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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz, des Sächsischen Staatsministeriums des Innern und des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie über die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluß bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten und die Sicherstellung und die Beschlagnahme von Fahrausweisen

Vollzitat: Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz, des Sächsischen Staatsministeriums des Innern und des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie über die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluß bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten und die Sicherstellung und die Beschlagnahme von Fahrausweisen vom 3. Mai 1995 (SächsABl. S. 785)

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz,
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
und des Sächsischen Staatsministeriums
für Soziales, Gesundheit und Familie
über die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluß bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten und die Sicherstellung und die Beschlagnahme von Fahrausweisen

Vom 3. Mai 1995

Inhaltsübersicht

1
Allgemeines
2
Atemalkoholprüfung
3
Körperliche Untersuchung und Blutentnahme
3.1
Rechtliche Grundlagen
3.1.1
Beschuldigte und Betroffene
3.1.2
Andere Personen
3.1.3
Verstorbene
3.2
Gründe für die Anordnung
3.2.1
Regelfälle
3.2.2
Unklare Verdachtslage
3.2.3
Verdacht auf Medikamenten- und Drogeneinfluß
3.3
Verzicht auf die Anordnung
3.3.1
Privatklagedelikte
3.3.2
Ordnungswidrigkeiten und leichte Vergehen
3.3.3
Atemalkoholprüfung
3.3.4
Ausnahmen
3.4
Zuständigkeit für die Anordnung
3.5
Verfahren bei der Blutentnahme
3.5.1
Entnahme der Blutprobe
3.5.2
Protokoll
3.5.3
Anordnung/Zuwendung von Zwang
3.5.4
Zweite Blutentnahme
3.5.5
Sicherung der Blutproben
3.6
Verfahren bei der Untersuchung
4
Urinproben
5
Haarproben
6
Sicherstellung/Beschlagnahme von Fahrausweisen
6.1
Voraussetzungen
6.1.1
Atemalkoholtestgerät
6.1.2
Alkoholteströhrchen
6.1.3
Weigerung
6.2
Verfahren
6.2.1
Abgabe an die Staatsanwaltschaft
6.2.2
Rückgabe an Betroffene
6.2.3
Ausländische Fahrweise
7
Bevorrechtigte Personen
7.1
Abgeordnete
7.2
Diplomaten und andere
7.3
Stationierungsstreitkräfte und ihr Gefolge
7.3.1
Grundsätze
7.3.2
Erlaubnisse zum Führen dienstlicher Kraftfahrzeuge
7.3.3
Erlaubnisse zum Führen privater Kraftfahrzeuge
8
Kosten
9
Inkrafttreten

1 Allgemeines

Bei Verdacht einer unter der Einwirkung von Alkohol oder anderen, allein oder im Zusammenwirken mit Alkohol auf das Zentralnervensystem wirkenden Stoffen (Medikamente, Drogen) begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist zu prüfen, ob eine Atemalkoholprüfung, eine körperliche Untersuchung, eine Blutentnahme, eine Urinprobe oder eine Haarprobe in Betracht kommen. Besonders wichtig sind diese Maßnahmen bei Verdacht schwerwiegender Straftaten sowie bei Verkehrsstrafen und Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG; namentlich in diesen Fällen kann eine Sicherstellung oder Beschlagnahme von Fahrausweisen (Führerscheine und sonstige Fahrausweise) in Betracht kommen.

2 Atemalkoholprüfung

Die Atemalkoholprüfung ist keine körperliche Untersuchung im Sinne des § 81a StPO. Eine rechtliche Grundlage für ihre zwangsweise Durchsetzung besteht nicht. Sie kann daher nur mit Einverständis der betroffenen Person durchgeführt werden und soll die Entscheidung über die Anordnung einer Blutentnahme erleichtern. Wird die Atemalkoholprüfung abgelehnt oder das Testgerät nicht vorschriftsmäßig beatmet, sind bei Verdacht auf rechtserhebliche Alkoholbeeinflussung eine körperliche Untersuchung und die Blutentnahme anzuordnen.

3 Körperliche Untersuchung und Blutentnahme

3.1
Rechtliche Grundlagen
3.1.1
Beschuldigte und Betroffene
 
Bei Beschuldigten und Betroffenen sind ohne ihre Einwilligung die körperliche Untersuchung sowie die Blutentnahme zur Feststellung von Tatsachen zulässig, die für das Verfahren von Bedeutung sind, wenn kein Nachteil für ihre Gesundheit zu befürchten ist (§ 81a Abs. 1 StPO), § 46 Abs. 1 OWiG). Betroffene haben jedoch nur die Blutentnahme und andere geringfügige Eingriffe zu dulden (§ 46 Abs. 4 OWiG).
3.1.2
Andere Personen
 
Bei anderen Personen als Beschuldigten oder Betroffenen ist ohne ihre Einwilligung
 
a)
die körperliche Untersuchung nur zulässig, wenn sie als Zeugen in Betracht kommen und zur Erforschung der Wahrheit festgestellt werden muss, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit befindet (§ 81c Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG);
 
b)
die Blutentnahme nur zulässig, wenn kein Nachteil für ihre Gesundheit zu befürchten und die Maßnahme zur Erforschung der Wahrheit unerläßlich ist (§ 81c Abs. 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG).
 
In diesen Fällen können die Untersuchung und die Blutentnahme aus den gleichen Gründen wie das Zeugnis verweigert werden; beide Maßnahmen sind ferner unzulässig, wenn sie der betroffenen Person bei Würdigung aller Umstände nicht zugemutet werden können (§ 81c Abs. 3, 4 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG).
3.1.3
Verstorbene
 
Bei verstorbenen Personen sind Blutentnahmen zur Beweissicherung nach § 94 StPO zulässig.
3.2
Gründe für die Anordnung
 
Regelfälle
 
Eine körperliche Untersuchung und eine Blutentnahme sind in der Regel anzuordnen bei Personen, die verdächtig sind, unter der Einwirkung von Alkohol und/oder von sonstigen auf das Zentralnervensystem wirkenden Stoffen (Medikamenten, Drogen) eine Straftat begangen zu haben, namentlich
 
a)
ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt zu haben mit 0,3 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt, wenn es infolge des Alkoholkonsums zu Ausfallerscheinungen, einer verkehrswidrigen Fahrweise oder einem Verkehrsunfall gekommen ist;
 
b)
ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt zu haben mit 1,1 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt;
 
c)
ein Fahrrad im Straßenverkehr geführt zu haben mit 1,6 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt;
 
d)
ein Schienenbahn oder Schwebefahrzeug, ein Schiff oder Luftfahrzeug geführt zu haben, obwohl aufgrund der Gesamtumstände angenommen werden muss, daß sie nicht in der Lage waren, das Fahrzeug sicher zu führen;
 
eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben, namentlich
 
a)
im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl sie 0,8 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hatten, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt (§ 24a StVG);
 
b)
ein Wasserfahrzeug geführt zu haben mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,8 oder mehr Promille oder einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt, sofern Schiffahrtspolizeiverordnungen entsprechende Bußgeldtatbestände enthalten;
 
c)
nach § 3 Abs. 3 und § 61 Abs. 1 Nr. 1 SeeSchStrO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 Seeaufgabengesetz oder § 7 Abs. 1 Binnenschifffahrtsaufgabengesetz;
 
d)
nach § 8 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, 5 und § 45 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 Buchst. a BOKraft in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG;
 
e)
nach § 1 Abs. 3 und § 43 Nr. 3 LuftVO in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Nr. 10 LuftVG.
3.2.2
Unklare Verdachtslage
 
Eine körperliche Untersuchung und eine Blutentnahme sind in der Regel auch anzuordnen
 
1.
bei unter Alkoholeinwirkung oder der Einwirkung sonstiger auf das Zentralnervensystem wirkender Stoffe (Medikamente, Drogen) stehenden Personen, die sich in oder auf einem Fahrzeug befinden oder befunden haben, wenn der Führer des Fahrzeugs nicht mit Sicherheit festzustellen und der Tatverdacht gegen sie, das Fahrzeug geführt zu haben, nicht auszuschließen ist;
 
2.
bei unter Alkoholeinwirkung oder unter der Einwirkung sonstiger auf das Zentralnervensystem wirkender Stoffe (Medikamente, Drogen) stehenden anderen Personen (zum Beispiel Fußgängern, Beifahrern), wenn sie im Verdacht stehen, den Straßenverkehr gefährdet zu haben und wenn dadurch andere Personen verletzt oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist;
 
3.
bei verstorbenen Personen, wenn Anhaltspunkte für die Einwirkung von Alkohol oder sonstigen auf das Zentralnervensystem wirkenden Stoffen (Medikamente, Drogen) vorhanden sind (zum Beispiel Alkoholgeruch, Zeugenaussage, Art des zum Tode führenden Geschehens), es sei dann, ein Fremdverschulden ist auszuschließen;
 
4.
bei schwerwiegenden Straftaten und bei schweren Unfällen, die sich anhand örtlicher oder tageszeitlicher Bedingungen, aufgrund der Straßen und Witterungsverhältnisse oder durch übliche Fehlverhaltensweisen nicht oder nicht ausreichend erklären lassen.
3.2.3
Verdacht auf Medikamenten oder Drogeneinfluss
 
Anhaltspunkte für das Einwirken sonstiger auf das Zentralnervensystem wirkender Stoffe (Medikamente, Drogen) sind insbesondere typische Ausfallerscheinungen oder unerklärliche Fahrfehler, die trotz auszuschließender Alkoholeinwirkung oder nicht eindeutiger oder ausschließlicher Alkoholbeeinflussung (zum Beispiel nach vorhergegangenem Atemalkoholtest) festgestellt werden. Als weitere Anhaltspunkte kommen das Auffinden von Medikamenten, Drogen oder Gegenständen, die dem Konsum von Betäubungsmitteln dienen sowie die positive Kenntnis früherer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Betracht.
 
Verzicht auf die Anordnung
 
Eine körperliche Untersuchung und eine Blutentnahme sollen grundsätzlich unterbleiben,
3.3.1
bei den Privatklagedelikten des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB), der Beleidigung (§§ 185 bis 187a, 189 StGB) und der einfachen Sachbeschädigung (§ 303 StGB);
3.3.2
bei leichten Vergehen und bei Ordnungswidrigkeiten, mit Ausnahme der unter Nummer 3.2.1 genannten Regelfälle , es sei denn, daß Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Täter schuldunfähig oder vermindert schuldfähig sein könnte (§§ 20, 21, 323a StGB, § 12 Abs. 2, § 122 OWiG);
3.3.3
wenn im Rahmen der Atemalkoholprüfung bei vorschriftsmäßiger Beatmung des elektronischen Atemalkohltestgeräts weniger als 0,4 mg/l (oder 0,8 Promille Alkohol im Blut) angezeigt werden oder bei vorschriftsmäßiger Beatmung des Alkoholteströhrchens die Verfärbung der Reaktionsschicht den gelben Markierungsstrich nicht erreicht.
3.3.4
Ausnahmen
 
Die Maßnahmen müssen auch in diesen Fällen angeordnet werden,
 
a)
falls sie nach pflichtgemäßer Überprüfung wegen der Besonderheiten des Einzelfalls (Schwere oder Folgen der Tat, Verdacht auf Medikamenten oder Drogeneinfluss, relative Fahruntüchtigkeit) ausnahmsweise geboten sind;
 
b)
falls das Testergebnis zwar einen unter 0,4 mg/l (oder 0,8 Promille Alkohol im Blut) liegenden Alkoholwert ergibt, der Test aber erst später als eine Stunde nach der Tat durchgeführt werden konnte und
 
c)
äußere Merkmale (zum Beispiel gerötete Augen, Sprechweise, schwankender Gang) oder
 
d)
die Art des nur durch alkoholtypische Beeinträchtigung erklärbaren Verkehrsverhaltens
 
auf eine Alkoholbeeinflussung zur Tatzeit hindeuten;
 
e)
auf Weisung der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft an die Polizei.
3.4
Zuständigkeit für die Anordnung
 
Die Anordnung einer körperlichen Untersuchung sowie einer Blutentnahme steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft, deren Hilfsbeamten und den Verfolgungsbehörden zu. Sollen Minderjährige oder Betreute, die nicht beschuldigt oder betroffen sind, körperlich untersucht oder einer Blutentnahme unterzogen werden, so kann ausschließlich der Richter die Maßnahme anordnen, falls der gesetzliche Vertreter ihrer Vornahme zustimmen müsste, aber von der Entscheidung ausgeschlossen oder an einer rechtzeitigen Entscheidung gehindert ist (§ 81a Abs. 2, § 81c Abs. 3 und 5 StPO, § 46 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 OWiG).
3.5
Verfahren bei der Blutentnahme
3.5.1
Entnahme der Blutprobe
 
Blutentnahmen dürfen nur von Ärztinnen und Ärzten (einschließlich solcher im Praktikum) nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden. Ersuchen um Blutentnahmen sind an Ärztinnen und Ärzten zu richten, die dazu rechtlich verpflichtet oder bereit sind. Andere Ärztinnen und Ärzte sind nicht verpflichtet, Ersuchen um Blutentnahmen nachzukommen.
Da der Wert der Blutalkoholuntersuchung wesentlich von der sachgemäßen Blutentnahme abhängt, ist dabei grundsätzlich wie folgt zu verfahren:
 
1.
Das Blut ist möglichst bald nach der Tat zu entnehmen.
 
2.
Es ist durch VenenPunktion mittels eines von der zuständigen Landesbehörde zugelassenen Blutentnahmesystems zu entnehmen, bei dem die Verletzungs und Kontaminationsgefahr minimiert ist. Die Einstichstelle ist mit einem geeigneten nichtalkoholischen Desinfektionstupfer, der luftdicht verpackt gewesen sein muss, zu desinfizieren. Die Punktion ist in der Regel aus einer Vene der oberen Extremitäten vorzunehmen. Zumindest für die jeweiligen Nadelsysteme und Tupfer sind geeignete Entsorgungsgefäße vorzuhalten.
 
3.
Bei Leichen ist das Blut bei einer durch Einschnitt freigelegten Oberschenkelvene zu entnehmen. Dabei ist darauf zu achten, daß keine Spuren vernichtet werden. Falls bei einer Obduktion die Blutentnahme aus der Oberschenkelvene nicht möglich ist, müssen die Entnahmestelle und die Gründe für ihre Wahl angegeben werden.
3.5.2
Protokoll
 
Die polizeiliche Vernehmung/Anhörung über die Alkoholaufnahme und die körperliche Untersuchung sind nach Maßgabe des anliegenden Formblatts vorzunehmen. Sie sind möglichst umgehend nach der Tat durchzuführen, um den zur Zeit der Tat bestehenden Grad der alkoholischen Einwirkung festzustellen. Das Protokoll ist zu den Ermittlungsakten zu nehmen. Sofern eine Ausfertigung der Untersuchungsstelle übersandt wird, ist sie in der Weise zu anonymisieren, daß zumindest Anschrift, Geburtstag und Geburtsmonat nicht übermittelt werden.
3.5.3
Anordnung/Anwendung von Zwang
 
Beschuldigte oder Betroffene, die sich der körperlichen Untersuchung oder Blutentnahme widersetzen, sind mit den nach den Umständen erforderlichen Mitteln zu zwingen, die körperliche Untersuchung und die Blutentnahme zu dulden.
Gegen andere Personen als Beschuldigte oder Betroffene (vergleichbare Nummer 3.1.2) darf unmittelbarer Zwang nur auf besondere Anordnung des Richters angewandt werden (§ 81c Abs. 6 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG).
3.5.4
Zweite Blutentnahme
 
Eine zweite Blutentnahme ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur in Ausnahmefällen anzuordnen. Dazu besteht vor allem Anlass, wenn Anhaltspunkte für die Annahme gegeben sind, daß der Beschuldigte oder Betroffene
 
a)
innerhalb einer Stunde vor der ersten Blutentnahme Alkohol zu sich genommen hat,
 
b)
sich auf einen Nachttrunk beruft oder
 
c)
die Angaben zur Alkoholaufnahme verweigert.
 
Die zweite Blutentnahme darf frühestens 30 Minuten nach der ersten Blutentnahme erfolgen.
3.5.4
Sicherung der Blutproben
 
Die die körperliche Untersuchung und Blutentnahme anordnende oder eine von ihr zu beauftragende Person soll bei dem gesamten Blutentnahmevorgang zugegen sein. Sie hat darauf zu achten, daß Verwechslung von Blutproben bei der Blutentnahme ausgeschlossen sind.
Die bei der Blutentnahme anwesende Person ist auch für die ausreichende Kennzeichnung der Blutprobe(n) verantwortlich. Zu diesem Zweck sollen mehrteilige Klebezettel verwendet werden, die jeweils die gleiche Identitätsnummer tragen.
Die für die Überwachung verantwortliche Person hat die Teile des Klebezettels übereinstimmend zu beschriften. Ein Teil ist auf das mit Blut gefüllte Röhrchen aufzukleben. Der zweite Abschnitt ist auf das Untersuchungsprotokoll aufzukleben, das der Untersuchungsstelle übersandt wird. Ihm ist zugleich der dritte Abschnitt lose anzuheften. Er ist nach Feststellung des Blutalkoholgehalts für das Gutachten zu verwenden. Der vierte Teil des Klebezettels ist in die Ermittlungsvorgänge einzukleben. Bei einer zweiten Blutentnahme ist auf den Klebezetteln die Reihenfolge anzugeben. Die Richtigkeit der Beschriftung ist von der Ärztin/dem Arzt zu bescheinigen.
Die bruchsicher verpackten Röhrchen sind auf dem schnellsten Weg der zuständigen Untersuchungsstelle (Anlage) zuzuleiten. Bis zur Übersendung sind die Blutproben möglichst kühl, aber ungefroren zu lagern.
3.6
Verfahren bei der Untersuchung
 
Die Untersuchungsstelle hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß Verwechslungen von Blutproben ausgeschlossen werden. Die Aufzeichnungen über die Kennzeichnung der Proben und die Ergebnisse der Alkoholbestimmung sind für die Dauer von sechs Jahren aufzubewahren, damit sie gegebenenfalls dem Gericht oder Verfolgungsbehörde vorgelegt werden können.
Die Blutalkoholbestimmung für forensische Zwecke ist nach den vom Bundesgesundheitsamt aufgestellten Richtlinien durchzuführen.
Wird die rechtlich zulässige Variationsbreite überschritten, muss die Analyse wiederholt werden. Dem Gutachten sind dann nur die Ergebnisse der zweiten Untersuchung zugrunde zu legen. Tritt ausnahmsweise auch bei dieser eine Überschreitung der zulässigen Variationsbreite ein, so ist dies im Gutachten zu erläutern.
Weichen Sachverständige im Einzelfall von den vorstehenden Grundsätzen ab, so haben sie dem Gericht oder der Verfolgungsbehörde darzulegen, ob hierdurch die Zuverlässigkeit des Untersuchungsergebnisses beeinträchtigt wird.
Die Untersuchungsstellen haben zur Gewährleistung einer gleichbleibenden Zuverlässigkeit ihrer Ergebnisse laufend interne Qualitätskontrollen vorzunehmen und regelmäßig an Ringversuchen teilzunehmen.
Das Gutachten der Untersuchungsstelle ist umgehend der Behörde zuzuleiten, die die Untersuchung veranlasst hat, sofern diese nicht die Übersendung an eine andere Stelle angeordnet hat.
Die Blutprobenreste sollen mindestens zwei Jahre gekühlt aufbewahrt werden. Im Einzelfall kann die Staatsanwaltschaft oder das Gericht eine Verlängerung der Aufbewahrungsfrist anordnen.

4 Urinproben

Mittels Urinproben kann der Nachweis von Medikamenten und Drogen unter Umständen auch noch längere Zeit nach der Einnahme geführt werden.
Ergeben sich Anhaltspunkte für die Einnahme von Medikamenten oder Drogen, ist im Fall des Verdachts einer Straftat oder einer schwerwiegenden Ordnungswidrigkeit neben der Blutentnahme auf die Abgabe einer Urinprobe hinzuwirken. Die Entscheidung trifft die die Blutentnahme anordnende Person gegebenenfalls nach ärztlicher Beratung. Eine solche Maßnahme ist jedoch nur mit Einwilligung der betroffenen Person möglich. Diese ist hierüber zu belehren; die Belehrung ist aktenkundig zu machen. Für die Untersuchung der Urinprobe sollte Urin in ausreichender Menge (möglichst 50 bis 100 ml) zur Verfügung stehen.
Gibt die betroffene Person eine Urinprobe nicht ab, ist bei der Blutentnahme darauf zu achten, daß nicht nur die für die Alkoholfeststellung übliche Blutmenge entnommen wird. In diesen Fällen sollen im Hinblick auf weitergehende Untersuchungen mindestens 15 ml Blut der betroffenen Person entnommen werden.
Urinproben sind kühl zu lagern. Sie müssen in dichtschließenden Behältnissen sowie festem Verpackungsmaterial gegebenenfalls gemeinsam mit gleichzeitig entnommenen Blutproben versandt werden. Dabei sollen mit der Blutprobe gleichlautende Identitätsnummern verwendet werden. Forensisch relevante Analyseergebnisse sind durch Einsatz spezieller Methoden abzusichern. Der hierzu erforderliche Standard ist durch regelmäßige interne und externe Qualitätskontrollen zu gewährleisten.

5 Haarproben

Daneben kommt die Sicherung von Haarproben in Betracht, wenn die längerdauernde Zufuhr von Medikamenten und Drogen in Frage steht. Die Entnahme einer Haarprobe stellt eine körperliche Untersuchung dar und darf gegen den Willen des Beschuldigten nur vom Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten angeordnet werden (§ 81a Abs. 2 StPO).
Die Haarprobe ist durch eine Ärztin/einen Arzt (vergleichbare Nummer 3.5.1) zu entnehmen.
Bei der Probenahme ist folgendes zu beachten:

 
1.
Die Probenahme, das Verpacken und Versenden darf nicht in der Nähe von Rauschmittelasservaten stattfinden.
 
2.
Die Entnahme sollte in erster Linie über dem Hinterhaushöcker erfolgen. Ist dies nicht möglich, muss die Entnahmestelle entsprechend dokumentiert werden.
 
3.
Die Probe sollte aus einem mindestens bleistift bis kleinfingerdicken Strang bestehen.
 
4.
Die Haare sind vor dem Abschneiden mit einem Bindfaden, möglichst 2 bis 3 cm von der Kopfhaut entfernt, fest zusammenzubinden.
 
5.
Die zusammengebundenen Haare sind möglichst direkt an der Kopfhaut abzuschneiden. Sollte dies nicht möglich sein, ist die Länge der zurückgebliebenen Haarreste zu dokumentieren.
 
6.
Die entnommene Haarprobe ist fest in Folie einzurollen und mit Klebefilm auf einem Papierbogen zu fixieren. Die Probenbeschriftung mit Probenkennung, Bezeichnung und Entnahmestelle, Kennzeichnung von kopfnahem Ende und Haarspitze sowie Angaben zur Länge der verbliebenen Haarreste ist auf dem Bogen zu vermerken.

Für die Sicherung der Qualität der Untersuchung gilt Nummer 4 Abs. 5 entsprechend.

6 Sicherstellung/Beschlagnahme von Fahrausweisen

6.1
Voraussetzungen Liegen bei einem Kraftfahrzeugführer die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1, 6 StP, §§ 69, 69b StGB) vor, so ist dessen Fahrausweis sicherzustellen oder zu beschlagnahmen (§ 94 Abs. 3, § 98 Abs. 1, § 111a Abs. 6 StPO).
6.1.1
Atemalkoholtestgerät
 
Bei einem Kraftfahrzeugführer hat dies jedenfalls dann zu erfolgen, wenn bei vorschriftsmäßiger Beatmung des elektronischen Atemalkoholtestgeräts 0,55 mg/l (oder 1,1 Promille Alkohol im Blut) und mehr angezeigt werden oder Anhaltspunkte für eine relative Fahruntüchtigkeit bestehen.
6.1.2
Alkoholteströhrchen
 
Wird ausnahmsweise allein ein Alkoholteströhrchen verwendet, erfolgt die Sicherstellung oder Beschlagnahme des Fahrausweises, wenn aufgrund der Gesamtumstände (zum Beispiel Ausfallerscheinungen, unsichere Fahrweise, Unfall) von einer relativen oder absoluten Fahruntüchtigkeit gemäß §§ 315a, 315c, 316 StGB auszugehen ist.
6.1.3
Weigerung
 
Der Fahrausweis ist auch dann sicherzustellen oder zu beschlagnahmen, wenn von einer relativen oder absoluten Fahruntüchtigkeit auszugehen ist und der Beschuldigte sich weigert, an der Atemalkoholprüfung mitzuwirken.
6.2
Verfahren
6.2.1
Abgabe an die Staatsanwaltschaft
 
Der sichergestellte oder beschlagnahmte Fahrausweis ist unverzüglich mit den bereits vorliegenden Ermittlungsvorgängen der Staatsanwaltschaft zuzuleiten. Die Vorgänge müssen vor allem die Gründe enthalten, die eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erforderlich erscheinen lassen.
6.2.2
Rückgabe an Betroffene
 
Steht fest, daß lediglich eine Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt und befindet sich der sichergestellte oder beschlagnahmte Fahrausweise noch bei der Polizeidienststelle, ist seine Rückgabe an den Betroffenen unverzüglich im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft zu veranlassen.
6.2.3
Ausländische Fahrausweise
 
Nummer 6.2.1 und 6.2.2 gelten auch für ausländische Fahrausweise, die zum Zwecke der Anbringung eines Vermerks über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis sichergestellt oder beschlagnahmt worden sind (§ 111a Abs. 6 StPO). Nach der Anbringung des Vermerks sind sie unverzüglich zurückzugeben.

7 Bevorrechtigte Personen

7.1
Abgeordnete
 
Soweit von Ermittlungshandlungen Abgeordnete des Deutschen Bundestages, der Gesetzgebungsorgane der Länder oder Mitglieder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland betroffen sind, wird auf das Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 10. Januar 1983 (P II 5640180/9, GMBl. S. 37) verwiesen.
Danach ist es nach der Praxis der Immunitätsausschüsse in Bund und Ländern zulässig, nach Maßgabe von Nummer 191 Abs. 3 Buchst. h, Nummer 192b Abs. 1 RiStBV Abgeordnete zum Zwecke der Blutentnahme zur Polizeidienststelle und zu einer Ärztin/einem Arzt zu bringen. Die sofortige Sicherstellung oder Beschlagnahme des Fahrausweises eines Abgeordneten ist, sofern nicht die Durchführung von Ermittlungsverfahren durch die jeweiligen Parlamente allgemein genehmigt ist, nicht zulässig. Die Staatsanwaltschaft ist unverzüglich fernmündlich zu unterrichten.
Abgeordnete des Europäischen Parlaments aus anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dürfen im Bundesgebiet weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden.
7.2
Diplomaten und andere
 
Bei Personen, die diplomatische Vorrechte und Befreiungen genießen, sind Maßnahmen nach §§ 81a, 81c StPO und die Beschlagnahme des Fahrausweises nicht zulässig (§§ 18, 19 GVG). Bei Angehörigen konsularischer Vertretungen sind sie nur unter gewissen Einschränkungen zulässig; danach kommt eine Immunität von Konsularbeamten und Bediensteten des Verwaltungs und technischen Personals nur dann in Betracht, wenn die Handlung in engem sachlichem Zusammenhang mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben steht (zum Beispiel nicht bei Privatfahrten). Soweit eine Strafverfolgung zulässig ist, werden bei Verdacht schwerer Straftaten gegen die zwangsweise Blutentnahme aufgrund einer Entscheidung der zuständigen Justizbehörde keine Bedenken zu erheben sein (vergleiche Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 17. August 1993 P I 6640005/1 , GMBl. S. 589 sowie Nummer 193 bis 195 RiStBV).
7.3
Stationierungsstreitkräfte
 
 
7.3.1
Grundsätze
 
Bei Mitgliedern der Stationierungsstreitkräfte und des zivilen Gefolges sowie deren Angehörigen sind Maßnahmen nach §§ 81a, 81c StPO grundsätzlich zulässig (vergleiche Artikel 7 NATOTruppenstatut), soweit die Tat
 
a)
nach deutschem Recht, aber nicht nach dem Recht des Entsendestaates (dessen Truppe hier stationiert ist) strafbar ist, oder
 
b)
sowohl nach deutschem Recht als auch nach dem Recht des Entsendestaates strafbar ist, jedoch nicht in Ausübung des Dienstes begangen wird oder sich nicht lediglich gegen das Vermögen oder die Sicherheit des Entsendestaates oder nur gegen die Person oder das Vermögen eines Mitglieds der Truppe, deren zivilen Gefolges oder andere Angehörige richtet, und die deutschen Behörden nicht auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit verzichten. In allen anderen Fällen ist von der Anwendung der §§ 81a, 81c StPO abzusehen, da das Militärrecht verschiedener Stationierungsstreitkräfte die Blutentnahme gegen den Willen der Betroffenen für unzulässig erklärt.
7.3.2
Erlaubnisse zum Führen dienstlicher Kraftfahrzeuge
 
Auf Fahrerlaubnisse, die Mitgliedern der Stationierungsstreitkräfte oder des zivilen Gefolges von einer Behörde eines Entsendestaates zum Führen dienstlicher Kraftfahrzeuge erteilt worden sind, ist § 69b StGB nicht anwendbar (Artikel 9 Abs. 6 Buchst. a und b NTSZA). Eine Sicherstellung oder Beschlagnahme eines Fahrausweises ist deshalb nicht zulässig. Jedoch nimmt die Polizei den Fahrausweis im Rahmen der gegenseitigen Unterstützung (Artikel 3 NTSZA) in Verwahrung und übergibt ihn der zuständigen Militärpolizeibehörde.
7.3.3
Erlaubnisse zum Führen privater Kraftfahrzeuge
 
Fahrerlaubnisse zum Führen privater Kraftfahrzeuge, die Mitgliedern der Stationierungsstreitkräfte oder des zivilen Gefolges und deren Angehörigen im Entsendestaat oder von einer Behörde der Gruppe erteilt worden sind, können ausnahmsweise in den Fällen, in denen die deutschen Gerichte die Gerichtsbarkeit ausüben, nach Maßgabe des § 69b StGB entzogen werden (Artikel 9 Abs. 6 Buchst. b NTSZA). Bis zur Eintragung des Vermerks über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann der Fahrausweis sichergestellt oder nach § 111a Abs. 6 Satz 2 StPO auch beschlagnahmt werden. Die Beschlagnahme ist jedoch nur anzuordnen, wenn die Militärpolizei erklärt, keine Ermittlungen führen zu wollen. Erscheint die Militärpolizei nicht oder nicht rechtzeitig, so ist unverzüglich eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Beschlagnahme einzuholen.

8 Kosten

Die Kosten der körperlichen Untersuchung, der Blutentnahme und untersuchung sowie der Urin und Haarprobe und deren Untersuchung sind zu den Akten des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens mitzuteilen. Über die Pflicht der Kostentragung wird im Rahmen des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens entschieden. Eine vorherige Einziehung unterbleibt.

9 Inkrafttreten

Die Gemeinsame Verwaltungsvorschrift tritt am 1. Juni 1995 in Kraft.

Dresden, den 27. März 1995

Der Staatsminister der Justiz
Steffen Heitmann

Dresden, den 10. April 1995

Der Staatsminister des Innern
Heinz Eggert

Dresden, den 3. Mai 1995

Der Staatsminister für Soziales, Gesundheit und Familie
Dr. Hans Geisler

Anlage

Untersuchungsstellen

1.
Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits und Veterinärwesen Sachsen
– Institut Chemnitz –
Abteilung Rechtsmedizin
Remdbrandtstraße 6
09111 Chemnitz
für den Regierungsbezirk Chemnitz
2.
Universitätsklinikum der Technischen Universität Dresden
Institut für Rechtsmedizin
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
für den Regierungsbezirk Dresden
3.
Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Leipzig
Johannisallee 28
04103 Leipzig
für den Regierungsbezirk Leipzig

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 1995 Nr. 31, S. 785

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 1. Juni 1995

    Fassung gültig bis: 1. September 2000