006

    Fassung gültig bis: 31. Dezember 2011