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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV Krisennachsorge

Vollzitat: VwV Krisennachsorge vom 18. Mai 2015 (SächsABl. S. 834), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 11. Dezember 2023 (SächsABl. SDr. S. S 275)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz
zur Gewährleistung der Krisennachsorge im Justizvollzug des Freistaates Sachsen und in anderen Einrichtungen im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz
(VwV Krisennachsorge)

Vom 18. Mai 2015

I.

Geiselnahmen, Suizide und Suizidversuche, das Auffinden von Toten und die Versorgung von Verletzten, Übergriffe jeglicher Art sowie ähnliche außerordentliche Ereignisse während der Dienstverrichtung (belastende Ereignisse) sind Vorkommnisse, auf die der Justizvollzug vorbereitet sein muss. Sie können für die daran unmittelbar oder mittelbar beteiligten Bediensteten des Justizvollzugs (Betroffene) in besonderem Maße belastend wirken. Die Belastung kann unter Umständen über das Ereignis selbst hinauswirken und in der Folge zu ernsthaften physischen sowie psychischen Beeinträchtigungen führen. Um möglichen Folgeschäden entgegen zu wirken, wird ein Krisennachsorgeteam eingerichtet. Das Krisennachsorgeteam bietet unmittelbare Hilfe und Nachbetreuung an. Es organisiert bei Bedarf die Weiterbetreuung durch externe Hilfsinstanzen. Im Zusammenwirken mit den Leitern der Justizvollzugsanstalten sollen die Mitglieder des Krisennachsorgeteams dazu beitragen, dass die Betroffenen mit der Bewältigung von belastenden Ereignissen nicht allein gelassen werden und ihnen eine angemessene Verarbeitung der belastenden Ereignisse ermöglicht wird (Krisennachsorge).

II.

1.
Krisennachsorge
 
Krisennachsorge ist ein auf Freiwilligkeit beruhendes Angebot. Das Einverständnis der Betroffenen hierzu ist erforderlich. Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams weisen die Betroffenen vor Beginn der Krisennachsorge darauf hin.
2.
Organisation des Krisennachsorgeteams
 
a)
Das Staatsministerium der Justiz bestellt geeignete freiwillige Mitarbeiter verschiedener Berufsgruppen des Justizvollzugs zu Mitgliedern des Krisennachsorgeteams. Die Bestellung ist unbefristet und kann auf Wunsch des Mitglieds oder aus dienstlichen Gründen aufgehoben werden.
 
b)
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams organisieren ihre Arbeit eigenverantwortlich. Das Staatsministerium der Justiz bestellt auf ihren Wunsch Koordinatoren. Diese stehen dem Staatsministerium der Justiz als Ansprechpartner zur Verfügung, beraten in Fragen der Aus- und Fortbildung und sind für den Informationsaustausch innerhalb des Teams verantwortlich.
 
c)
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams stimmen ihre Betreuung zeitlich, örtlich und inhaltlich aufeinander ab und tauschen sich über die empfohlenen Maßnahmen aus. Sie werden grundsätzlich nicht tätig, wenn sie selbst Betroffene sind.
 
d)
Die Ausübung der Krisennachsorge ist dienstliche Tätigkeit. Sie hat Vorrang, sofern andere zwingende dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein Bereitschaftsdienst ist nicht eingerichtet. Die Genehmigung für Dienstreisen der Mitglieder des Krisennachsorgeteams aus Anlass ihres Einsatzes innerhalb des Freistaates Sachsen wird allgemein erteilt.
3.
Schweigepflicht
 
a)
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams unterliegen über den Inhalt der Krisennachsorge der Schweigepflicht. Diese besteht nicht, soweit durch diese Verwaltungsvorschrift oder eine andere Rechtsvorschrift anderes bestimmt ist, die Krisennachsorge eine Information anderer Mitglieder des Krisennachsorgeteams erfordert oder die Betroffenen schriftlich die Entbindung von der Schweigepflicht erklären.
 
b)
Bedürfen die Aussagen der Mitglieder des Krisennachsorgeteams über den Inhalt der Krisennachsorge nach anderen Rechtsvorschriften der vorherigen Genehmigung, darf diese nur mit der Zustimmung des Staatsministeriums der Justiz erteilt werden. Die Genehmigung, ein Gutachten über die Betroffenen zu erstatten, ist für die Mitglieder des Krisennachsorgeteams im Regelfall zu versagen.
4.
Kontaktaufnahme und Berichtspflicht
 
a)
Das Krisennachsorgeteam wird durch die Leiter der Justizvollzugsanstalten unverzüglich bei Hinweisen, dass Bedienstete des Justizvollzugs einem belastenden Ereignis ausgesetzt sind oder waren, informiert. Dies kann bei Verfügbarkeit auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten der Mitglieder des Krisennachsorgeteams erfolgen. Allen Bediensteten des Justizvollzugs steht es daneben frei, sich direkt und ohne Einhaltung des Dienstweges an ein Mitglied des Krisennachsorgeteams zu wenden.
 
b)
Bei der Berichterstattung der Leiter der Justizvollzugsanstalten über ein belastendes Ereignis an das Staatsministerium der Justiz ist anzugeben, ob für Betroffene eine Krisennachsorge eingeleitet ist.
5.
Arbeitsweise des Krisennachsorgeteams
 
a)
Die Betreuung soll unverzüglich, möglichst innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem belastenden Ereignis, einsetzen.
 
b)
Die Betreuung erfolgt in drei Phasen:
1. Phase:
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams unterstützen und begleiten die Betroffenen unmittelbar nach dem belastenden Ereignis. Sie leiten Maßnahmen zur Abschirmung störender Einwirkungen auf die Betroffenen ein und organisieren bei Erforderlichkeit die Hilfsmaßnahmen. Eine notwendige ärztliche Behandlung wird durch die Krisennachsorge nicht ersetzt. Dienstliche Sofortmaßnahmen gegenüber den Betroffenen werden im Regelfall erst nach Beratung durch die Mitglieder des Krisennachsorgeteams, ob Betreuungsmaßnahmen Vorrang einzuräumen ist, ergriffen.
2. Phase:
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams stimmen mit den Betroffenen das weitere Vorgehen ab. Sie übernehmen die weitere Betreuung und unterstützen bei der Weitervermittlung an externe Beratungs- und Therapieeinrichtungen.
3. Phase:
Drei bis sechs Monate nach dem belastenden Ereignis bieten die jeweils zuständigen Mitglieder des Krisennachsorgeteams den Betroffenen ein Nachgespräch an. Mit den Betroffenen wird erörtert, ob weitere Maßnahmen eingeleitet werden sollen.
 
c)
Das Krisennachsorgeteam unterstützt und berät die Dienstvorgesetzten im Umgang mit den Betroffenen. Die Schweigepflicht nach Nummer 3 bleibt unberührt.

III.

Mit Zustimmung des für den Justizvollzug zuständigen Abteilungsleiters des Staatsministeriums der Justiz kann das Krisennachsorgeteam in Ausnahmefällen auch gegenüber Betroffenen anderer Einrichtungen im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz tätig werden. In diesem Fall findet diese Verwaltungsvorschrift mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass anstelle des Leiters der Justizvollzugsanstalt der jeweilige Leiter der Dienststelle der Betroffenen tritt. Die Vorschriften der Ziffer II Nummer 4 Buchstabe a Satz 3 und Buchstabe b finden keine Anwendung.

IV.

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.

Dresden, den 18. Mai 2015

Der Staatsminister der Justiz
Sebastian Gemkow

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2015 Nr. 25, S. 834
    Fsn-Nr.: 311-V15.2

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 19. Juni 2015

    Fassung gültig bis: 29. Februar 2024