1. Navigation
  2. Inhalt
REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV Arzneimittelrisiko

Vollzitat: VwV Arzneimittelrisiko vom 14. Juli 2000 (SächsABl. S. 670), enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 2005 (SächsABl. SDr. S. S 899)

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums
für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie
und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
über Maßnahmen bei Arzneimittelrisiken
(VwV Arzneimittelrisiko)

Vom 14. Juli 2000

I.
Grundsätze
1.
Der laufenden Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit muss im Interesse der Allgemeinheit durch geeignete Verwaltungsmaßnahmen Rechnung getragen werden. Als Arzneimittelrisiken im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift kommen insbesondere Zwischenfälle mit Arzneimitteln in Betracht, aus denen unmittelbar oder mittelbar Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung sowie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen können. Bei unvorhergesehenen Vorkommnissen mit Arzneimitteln müssen die notwendigen Maßnahmen innerhalb des Freistaates Sachsen sowie gegebenenfalls länderübergreifend koordiniert, erforderlichenfalls unverzüglich und unter Vermeidung überstürzter und unzweckmäßiger Aktionen eingeleitet werden.
2.
Die Erfassung und Bearbeitung von Arzneimittelrisiken erfolgt gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beobachtung, Sammlung und Auswertung von Arzneimittelrisiken (Stufenplan) nach § 63 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 1990 (BAnz. S. 2570).
3.
Zuständige Behörde für die Entgegennahme von Meldungen über Arzneimittelrisiken und deren Bearbeitung ist zunächst das Regierungspräsidium, in dessen Bezirk das Arzneimittelrisiko festgestellt wurde:
Regierungspräsidium Chemnitz
Altchemnitzer Straße 41, 09120 Chemnitz
Tel.:    (03 71) 5 32 17 40 oder 5 32 17 41
Fax:    (03 71) 5 32 17 03
Regierungspräsidium Dresden
Stauffenbergallee 2, 01099 Dresden
Tel.:    (03 51) 8 25 74 10 oder 8 25 74 11
Fax:    (03 51) 8 25 97 44 oder 8 25 97 42
Regierungspräsidium Leipzig
Braustraße 2, 04107 Leipzig
Tel.:    (03 41) 9 77 74 10 oder 9 77 74 20
Fax:    (03 41) 9 77 70 99.
4.
Zuständige Behörde im Sinne von Nummer 4.3 des Stufenplans ist das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie:
Sächsisches Staatsministerium für Soziales,
Gesundheit, Jugend und Familie
Albertstraße 10, 01097 Dresden
Tel.:    (03 51) 5 64 57 56 oder 5 64 56 53
Fax:    (03 51) 5 64 57 88.
5.
Alle in dieser Verwaltungsvorschrift genannten Behörden und Stellen nehmen Meldungen über Arzneimittelrisiken von anderen Behörden (zum Beispiel Gesundheitsämter, Polizeidienststellen), von betroffenen Fachkreisen (zum Beispiel Ärzte, Apotheker, Zahn- und Tierärzte, Krankenhäuser, pharmazeutische Industrie) sowie von sonstigen Personen und Institutionen, die mit Arzneimitteln umgehen, direkt entgegen.
6.
Sofern Meldungen über Arzneimittelrisiken bei anderen Behörden eingehen oder dort Beobachtungen bekannt werden, die einen solchen Verdacht rechtfertigen, sind diese sofort den hierfür zuständigen Behörden mitzuteilen. Sofern an Behörden und Stellen Verdachtsmeldungen über Arzneimittelrisiken aus der Bevölkerung herangetragen werden, sollte vor allem auf die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe oder die Weiterleitung der Information an eine Apotheke verwiesen werden.
7.
Die in Rechtsvorschriften (zum Beispiel Apothekenbetriebsordnung, Arzneimittelgesetz, Berufsordnung der Ärzte und Apotheker) geregelten Informationswege bei Arzneimittelrisiken bleiben vom Inhalt dieser Verwaltungsvorschrift unberührt.
II.
Arzneimittelrisiken
1.
Als Arzneimittelrisiken im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift kommen insbesondere in Betracht:
 
a)
Nebenwirkungen,
 
b)
Wechselwirkungen mit anderen Mitteln,
 
c)
Gegenanzeigen,
 
d)
Resistenzbildung,
 
e)
Missbrauch,
 
f)
Fehlgebrauch,
 
g)
Gewöhnung,
 
h)
Abhängigkeit,
 
i)
Mängel der Qualität,
 
j)
Mängel der Behältnisse und äußeren Umhüllungen,
 
k)
Mängel der Kennzeichnung und Packungsbeilage sowie
 
l)
Arzneimittelfälschungen.
2.
Die Meldungen über Arzneimittelrisiken sollen nach Möglichkeit folgende Mindestangaben enthalten:
 
a)
Bezeichnung des Arzneimittels,
 
b)
Darreichungsform und Stärke,
 
c)
Name oder Firma und Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers,
 
d)
Packungsgröße,
 
e)
Chargenbezeichnung,
 
f)
Verfallsdatum,
 
g)
Zulassungs- beziehungsweise Registrierungsnummer,
 
h)
beobachtetes Arzneimittelrisiko,
 
i)
Maßnahmen, die gegebenenfalls schon ergriffen wurden beziehungsweise beabsichtigt sind und
 
j)
meldende Stelle.
III.
Informationswege (Alarmplan)
1.
Arzneimittelrisiken, die eine akute gesundheitliche Gefährdung der Allgemeinheit oder bestimmter Personen zur Folge haben können (zum Beispiel Unsterilität bei Injektions- und Infusionslösungen, Verwechslungen), sind bei Bekanntwerden mit dem Stichwort „Arzneimittelzwischenfall“ unverzüglich telefonisch oder durch Telefax mitzuteilen.
1.1
Innerhalb der Kernarbeitszeit (Montag bis Donnerstag 9.00 Uhr bis 15.30 Uhr, Freitag 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr) nimmt das örtlich zuständige Regierungspräsidium Meldungen über derartige Arzneimittelrisiken entgegen. Es informiert unverzüglich das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie über den Arzneimittelzwischenfall und stimmt das weitere Vorgehen mit diesem ab.
1.2
Ist außerhalb der Kernarbeitszeit das zuständige Regierungspräsidium nicht zu erreichen, werden Meldungen und Informationen vom Lagezentrum beim Staatsministerium des Innern entgegengenommen. Das Lagezentrum ist folgendermaßen erreichbar:
Sächsisches Staatsministerium des Innern
Abteilung 3 – Landespolizeipräsidium
Wilhelm-Buck-Straße 2, 01097 Dresden
Tel.:    (03 51) 5 64 37 75
Fax:    (03 51) 5 64 37 79.
Das Lagezentrum stimmt in diesem Fall das weitere Vorgehen unverzüglich mit den vom Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie unter Angabe der telefonischen Erreichbarkeit benannten Vertretern (hilfsweise des Regierungspräsidiums Dresden) ab.
2.
Arzneimittelrisiken, die keine unmittelbare Gefährdung der Allgemeinheit oder bestimmter Personen darstellen (zum Beispiel mikrobielle Kontamination, Abweichungen bei Haltbarkeit und Gewicht, Mängel in der Kennzeichnung oder der Packungsbeilage), sind ebenfalls unverzüglich mitzuteilen und werden vom örtlich zuständigen Regierungspräsidium eigenverantwortlich bearbeitet.
Das zuständige Regierungspräsidium informiert über die eingegangene Meldung sowie über den Bearbeitungsstand und die getroffenen Maßnahmen fortlaufend das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie.
IV.
Maßnahmen
1.
Die zuständigen Behörden können im Zuge der Risikoabwehr folgende Maßnahmen ergreifen:
 
a)
gezielte Information ausgewählter Fachkreise (zum Beispiel Ärzte, Apotheker, Krankenhäuser, pharmazeutischer Großhandel),
 
b)
Information der Fachkreise unter Nutzung des Informationssystems der Sächsischen Landesärztekammer sowie der Sächsischen Landesapothekerkammer,
 
c)
Information der Fachkreise unter Nutzung des Informationssystems der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft beziehungsweise der Deutschen Apotheker,
 
d)
unmittelbare (direkte) Information der Fachkreise sowie
 
e)
Warnung der Bevölkerung.
 
Gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen nach § 69 Arzneimittelgesetz bleiben hiervon unberührt.
2.
Das Lagezentrum beim Staatsministerium des Innern kann zur Gefahrenabwehr außerhalb der Dienstzeit folgende Maßnahmen ergreifen:
 
a)
Information der Lagezentren der anderen Bundesländer,
 
b)
Information der Krankenhäuser, der Rettungsleitstellen sowie der diensthabenden Apotheken im Freistaat Sachsen über die nachgeordneten Polizeidienststellen (für die Aktualisierung der entsprechenden Liste der Krankenhäuser ist das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie verantwortlich) sowie
 
c)
Information der Bevölkerung über die Medien nach Maßgabe einer von den Vertretern des Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie oder des Regierungspräsidiums Dresden übermittelten Warnmeldung.
3.
Für die länderübergreifende Koordinierung von Maßnahmen bei Arzneimittelrisiken ist das für den pharmazeutischen Unternehmer zuständige Land federführend. Sind mehrere Länder federführend betroffen, sollen die erforderlichen Maßnahmen einvernehmlich über die Zentrale Koordinierungsstelle der Länder festgelegt werden, erforderlichenfalls kann dazu auch eine gutachterliche Stellungnahme bei der zuständigen Bundesoberbehörde angefordert werden. Über die beabsichtigten oder bereits veranlassten Maßnahmen werden die übrigen Obersten Landesgesundheitsbehörden und die zuständige Bundesoberbehörde unverzüglich informiert. Im Interesse eines einheitlichen Vollzuges orientieren sich die entsprechenden Aktivitäten der anderen Länder an diesen Maßnahmen.
4.
Besteht bei einem Arzneimittelrisiko nach Ziffer III Nr. 1 der Verdacht, dass der Zulassungsstatus des Präparats betroffen ist oder liegt eine Staatliche Chargenfreigabe vor, ist zur weiteren Veranlassung unverzüglich die zuständige Bundesoberbehörde zu unterrichten.
5.
Untersuchungen und Begutachtungen, die im Zusammenhang mit im Freistaat Sachsen festgestellten Arzneimittelrisiken erforderlich werden, sind zunächst durch die
Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und
Veterinärwesen Sachsen (LUA)
Fachgebiete Pharmazie
Postfach 20 02 74
01192 Dresden
Tel.:    (03 51) 2 68 35 83
Fax:    (03 51) 2 68 36 96
oder in Absprache mit der LUA Sachsen, Fachgebiete Pharmazie durchzuführen.
6.
Die Regierungspräsidien haben bei den pharmazeutischen Unternehmern darauf hinzuwirken, dass eigenverantwortlich veranlasste und durchgeführte Maßnahmen, insbesondere Rückrufe, rechtzeitig mit ihnen abzustimmen sind. Sie haben sich den Vollzug derartiger Maßnahmen unverzüglich mitteilen zu lassen und diesen gegebenenfalls beim pharmazeutischen Unternehmer zu überprüfen.
V.
Schnellwarnsystem innerhalb der EU
(Rapid Alert System, RAS)
1.
Auf Qualitätsmängel, über die die zuständige Bundesoberbehörde die Obersten Landesgesundheitsbehörden im Rahmen des RAS informiert, finden die Ziffern I bis IV entsprechende Anwendung.
2.
Über Maßnahmen nach Nummer 9.4 des Stufenplanes informiert das jeweils zuständige Regierungspräsidium mit dem RAS-Formblatt, das dieser Verwaltungsvorschrift als Anlage 1 beigefügt ist, das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie. Der jeweilige Qualitätsmangel ist auf Grundlage der entsprechenden Klassifizierungshinweise der EU, die dieser Verwaltungsvorschrift als Anlage 2 beigefügt sind, zu bewerten.
Das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie unterrichtet die zuständige Bundesoberbehörde über die getroffenen Maßnahmen.
VI.
Zentral zugelassene Arzneimittel
1.
Auf Risiken im Sinne der Ziffer III Nr. 1 und 2, die im Zusammenhang mit Arzneimitteln stehen, die von der Europäischen Kommission zentral zugelassen wurden, findet die Ziffer III entsprechend Anwendung. In diesen Fällen gilt allerdings die Maßgabe, dass die zuständige Bundesoberbehörde unverzüglich über das aufgetretene Arzneimittelrisiko zu informieren ist. Diese unterrichtet die Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA).
2.
Die Koordination von Maßnahmen erfolgt in diesen Fällen durch die EMEA. Deren Vorschläge für Maßnahmen werden über die zuständige Bundesoberbehörde den Obersten Landesgesundheitsbehörden zugeleitet. Die Regierungspräsidien treffen die erforderlichen Veranlassungen und berichten über deren Vollzug.
3.
Ist eine Maßnahme zum Schutz der Gesundheit dringend erforderlich, kann in einem solchen Fall das weitere Inverkehrbringen des Arzneimittels durch die Regierungspräsidien im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie gemäß § 69 Abs. 1 a Arzneimittelgesetz untersagt werden. Die Ziffer IV Nr. 3 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die EMEA über diese Maßnahme.
VII.
In-Kraft-Treten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Dresden, den 14. Juli 2000

Staatsministerium für Soziales,
Gesundheit, Jugend und Familie
In Vertretung
Dr. Albin Nees
Staatssekretär

Staatsministerium des Innern
In Vertretung
Hartmut Ulbricht
Staatssekretär

Anlage 1
(zu Ziffer V Nr. 2)

Anlage 2
(zu Ziffer V Nr. 2)

Anlage 2
Klasse Beschreibung
Klasse 1: Der vorliegende Mangel ist potentiell lebensbedrohlich oder könnte schwere Gesundheitsschäden verursachen.
Über Klasse-1-Mängel muss in jedem Fall über das RAS informiert werden.
Dazu zählen beispielsweise:
falsches Produkt (Deklaration und Inhalt stimmen nicht überein)
falsche Wirkstoffstärke mit schweren medizinischen Folgen
mikrobielle Kontamination von injizierbaren oder ophthalmologischen Produkten
chemische Kontamination mit schweren medizinischen Folgen
Untermischung anderer Produkte in erheblichem Ausmaß
(1 Blister)
falscher Wirkstoff in Kombinationsarzneimitteln mit schweren medizinische Folgen
Klasse 2: Der vorliegende Mangel kann Krankheiten oder Fehlbehandlungen verursachen und fällt nicht unter Klasse 1.
Über Klasse-2-Mängel müssen im Rahmen des RAS die EU-Mitgliedstaaten und EU-Vertragspartner (MRA) informiert werden, die das betreffende Produkt wahrscheinlich erhalten haben (einschließlich Parallelimport).
Dazu zählen beispielsweise:
falsche Angaben
    falscher oder fehlender Text oder Zahlenangaben
    falsches oder fehlendes Verfalldatum
falsche oder fehlende Information in der Produktinformation
Untermischung anderer Produkte innerhalb eines Blisterstreifens
Abweichung von den Spezifikationen (zum Beispiel analytische Abweichung/Haltbarkeit/Füllgewicht)
unzureichender Verschluss mit schweren medizinischen Folgen (zum Beispiel bei Zytostatika, fehlende Kindersicherung)
Klasse 3: Der vorliegende Mangel stellt kein signifikantes Risiko für die Gesundheit dar (Rückruf nicht von der zuständigen Behörde gefordert).
Der Rückruf erfolgte aus anderen Gründen als Klasse 1 und 2.
Dazu zählen beispielsweise:
fehlerhafte Verpackung
falsche oder fehlende Chargenbezeichnung
fehlerhafter Verschluss
Kontamination
    mikrobielle Verunreinigung jeder Art
    Verschmutzung
    Ausflockung
    einzelne vertauschte Tablette

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2000 Nr. 34, S. 670

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 25. August 2000

    Fassung gültig bis: 17. August 2006