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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV LRS-Förderung

Vollzitat: VwV LRS-Förderung vom 19. Juli 2001 (MBl. SMK S. 189), enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 1. Dezember 2005 (SächsABl. SDr. S. S 883)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus
zur Förderung von Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche
(VwV LRS-Förderung)

Az.: 34-6504.20/174/7

Vom 19. Juli 2001

1
Geltungsbereich

Die Verwaltungsvorschrift gilt für alle öffentlichen Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien.

2
Regelungsgegenstand

Die Verwaltungsvorschrift regelt Inhalt und Organisation der Förderung von Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche.

3
Grundsätze

Bei einer Reihe von Schülern in der Grundschule und in den weiterführenden Schulen ist der Schulerfolg durch besondere Schwierigkeiten im Lesen und in der Rechtschreibung stark beeinträchtigt. Die nachfolgenden Bestimmungen sollen dazu beitragen, diesen Beeinträchtigungen so weit wie möglich zu begegnen. Sie haben das Ziel, die vorhandenen Begabungen zu entwickeln, den Schülern eine ihrem individuellen Leistungsvermögen angemessene Schullaufbahn zu ermöglichen und die Lese-Rechtschreib-Schwäche im Lauf der Schulzeit durch entsprechende Hilfen zu reduzieren.

4
Begriffsbeschreibung

Als Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) wird eine Teilleistungsschwäche verstanden, deren Hauptmerkmal eine ausgeprägte Beeinträchtigung der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibfähigkeit ist, die nicht durch eine allgemeine intellektuelle Beeinträchtigung oder inadäquate schulische Betreuung erklärt werden kann.

5
Diagnostizierung, Fördermaßnahmen und Bewertung der Schülerleistungen
5.1
Grundschule
5.1.1
Im Falle einer vermuteten LRS sollte im Zusammenwirken von Schule und Erziehungsberechtigten geklärt werden, ob ein Diagnoseverfahren eingeleitet wird. Bei einer entsprechenden Entscheidung stellt der Schulleiter mit dem Einverständnis der Erziehungsberechtigten einen Antrag auf Diagnostizierung an das zuständige Regionalschulamt.
Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen:
 
a)
schriftliche Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten zur Diagnostik ihres Kindes auf Vorliegen einer LRS,
 
b)
Übungen im freien Schreiben und Mathematikkontrollen mit Fehleranalysen,
 
c)
Diktat und Bilderliste.
 
Eine pädagogische Einschätzung der Schule zur Leistungsentwicklung des Schülers kann beigefügt werden.
5.1.2
Die Diagnostik für Schüler mit einer vermuteten LRS erfolgt durch ein vom Regionalschulamt berufenes Diagnostikteam. Diesem gehören jeweils mindestens an:
 
a)
zwei LRS-Lehrer,
 
b)
ein Schulpsychologe,
 
c)
ein Sprachheilpädagoge.
 
Im Rahmen des Verfahrens sind durch das Diagnostikteam folgende Bereiche zu diagnostizieren:
 
a)
intellektuelle Befähigung,
 
b)
Primärsymptomatik, sprachlicher Status, Lesen, Rechtschreiben, mathematische Leistungen,
 
c)
Sekundärsymptomatik, wie z.B. Arbeitsweise, Motivation, Konzentration und Ausdauer, Sozialverhalten.
 
In Auswertung des durchgeführten Verfahrens legt das Diagnostikteam einen begründeten Vorschlag zur weiteren Förderung des Kindes vor. Die Erziehungsberechtigten und der den Antrag stellende Schulleiter sind darüber zu informieren.
Das Diagnostikteam verweist, sofern dies als erforderlich angesehen wird, auf die Durchführung einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung von möglichen Besonderheiten der Wahrnehmung, von psychischen oder neurologischen Erkrankungen und Anamnese.
5.1.3
Um Schüler mit diagnostizierter LRS im Unterricht ihrer Grundschule zu fördern, sind auf der Grundlage einer kontinuierlichen Analysetätigkeit Förderpläne zu erstellen.
5.1.4
Die Erziehungsberechtigten von Schülern mit diagnostizierter LRS können beantragen, die Benotung für Leistungen im Lesen und/oder in der Rechtschreibung auszusetzen. Die Beantragung sollte zu Beginn des Schuljahres erfolgen. Die Entscheidung über die Aussetzung der Benotung trifft die Klassenkonferenz.
5.1.5
Schüler, die nicht im Rahmen des Unterrichtes ihrer Grundschule im Lesen und im Rechtschreiben entsprechend gefördert werden können, werden mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten in den dafür eingerichteten LRS-Klassen unterrichtet.
 
a)
Für Schüler, die nach der Klassenstufe 2 in eine LRS-Klasse wechseln, gilt die Stundentafel der Klassenstufe 3 der Grundschule. Zur individuellen Förderung stehen maximal drei Stunden zusätzlich zur Verfügung. Die Beschulung findet in einem 2-jährigen Lehrgang statt und umfasst die Klassen 3/I und 3/II. Der Streckungsbonus ist vor allem für die differenzierte Förderung der Schüler im Lesen und Rechtschreiben zu nutzen.
 
b)
Die Schüler der Klassen 3/I erhalten zum Halbjahr eine Halbjahresinformation ohne Noten mit einer Verbaleinschätzung über die erbrachten Leistungen und am Schuljahresende ein Jahreszeugnis ohne Noten mit einer Verbaleinschätzung über die erbrachten Leistungen. Die Schüler der Klassen 3/II erhalten zum Halbjahr eine Halbjahresinformation mit Noten und am Ende des Schuljahres ein Jahreszeugnis mit Noten.
 
c)
Im 2. Schulhalbjahr absolvieren die Schüler der Klasse 3/II eine mindestens 14-tägige Adaptionsbeschulung in der zukünftigen Grundschulklasse.
 
d)
Die aufnehmende Schule erhält ein Abschlussgutachten, welches Aussagen über die Entwicklung des Schülers im Lern- und Leistungsbereich sowie zum Sozialverhalten enthält und Hinweise für die weitere Förderung des Schülers gibt. Im Rahmen der vorhandenen sächlichen und personellen Kapazitäten und im Einvernehmen zwischen Regionalschulamt und dem Schulträger sowie dem Träger der Schülerbeförderung können die Schüler bis zum Ende der Grundschulzeit an der die LRS-Klasse führenden Schule verbleiben.
5.1.6
Kann aus organisatorischen Gründen keine LRS-Klasse gebildet werden, können die Schüler in Gruppen an ihrer Grundschule durch einen LRS-Lehrer besonders gefördert werden. Die Unterrichtsstunden des LRS-Lehrers werden entsprechend aufgegliedert.
5.1.7
Am Ende der Klassenstufe 4 unterbreitet die Grundschule schriftlich Vorschläge für die weitere Förderung ab der Klassenstufe 5. Die Regionalschulämter halten für die Grundschulen schriftliche Informationen über Angebote zur Förderung der Schüler mit LRS an den weiterführenden Schulen bereit. Diese werden den Erziehungsberechtigten mit der Bildungsempfehlung der Grundschule für den Besuch einer weiterführenden Schule übergeben.
5.2
Mittelschule
5.2.1
In Einzelfällen wird eine LRS erst nach dem Übergang in die weiterführende Schule deutlich erkennbar. Es sind daher, insbesondere im 1. Schulhalbjahr der Klassenstufe 5, Anhaltspunkte für das Vorliegen einer LRS besonders zu beachten. In diesen begründeten Einzelfällen stellt der Schulleiter mit dem Einverständnis der Erziehungsberechtigten einen Antrag auf Diagnostizierung an das zuständige Regionalschulamt. Für das Diagnoseverfahren findet Nummer 5.1.1 und 5.1.2 entsprechende Anwendung. Dem Antrag gemäß Nummer 5.1.1 ist neben den genannten Unterlagen eine pädagogische Einschätzung der Schule zur Leistungsentwicklung des Schülers beizufügen.
5.2.2
Schüler mit diagnostizierter LRS erhalten eine angemessene individuelle Förderung. Eine Förderung erfolgt vor allem im Rahmen des regulären Unterrichts. Bei Bedarf können im Rahmen der sächlichen und personellen Voraussetzungen zusätzliche Fördermaßnahmen angeboten werden. Diese Fördermaßnahmen können auch parallel zum Regelunterricht der Klasse angeboten werden. Sie sollen sich vor allem auf die Fächer Deutsch und/oder Fremdsprache beziehen.
5.2.3
Bei schriftlichen Arbeiten oder Übungen kann der Fachlehrer eine angemessene Arbeitszeitverlängerung gewähren und/ oder zusätzliche Hilfsmittel zulassen. Im Einzelfall kann er eine andere Aufgabe stellen, die geeignet ist, den individuellen Lernfortschritt zu dokumentieren.
5.2.4
Bei Schülern mit diagnostizierter LRS, bei denen die Rechtschreibleistungen über einen nicht absehbaren Zeitraum „mangelhaft“ oder „ungenügend“ bleiben, kann aus besonderen pädagogischen Gründen zeitlich befristet eine Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistungen in den Fächern Deutsch und/oder Fremdsprache gewährt werden. In diesen Fällen werden die Rechtschreibleistungen in der Fachnote nicht berücksichtigt. Die Entscheidung über die Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistungen trifft die Klassenkonferenz. Die Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistungen ist jedoch nur mit dem Einverständnis der Erziehungsberechtigten zu gewähren und setzt voraus, dass für den Zeitraum des Notenschutzes spezielle Fördermaßnahmen stattfinden. Die Fördermaßnahmen und der individuelle Lernfortschritt des Schülers sind zu dokumentieren und die Erziehungsberechtigten in regelmäßigen Abständen zu informieren. Bei schriftlichen Arbeiten in Fächern, in denen die Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistungen gewährt wurde, werden die Rechtschreibleistungen verbal beurteilt. Die Nichtberücksichtigung der Rechtschreibleistungen in der Fachnote in den Fächern Deutsch und/oder Fremdsprache wird auf dem Zeugnis oder der Halbjahresinformation vermerkt. Folgende Formulierung wird empfohlen: „Die Rechtschreibleistungen sind in der Note im Fach ... nicht enthalten.“
5.2.5
Die in den Nummern 5.2.2 bis 5.2.4 genannten Fördermaßnahmen kommen in Betracht für Schüler der Klassenstufen 5 und 6. In begründeten Fällen können Fördermaßnahmen auch ab Klassenstufe 7 erfolgen. Die Regelungen zum Erwerb der Abschlüsse der Mittelschule bleiben hiervon unberührt.
5.2.6
Ist trotz intensiver Förderhilfe kein Lernzuwachs festzustellen, empfiehlt es sich, die gewählte Methode bzw. das Förderkonzept zu überprüfen. In Einzelfällen ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Förderung durch die Schule an Grenzen stößt. In diesen Fällen sollten die Erziehungsberechtigten auch über außerschulische Förder- und Therapiemöglichkeiten informiert werden. In Ausnahmefällen ist auch eine Überprüfung gemäß § 30 SchulG i.V.m. § 12 SOFS auf sonderpädagogischen Förderbedarf notwendig.
5.3
Gymnasium
Die Regelungen der Nummern 5.2.1 bis 5.2.6 finden grundsätzlich nur in den Klassenstufen 5 und 6 sinngemäß Anwendung. Die Regelungen über die gymnasiale Oberstufe und die Abiturprüfung im Freistaat Sachsen bleiben hiervon unberührt.
6
Allgemeine Bestimmungen
6.1
Die Eltern sollen in Elternversammlungen und Elternsprechstunden über Probleme von Schülern mit LRS informiert werden. Dabei sind insbesondere Hinweise für häusliche Hilfen zu geben.
6.2
Perspektivisch ist an jeder Schule dafür Sorge zu tragen, dass mindestens ein Lehrer in Fragen der LRS fortgebildet wird. In Fragen der LRS soll dieser Lehrer zu Klassen- und Fachkonferenzen hinzugezogen werden.
6.3
Das Regionalschulamt bestimmt im Einvernehmen mit den Schulträgern die Schulen, an denen differenziertere Maßnahmen zur Förderung von Schülern mit diagnostizierter LRS angeboten werden. Die in diesen Maßnahmen eingesetzten Lehrer erhalten eine vertiefte Fortbildung.
7
In-Kraft-Treten und Außer-Kraft-Treten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. August 2001 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Förderung von Schülern mit Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben in LRS-Klassen an Grundschulen im Freistaat Sachsen vom 5. Oktober 1992 (ABl. SMK S. 10), geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 11. März 1994 (ABl. SMK S. 201), verlängert durch Verwaltungsvorschrift vom 2. Dezember 1997 (SächsABl. S. 1263) außer Kraft.

Dresden, den 19. Juli 2001

Sächsisches Staatsministerium für Kultus
Günther Portune
Staatssekretär

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    MBl. SMK 2001 Nr. 9, S. 189

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 1. August 2001

    Fassung gültig bis: 1. August 2006