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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Prüfung der persönlichen Eignung für das Beamtenverhältnis

Vollzitat: Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Prüfung der persönlichen Eignung für das Beamtenverhältnis vom 21. Juni 2004 (SächsABl. S. 734), enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 2005 (SächsABl. SDr. S. S 758)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
zur Prüfung der persönlichen Eignung für das Beamtenverhältnis

Vom 21. Juni 2004

I
Allgemeines

1
Anwendungsbereich
 
Diese Verwaltungsvorschrift gilt für alle staatlichen Behörden des Freistaates Sachsen. Sie ist bei einer Ernennung zum Richter entsprechend anzuwenden.
2
Pflicht zur Verfassungstreue im Beamtenverhältnis:
 
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung von 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – (BVerfGE 39 S. 334 f.) hinsichtlich der Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst die nachfolgenden Leitsätze aufgestellt, wobei sich Leitsatz 7 nur auf Angestellte bezieht:
 
1.
Es ist ein hergebrachter und zu beachtender Grundsatz des Berufsbeamtentums (Artikel 33 Abs. 5 GG), dass den Beamten eine besondere politische Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung obliegt.
 
2.
Die Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung, auch soweit sie im Wege einer Verfassungsänderung veränderbar ist, zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, dass der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet, dass er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt. Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, dass der Beamte Partei für ihn ergreift.
 
3.
Bei Beamten auf Probe und bei Beamten auf Widerruf rechtfertigt die Verletzung der Treuepflicht regelmäßig die Entlassung aus dem Amt. Bei Beamten auf Lebenszeit kann wegen dieser Dienstverletzung im förmlichen Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden.
 
4.
Es ist eine von der Verfassung (Artikel 33 Abs. 5 GG) geforderte und durch das einfache Gesetz konkretisierte rechtliche Voraussetzung für den Eintritt in das Beamtenverhältnis, dass der Bewerber die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.
 
5.
Der Überzeugung, dass der Bewerber die geforderte Gewähr nicht bietet, liegt ein Urteil über die Persönlichkeit des Bewerbers zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält und sich jeweils auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Elementen und deren Bewertung gründet.
 
6.
Die sich aus Artikel 33 Abs. 5 GG ergebende Rechtslage gilt für jedes Beamtenverhältnis, für das Beamtenverhältnis auf Zeit, für das Beamtenverhältnis auf Probe und für das Beamtenverhältnis auf Widerruf ebenso wie für das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.
 
7.
Wenn auch an die Angestellten im öffentlichen Dienst weniger hohe Anforderungen als an die Beamten zu stellen sind, schulden sie gleichwohl dem Dienstherrn Loyalität und die gewissenhafte Erfüllung ihrer dienstlichen Obliegenheiten; auch sie dürfen nicht den Staat, in dessen Dienst sie stehen, und seine Verfassungsordnung angreifen; auch sie können wegen grober Verletzung dieser Dienstpflichten fristlos entlassen werden; und auch ihre Einstellung kann abgelehnt werden, wenn damit zu rechnen ist, dass sie ihre mit der Einstellung verbundenen Pflichten nicht werden erfüllen können oder wollen.
 
8.
Ein Teil des Verhaltens, das für die Beurteilung der Persönlichkeit eines Beamtenanwärters erheblich sein kann, kann auch der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sein, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt – unabhängig davon, ob ihre Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt ist oder nicht.
 
9.
Die durch Artikel 33 Abs. 5 GG gedeckten Regelungen des Beamten- und Disziplinarrechts sind allgemeine Gesetze im Sinne von Artikel 5 Abs. 2 GG.
 
10.
Es steht nicht in Widerspruch zu Artikel 12 GG, wenn der hergebrachte Grundsatz des Berufsbeamtentums im Beamtenrecht verwirklicht wird, vom Bewerber für ein Amt zu verlangen, dass er die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.
 
11.
(...)“
3
Zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 SächsBG
3.1
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Beamtengesetzes für den Freistaat Sachsen ( SächsBG ) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juni 1999 (SächsGVBl. S. 370, 2000 S. 7), das zuletzt durch Artikel 25 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (SächsGVBl. S. 148, 158) geändert worden ist, darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaates Sachsen eintritt.
Der Bewerber ist verpflichtet, sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaates Sachsen zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten.
3.2
Ein Bewerber, der verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelt, darf nicht in ein Beamtenverhältnis berufen werden. Gehört ein Bewerber einer Organisation an, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt (Anlage 3), begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaates Sachsen eintreten wird.
4
Zu § 6 Abs. 2 SächsBG
4.1
Gemäß § 6 Abs. 2 SächsBG darf in das Beamtenverhältnis grundsätzlich nicht berufen werden, wer gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, insbesondere die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grundsätze verletzt hat oder für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit tätig war.
4.2
Zu den Grundsätzen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte zählen insbesondere:
die Freiheitssphäre des Einzelnen,
die Gewissens- und Religionsfreiheit,
die Meinungs- und Informationsfreiheit,
die Versammlungs- und Vereinsfreiheit,
die Gleichheit vor dem Gesetz,
der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie
die Freizügigkeit und die Auswanderungsfreiheit.
4.3
Es ist zu berücksichtigen, dass Verstöße gegen Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit in der DDR teilweise systemimmanent waren. § 6 Abs. 2 Nr. 1 SächsBG will nicht generell alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder staatsnaher Organisationen in der früheren DDR von einer Verbeamtung ausschließen; die Bestimmung geht von einer Einzelfallprüfung aus. Auf Abschnitt I Nr. 5 wird deshalb besonders hingewiesen.
4.4
§ 6 Abs. 2 Nr. 2 SächsBG ist dahingehend auszulegen, dass bei ehemaligen MfS-Mitarbeitern vor deren Berufung in das Beamtenverhältnis eine zweistufige Prüfung zu erfolgen hat. Nachdem die Tätigkeit der Person für das frühere MfS festgestellt worden ist, ist in einem zweiten Schritt eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung ihrer gesamten Persönlichkeit erforderlich. Diese hat ergebnisoffen und zukunftsorientiert zu erfolgen. Zu berücksichtigen sind unter anderem das Maß der Verstrickung des für das frühere MfS Tätigen, die Bedeutung der innegehabten Stellung sowie der drohende Schaden für das öffentliche Erscheinungsbild. Daneben ist insbesondere der Zeitfaktor zu berücksichtigen. Die persönliche Haltung der Person kann sich ebenso wie die Einstellung zur eigenen Vergangenheit im Laufe der Zeit geändert haben. Längere beanstandungsfreie Zeiträume können auf Bewährung, innere Distanz, Abkehr von früheren Einstellungen und Taten hinweisen.
Die Bedeutung der in der Vergangenheit liegenden Vorgänge, der Zeitablauf und die mögliche Wandlung, die bisherige Bewährung und eine Prognose der künftigen Entwicklung im Hinblick auf die Anforderungen eines konkreten Amtes sind zu einer einzelfallorientierten Prüfung zusammenzufügen. Für eine Nichtberufung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 ist die Feststellung notwendig, dass der Bewerber wegen seiner früheren Tätigkeit beim MfS für das konkrete Amt untragbar erscheint.
5
Zu § 6 Abs. 3 SächsBG
5.1
Bei ehemaligen Mitarbeitern oder Angehörigen, die herausgehobene Funktionen in Parteien und Massenorganisationen, bewaffneten Organen und Kampfgruppen sowie sonstigen staatlichen oder gemeindlichen Dienststellen (zum Beispiel Räte der Kreise, Räte der Gemeinden) oder Betrieben der DDR innehatten, wird vermutet, dass sie die für die Berufung in das Beamtenverhältnis erforderliche Eignung nicht besitzen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 SächsBG ). Diese Vermutung kann widerlegt werden (§ 6 Abs. 3 Satz 2 SächsBG ).
5.2
Ob eine herausgehobene Funktion zu bejahen ist, ist grundsätzlich daran zu messen, auf welcher hierarchischen Stufe des Staats- oder Parteienaufbaus der DDR (Anlagen 4, 5, 6) der Einzelne diese Funktion ausübte und welche Stellung der Organisation oder der Dienststelle im Herrschaftssystem der DDR zukam. Die Aufzählung von herausgehobenen Funktionen in § 6 Abs. 3 Satz 1 SächsBG ist nicht abschließend. Der beispielhaften Aufzählung in § 6 Abs. 3 SächsBG kann eine Wertung des Gesetzgebers entnommen werden, welche Stufe des Parteiaufbaus der ehemaligen DDR noch als „herausgehoben“ angesehen werden kann.
5.3
Für die Feststellung, ob eine herausgehobene Funktion im System der DDR wahrgenommen wurde, ist die Einordnung der ehemaligen Position im Verzeichnis der Nomenklaturfunktionen (Kadernomenklatur, Kontrollnomenklatur, Reservekader für Nomenklaturfunktionen) und die hierarchische Stufe, auf der diese Nomenklaturfunktion ausgeübt wurde, von besonderem Gewicht.
Die Kadernomenklatur war ein nach politischer Bedeutung hierarchisch geordnetes Funktionsverzeichnis. Die dort aufgeführten Funktionen wurden von der SED als Leitungspositionen qualifiziert, die nur mit politisch unbedingt loyalen Personen (Nomenklaturkader) besetzt werden sollten.
Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass es sich bei den jeweiligen Funktionsträgern jedenfalls dann um Nomenklaturkader handelte, wenn es sich um eine herausgehobene Funktion handelte und wenn die Besetzung der Funktion nur kürzere Zeit zurücklag.
Zur Kadernomenklatur zählten insbesondere:
Vorsitzende der Räte der Bezirke, der Kreise und der Stadtbezirke einschließlich deren Erste Stellvertreter,
Mitglieder der Räte der Bezirke, der Kreise und der Stadtbezirke,
Leiter der Abteilungen der Ministerien und der Räte der Bezirke,
Leiter der Abteilungen Inneres sowie Kader für Bildung der Räte der Kreise und der Stadtbezirke,
Kombinats-, Instituts- und Betriebsdirektoren,
Oberbürgermeister und deren Erste Stellvertreter,
leitende Mitarbeiter in Außenhandelsbetrieben,
Botschaftspersonal und Personal anderer diplomatischer Vertretungen und Handelsvertretungen,
Mitglieder der Bezirks- und Kreiseinsatzleitungen.
5.4
Als herausgehobene Funktion ist ferner eine Tätigkeit als Kader in der B-Struktur anzusehen. Die B-Struktur wurde für Spannungsperioden und den Verteidigungsfall geschaffen. Kadern der B-Struktur oblag es in diesen Situationen, alle Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Verwaltung zu besetzen und hierdurch ein Funktionieren des Staatsapparates zu gewährleisten. B-Kader (Berechnungskader) in den staats- und wirtschaftsleitenden Organen und Einrichtungen erfüllten als Geheimnisträger wichtige Aufgaben zur Vorbereitung des Staatsapparates und der Volkswirtschaft auf den Verteidigungszustand. Deshalb wurden an B-Kader besondere politisch-ideologische Anforderungen gestellt. Außerdem unterlagen B-Kader hohen Sicherheitsanforderungen und Zulassungsbestimmungen durch das Ministerium für Staatssicherheit. Aus diesen Gründen ist bei B-Kadern in der Regel von einer besonderen Systemnähe auszugehen.
5.5
Die bloße Mitgliedschaft oder untergeordnete Mitarbeit in einer Partei oder Massenorganisation begründet für sich allein noch keine Zweifel an der persönlichen Eignung eines Bewerbers. Entscheidend für die Beurteilung im Einzelfall ist die ausgeübte Funktion innerhalb einer Massenorganisation in Verbindung mit einer möglichen Mitgliedschaft in der SED oder – abgeschwächt – in einer Blockpartei. Ausschlaggebend ist ferner die politische Bedeutung der jeweiligen gesellschaftlichen Organisation.
Die politisch wichtigsten Massenorganisationen waren in der Volkskammer, in den Bezirksvertretungen oder örtlichen Volksvertretungen jeweils mit eigenen Fraktionen vertreten. Durch die Mandatsträger aus den Reihen der Massenorganisationen, die der Parteidisziplin unterworfen waren, sollte die führende Rolle und damit die Macht der SED gesichert werden.
Die politisch wichtigsten Massenorganisationen waren:
der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB),
die Freie Deutsche Jugend (FDJ),
der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD),
der Kulturbund der DDR (KB),
die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB),
die Gesellschaft für Sport und Technik (GST).
5.6
Ab folgender Ebene kann bei Angehörigen der Parteien oder sonstiger Massenorganisationen in der DDR grundsätzlich von einer herausgehobenen Funktion ausgegangen werden:
Vorsitzende einer Massenorganisation ab Betriebs- oder Behördenebene,
SED-Parteisekretäre ab Kreisebene,
Vorsitzende und Mitglieder der Sekretariate der Nationalen Front ab Ebene der Kreisvorstände,
Vorsitzende und Sekretäre der Führungsgremien der Parteien ab Kreis- oder Stadtkreisebene,
Vorsitzende und Sekretäre der Führungsgremien der Massenorganisationen ab Kreis- oder Stadtkreisebene.
5.7
Als herausgehobene Funktion ist ferner eine hauptamtliche Lehrtätigkeit an den Bildungseinrichtungen der Parteien oder der Massenorganisationen anzusehen. Zentrale Bildungseinrichtungen waren:
5.7.1
Bei der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED):
die Akademie für Gesellschaftswissenschaften in Berlin,
die Parteihochschule „Karl Marx“ in Berlin,
die Parteischule „Karl Liebknecht“ in Kleinmachnow,
die Sonderschule „Hans Marchwitza“ in Woltersdorf,
das Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung in Berlin,
die Institute für Aus- und Weiterbildung von Kadern der sozialistischen Landwirtschaft in Dresden, Liebenwalde und Schwerin.
5.7.2
Bei der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands (CDU):
die zentrale Parteischule „Otto Nuschke“ in Burgscheidungen.
5.7.3
Bei der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD):
die zentrale Parteischule in Waldsieversdorf.
5.7.4
Bei der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD):
die zentrale Schulungsstätte „Dr. Wilhelm Külz“ in Bantikow.
5.7.5
Bei der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD):
die zentrale Bildungsstätte in Borkheide.
5.7.6
Beim Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB):
die Gewerkschaftshochschule „Fritz Heckert“ in Bernau.
5.7.7
Bei der Freien Deutschen Jugend (FDJ):
die Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“ in Bogensee.
5.8
Bei herausgehobenen Funktionsträgern der bewaffneten Organe und Kampfgruppen kann demgegenüber generell keine Unterscheidung nach der hierarchischen Stellung in der Organisationseinheit vorgenommen werden. Die Kampfgruppen waren das unmittelbare bewaffnete Organ der SED in den Betrieben, landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, staatlichen Verwaltungen und Institutionen. Die Kampfgruppen waren gut ausgerüstete und militärisch ausgebildete Einheiten, die einen festen Platz im System der inneren Sicherheit der DDR hatten. Ihnen oblag die Durchführung von Ordnungs- und Sicherungsaufgaben oder taktischen Kampfaufgaben gegen als feindlich erklärte Kräfte im betreffenden Stadtkreis- oder Kreisgebiet. Jeder Kämpfer legte ein Gelöbnis ab. Die Ausbildung erfolgte teilweise während der Arbeitszeit. Die Kommandeure aller Stufen waren der SED ergebene Personen, die auf Lehrgängen die notwendige militärische Qualifikation erhielten. Der Ministerrat der DDR hat zur Anerkennung der Leistungen in den Kampfgruppen besondere staatliche Auszeichnungen gestiftet.
Bei Kommandeuren der Kampfgruppen, deren Politstellvertretern sowie sonstigen politischen Funktionsträgern ist grundsätzlich von einer herausgehobenen Funktion auszugehen.
Zu den bewaffneten Organen sind zu zählen:
die Nationale Volksarmee, der Zoll, die Grenztruppen, die Volkspolizei, das Ministerium für Staatssicherheit.
6
Bei der Prüfung der Frage, ob der Bewerber die persönliche Eignung für die Berufung in das Beamtenverhältnis besitzt, hat eine sorgfältige Einzelfallprüfung zu erfolgen. Eine pauschale Beurteilung ist nicht zulässig.

II
Verfahren zur Feststellung der persönlichen Eignung

1
Jeder Bewerber ist vor der Entscheidung über die Einstellung über seine Pflicht zur Verfassungstreue schriftlich zu belehren. Die unterschriebene Erklärung ist zu den Personalakten zu nehmen (Anlage 1).
Hat der Bewerber diese oder eine vergleichbare Erklärung, die vom selben Dienstherrn bei einer vorhergehenden Einstellung oder Übernahme in ein Arbeitsverhältnis verwandt wurde, bereits unterschrieben, ist eine nochmalige Erklärung nicht erforderlich.
Dem Bewerber ist hierbei ein Verzeichnis der wichtigsten extremistischen oder extremistisch beeinflussten Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland vorzulegen (Anlage 3) und als Bestandteil der Belehrung nach Anlage 1 zu den Akten zu nehmen. Dieses Verzeichnis wird bei Bedarf durch das Staatsministerium des Innern fortgeschrieben und im Sächsischen Amtsblatt veröffentlicht.
2
Jeder Bewerber, der am 12. Januar 1990 das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte, hat die Erklärung zu Fragen seiner gesellschaftlichen Stellung im System der ehemaligen DDR, einer Tätigkeit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit und zur Zugehörigkeit zu Parteien und Massenorganisationen in der DDR vollständig auszufüllen und zu unterzeichnen (Anlage 2). Der in Anlage 2 für die Beantwortung der Fragen 1 bis 4 auf den 31. Dezember 1975 festgelegte Stichtag ist Ausfluss höchstrichterlicher Rechtsprechung, wonach ein verlässlicher Schluss auf die heutige Einstellung des Betroffenen zur freiheitlichen und demokratischen Verfassung des Grundgesetzes sich bei bereits vor diesem Stichtag beendeten Stasi-Tätigkeiten beziehungsweise -Kontakten nicht herleiten lässt. Diese Erklärung ist bereits bei der Einstellung oder Übernahme in ein Arbeitsverhältnis mit dem Ziel einer eventuellen späteren Verbeamtung und bei einer Versetzung von einem anderen Dienstherrn zu fordern.
Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 gilt entsprechend.
3
Ob der Bewerber eine herausgehobene Funktion in der Verwaltung der DDR innehatte, ist anhand des lückenlosen Lebenslaufes und der Bewerbungs- und/oder Personal-/Kaderakten zu prüfen.
4
Bei einem Bewerber, der am 12. Januar 1990 das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte, erfolgt in jedem Fall eine Anfrage bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Wenn davon auszugehen ist, dass eine Auskunft in absehbarer Zeit nicht erteilt werden kann, und wenn Bedenken zur persönlichen Eignung nicht ersichtlich sind, kann der Bewerber auch vor der Auskunftserteilung in das Beamtenverhältnis berufen werden. Wegen der beschränkten Möglichkeiten zur Korrektur einer Fehlentscheidung nach erfolgter Verbeamtung (vergleiche Abschnitt III Nr. 2.1) ist von dieser Möglichkeit restriktiv Gebrauch zu machen.
Ab dem 29. Dezember 2006 kann der Dienstherr bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes keine Auskünfte zwecks Überprüfung der Person mehr einholen, da diese Anfragen gemäß § 20 Abs. 3 und § 21 Abs. 3 des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-GesetzStUG) vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2272), das zuletzt durch Gesetz vom 14. August 2003 (BGBl. I S. 1654) geändert worden ist, nach Ablauf einer Frist von 15 Jahren ab In-Kraft-Treten des Gesetzes (29. Dezember 1991) unzulässig sind.
5
Bei Zweifeln an der persönlichen Eignung ist zu prüfen, ob eine Anfrage
  • bei der Zentralen Beweismittel- und Dokumentationsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter mit Zustimmung des Bewerbers oder/und
  • beim Landesamt für Verfassungsschutz
weitere entscheidungserhebliche Tatsachen erwarten lässt.
Eine Anfrage erfolgt nicht, wenn der Bewerber das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz erfolgt nur dann, wenn der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, dass der Bewerber gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstößt, eine Einstellung tatsächlich beabsichtigt ist und die Pflicht zur Verfassungstreue nur noch die letzte zu prüfende Einstellungsvoraussetzung ist. Eine Regelanfrage findet nicht statt. Liegen Erkenntnisse vor, so sind diese auf Tatsachen zu beschränken, die gerichtsverwertbar sind. Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, die Tätigkeiten vor der Vollendung des 18. Lebensjahres betreffen, dürfen nicht weitergegeben werden, es sei denn, sie sind Gegenstand eines anhängigen Strafverfahrens. Der Bewerber ist vor einer Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz von der personalbearbeitenden Stelle über das Verfahren der Überprüfung zu unterrichten.
6
Bestehen aufgrund der vom Landesamt für Verfassungsschutz, der Zentralen Beweismittel- und Dokumentationsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter oder von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mitgeteilten oder anderweitig bekannt gewordenen Tatsachen, aufgrund einer herausgehobenen Funktion im System der DDR oder wegen der Weigerung des Bewerbers, die Erklärung nach Anlage 1 zu unterschreiben, Zweifel daran, dass der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaates Sachsen eintritt, ist ihm Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme zu geben. Hiervon kann abgesehen werden, wenn eine Verbeamtung aus anderen Gründen ausscheidet. Findet ein Anhörungsgespräch statt, ist ein Protokoll zu führen. Können bestehende Zweifel dabei nicht ausgeräumt werden, darf der Bewerber nicht in das Beamtenverhältnis berufen werden. Entsprechendes gilt, wenn der Bewerber die Zustimmung für eine Anfrage nach Abschnitt II Nr. 5 nicht erteilt.
7
Ist eine Berufung in das Beamtenverhältnis wegen der gesetzlichen Vorgaben in § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2 oder 3 SächsBG nicht möglich, so ist die Entscheidung dem Bewerber schriftlich unter Darlegung der Gründe mitzuteilen. Der Bescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. Die zuständige oberste Dienstbehörde ist vor der Entscheidung und über den Fortgang des Verfahrens zu unterrichten.

III
Schlussvorschriften

1
Bei Beamten auf Probe und auf Widerruf rechtfertigt die Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SächsBG ) regelmäßig die Entlassung aus dem Dienst. Bei Beamten auf Lebenszeit kann wegen dieser Dienstpflichtverletzung das förmliche Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst eingeleitet werden. Dabei ist zu beachten, dass nach dem in Abschnitt I Nr. 1 genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Tatbestand der Treuepflichtverletzung ein Minimum an Gewicht und Evidenz der Pflichtverletzung gehört.
2
Eine Ernennung unter Verstoß gegen § 6 Abs. 2 oder 3 SächsBG war nach der bis zum 9. April 2002 geltenden Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 SächsBG (ursprünglich § 15 Abs. 1 Nr. 3) zurückzunehmen.
2.1
§ 15 Abs. 1 Nr. 4 SächsBG wurde durch Artikel 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 12. März 2002 (SächsGVBl. S. 108) gestrichen. Die Ernennung ist allerdings nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 SächsBG wegen arglistiger Täuschung zurückzunehmen, wenn der Beamte seine belastende Tätigkeit auf dem Erklärungsbogen verschwiegen hat. Unrichtige Angaben zu Fragen der Zusammenarbeit mit dem MfS/AfNS sind Täuschungshandlungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 SächsBG (BVerwG vom 14. November 1996 – 2 B 16/96 –, ZBR 1997, 229). Für den Ursachenzusammenhang zwischen Täuschung und Ernennung genügt, dass die Behörde nach ihrer tatsächlichen Praxis ohne die Täuschung den Bewerber nicht alsbald ernannt, sondern zunächst weitere Prüfungen und Erwägungen angestellt hätte. Fahrlässige Unkenntnis des wahren Sachverhaltes schließt die Ernennungsrücknahme nicht aus.
3
Das Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SächsSÜG ) vom 19. Februar 2004 (SächsGVBl. S. 44) bleibt unberührt.
4
Den kommunalen Gebietskörperschaften sowie den sonstigen der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, entsprechend zu verfahren.
5
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Sie tritt am 29. Dezember 2006 außer Kraft.

Dresden, den 21. Juni 2004

Der Staatsminister des Innern
Horst Rasch

Anlage 1

Anlage 2

Anlage 3

Anlage 4

Anlage 5

Anlage 6

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2004 Nr. 30, S. 734

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 23. Juli 2004

    Fassung gültig bis: 29. Dezember 2006