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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV Rechtsschutz

Vollzitat: VwV Rechtsschutz vom 11. Januar 2007 (SächsABl. S. 172), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 1. Dezember 2015 (SächsABl. SDr. S. S 348)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
über den Rechtsschutz für Bedienstete des Freistaates Sachsen in Straf- und anderen Verfahren
(VwV Rechtsschutz)

Vom 11. Januar 2007

Im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen ist bei der Gewährung von Rechtsschutz für Bedienstete des Freistaates Sachsen in Ausgestaltung des Fürsorgegrundsatzes wie folgt zu verfahren:

I. Geltungsbereich

1.
Diese Verwaltungsvorschrift gilt für Bedienstete des Freistaates Sachsen. Bedienstete sind Beamte und Ruhestandsbeamte, Richter und Richter im Ruhestand, Arbeitnehmer (Angestellte und Arbeiter), in Rente befindliche ehemalige Arbeitnehmer sowie Auszubildende und ehemalige Auszubildende des Freistaates Sachsen.
2.
Auf die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Freistaat Sachsen stehenden Personen sowie Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Freistaat Sachsen gestanden haben, sind die Regelungen entsprechend anzuwenden.

II. Rechtsschutz in Strafverfahren

1.
Ist gegen einen Bediensteten des Freistaates Sachsen wegen einer dienstlichen Tätigkeit oder eines Verhaltens, das mit einer dienstlichen Tätigkeit im unmittelbaren Zusammenhang steht, ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eingeleitet, die öffentliche Klage im strafgerichtlichen Verfahren oder Privatklage (§ 374 StPO) erhoben, der Erlass eines Strafbefehls beantragt oder ein Bußgeldbescheid erlassen worden, kann ihm auf Antrag zur Bestreitung der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung ein bedingt rückzahlbarer Zuschuss gewährt werden.
2.
Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist, dass
 
a)
ein dienstliches Interesse an einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung besteht. Ein dienstliches Interesse liegt beispielsweise vor, wenn bei einer Verurteilung des Bediensteten mit Schadensersatzansprüchen gegen den Freistaat Sachsen zu rechnen ist. Ein dienstliches Interesse ist in Verfahren gegen Polizeivollzugsbeamte und Justizvollzugsbeamte gegeben, wenn sie auf Veranlassung eines Dritten und nicht von Amts wegen durchgeführt werden,
 
b)
die Verteidigungsmaßnahme, etwa die Bestellung eines Verteidigers oder die Einholung eines Gutachtens, wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint,
 
c)
nach den Umständen des Falles anzunehmen ist, dass den Bediensteten kein oder nur ein geringes Verschulden trifft,
 
d)
die vorläufige Übernahme der Kosten dem Bediensteten im Hinblick auf die Art des Rechtsverfahrens und das in Streit stehende Verhalten oder Tätigwerden nicht zugemutet werden kann und
 
e)
kein anderweitiger Anspruch auf Rechtsschutz besteht.
3.
Wird ein Bediensteter im Strafverfahren freigesprochen, so werden die nicht anderweitig gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung endgültig aus dem Staatshaushalt getragen. Die Kosten in Strafverfahren können ganz oder teilweise übernommen werden, wenn
 
a)
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt oder nicht eröffnet wird oder
 
b)
der Bedienstete außer Verfolgung gesetzt wird und feststeht oder zumindest die Annahme gerechtfertigt ist, dass kein oder nur ein geringes Verschulden vorliegt.
4.
Wird ein Bediensteter in Strafverfahren verurteilt, hat er grundsätzlich die Kosten der Rechtsverteidigung selbst zu tragen. Liegt nach den Feststellungen des Gerichts nur ein geringes Verschulden vor, können die anderweitig nicht gedeckten notwendigen Rechtsverteidigungskosten zu einem angemessenen Teil, ausnahmsweise auch in voller Höhe, endgültig aus dem Staatshaushalt getragen werden.
5.
Wird ein Bediensteter im Bußgeldverfahren freigesprochen oder der Bescheid zurückgenommen und das Verfahren eingestellt, werden die nicht anderweitig gedeckten Kosten der Rechtsverteidigung aus dem Staatshaushalt getragen. Wird das Bußgeldverfahren aus anderen Gründen eingestellt, können die Kosten ganz oder teilweise übernommen werden.

III. Rechtsschutz in Zivilverfahren

1.
Wird ein Bediensteter des Freistaates Sachsen wegen einer dienstlichen Verrichtung oder eines Verhaltens, das mit seiner dienstlichen Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang steht, in einem Zivilverfahren von einem Dritten in Anspruch genommen (Passivprozess), kann ihm auf Antrag zur Bestreitung der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung ein bedingt rückzahlbarer Zuschuss gewährt werden. Entsprechendes gilt, wenn ein Bediensteter eigene zivilrechtliche Ansprüche aus Rechtsverletzungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit stehen, gegen Dritte gerichtlich durchsetzen will (Aktivprozess).
2.
Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist, dass
 
a)
ein dienstliches Interesse an einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung besteht,
 
b)
in dem Verfahren hinreichende Erfolgsaussichten auf Seiten des Bediensteten bestehen,
 
c)
die konkrete Maßnahme der Rechtsverfolgung wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint,
 
d)
die vorläufige Übernahme der Kosten dem Bediensteten im Hinblick auf die Art des Rechtsverfahrens und das in Streit stehende Verhalten oder Tätigwerden nicht zugemutet werden kann und
 
e)
kein anderweitiger Anspruch auf Rechtsschutz besteht.
3.
Unberührt bleibt ein Anspruch nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter ( Pflichtversicherungsgesetz — PflVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 296 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, in Verbindung mit § 150 Abs. 1 Satz 3 und 4 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3232) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, ferner ein auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung beruhender Anspruch des Bediensteten gegen seinen Dienstherrn oder Arbeitgeber auf Übernahme der notwendigen Kosten seiner Rechtsverteidigung sowie auf Freistellung von den ihm auferlegten gerichtlichen Kosten.
4.
Soweit ein Bediensteter im Zivilverfahren obsiegt, werden die anderweitig nicht gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung endgültig aus dem Staatshaushalt getragen. Gleiches gilt, wenn ein Kostenerstattungsanspruch wegen Zahlungsunfähigkeit des Prozessgegners oder aus anderen Gründen nicht durchsetzbar ist. Der Kostenerstattungsanspruch ist in diesem Fall an den Dienstherrn oder Arbeitgeber abzutreten.
5.
Soweit ein Bediensteter im Zivilverfahren unterliegt, hat er die Kosten der Rechtsverfolgung grundsätzlich selbst zu tragen, es sei denn, bei dem Bediensteten liegt ein finanzieller Härtefall vor. Der Bedienstete hat das Vorliegen eines Härtefalles darzulegen.
6.
Soweit ein Zivilverfahren anders als durch Urteil endet (zum Beispiel Vergleich, Anerkenntnis, Rücknahme), können die anderweitig nicht gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung zu einem angemessenen Teil, ausnahmsweise auch in voller Höhe, aus dem Staatshaushalt getragen werden.

IV. Rechtsschutz vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen

1.
Diese Verwaltungsvorschrift gilt für den Rechtsschutz eines vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladenen Bediensteten entsprechend.
2.
Dem Bediensteten kann auf Antrag zur Bestreitung der notwendigen Kosten in Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ein bedingt rückzahlbarer Zuschuss in entsprechender Anwendung der Vorschriften über den Rechtsschutz in Strafverfahren gewährt werden, soweit nicht nach § 24 des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Sächsischen Landtages (Untersuchungsausschußgesetz — UAusschG) vom 12. Februar 1991 (SächsGVBl. S. 29), das zuletzt durch Gesetz vom 11. November 1997 (SächsGVBl. S. 586) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, eine Entschädigung oder Erstattung erfolgt.

V. Rechtsschutz auf Veranlassung des Freistaates Sachsen

Hat ein Bediensteter auf Veranlassung der obersten Dienstbehörde in einem zivilgerichtlichen Verfahren einen Antrag gestellt oder eine Klage erhoben oder gegen eine straf- oder zivilgerichtliche Entscheidung Rechtsmittel eingelegt, so sind auch bei deren Erfolglosigkeit die dadurch entstandenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung insgesamt aus dem Staatshaushalt zu tragen. Dies gilt neben den dem Bediensteten auferlegten Gerichtskosten auch für die notwendigen Auslagen von Nebenklägern. Auf Antrag ist dem Bediensteten die Übernahme der Kosten gemäß dieser Verwaltungsvorschrift schriftlich zuzusichern.

VI. Notwendige Kosten

1.
Die Notwendigkeit der Kosten richtet sich nach den in den Straf-, Bußgeld- und Zivilverfahren geltenden Regelungen.
2.
Die Vereinbarung einer Vergütung im Sinne des § 4 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ( Rechtsanwaltsvergütungsgesetz RVG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch Artikel 20 des Gesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, darf nur dann als notwendig anerkannt und bei der Bemessung des Zuschusses berücksichtigt werden, wenn dies nach der Bedeutung der Angelegenheit sowie nach Umfang und Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeit gerechtfertigt erscheint.

VII. Eigenbeteiligung

1.
Ein Bediensteter, dem Rechtsschutz gewährt wird, trägt, mit Ausnahme der Fälle nach Ziffer V dieser Verwaltungsvorschrift, einen Teil der Kosten seiner Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung nach Maßgabe der folgenden Regelungen selbst. Der Eigenanteil ist bereits bei der Gewährung des bedingt rückzahlbaren Zuschusses zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Eigenanteils kann ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn bei dem Bediensteten ein Härtefall vorliegt. Der Bedienstete hat das Vorliegen eines Härtefalles darzulegen.
2.
Der Eigenanteil beträgt:
 
a)
fünf Prozent der notwendigen Kosten für Beamte des mittleren Dienstes, vergleichbare Arbeitnehmer sowie für Auszubildende, höchstens jedoch ein Brutto-Monatsgehalt,
 
b)
zehn Prozent der notwendigen Kosten für Beamte des gehobenen Dienstes und vergleichbare Arbeitnehmer, höchstens jedoch zwei Brutto-Monatsgehälter,
 
c)
15 Prozent der notwendigen Kosten für Beamte des höheren Dienstes, vergleichbare Arbeitnehmer und Richter, höchstens jedoch drei Brutto-Monatsgehälter,
 
d)
20 Prozent für Beamte der Besoldungsgruppe B 2 und höher, Richter der Besoldungsgruppe R 3 und höher und Personen in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, höchstens jedoch vier Brutto-Monatsgehälter.
3.
Bei Empfängern von Versorgungsbezügen und den Versorgungsbezügen gleichstehenden Bezügen erfolgt die Zuordnung nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit. Der sich danach ergebende Eigenanteil ist jeweils um 30 Prozent zu mindern.

VIII. Zuständigkeit, Verfahren

1.
Zuständige Stelle für die nach dieser Verwaltungsvorschrift zu treffenden Entscheidungen ist die Personalverwaltende Stelle, für Personen nach Ziffer I Nr. 2 die Staatskanzlei. Die oberste Dienstbehörde kann allgemein eine andere Stelle benennen, wenn die Entscheidung durch die vorgesetzte, die oberste oder eine nachgeordnete Dienststelle wegen der Eigenart der zu entscheidenden Fragen zweckmäßiger von dieser Stelle getroffen wird.
2.
Der Antrag auf Gewährung des Zuschusses ist für jede Instanz und jeden neuen Verfahrensabschnitt mit dem in der Anlage beigefügten Formular neu zu stellen und auf dem Dienstweg der zuständigen Stelle vorzulegen.
3.
Aktivprozesse sollen erst dann eingeleitet werden, wenn über die Gewährung des Zuschusses entschieden worden ist.
4.
Über die endgültige Kostenübernahme entscheidet die zuständige Stelle auf Antrag. Der Antragsteller hat dabei die abschließende Entscheidung sowie die Kostenrechnung unverzüglich vorzulegen. Bei Vergütungsvereinbarung darf erst nach Vorlage einer genauen Endabrechnung des Rechtsanwalts entschieden werden.
5.
Liegen die jeweiligen Voraussetzungen vor, können die dem Bediensteten erwachsenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung auf Antrag auch dann aus dem Staatshaushalt getragen werden, wenn bis zum Abschluss des Verfahrens ein Zuschuss nicht gewährt worden ist.
6.
Der Bedienstete hat den Zuschuss zurückzuzahlen, soweit die Kosten anderweitig gedeckt werden können oder nicht endgültig aus dem Staatshaushalt getragen werden. Ratenzahlung kann unter den Voraussetzungen nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 der Haushaltsordnung des Freistaates Sachsen (Sächsische Haushaltsordnung — SäHO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 2001, die zuletzt durch Gesetz vom 13. Dezember 2002 (SächsGVBl. S. 333) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, vereinbart werden.

IX. Anwendungsempfehlung

Den kommunalen Gebietskörperschaften sowie den sonstigen der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, entsprechend zu verfahren.

X. Übergangsregelung

Für Verfahren, deren Antrag auf Gewährung von Rechtsschutz vor Inkrafttreten dieser Verwaltungsvorschrift bereits bewilligt wurde, gelten die bisherigen Regelungen.

XI. Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern für Bedienstete des Freistaates Sachsen über den Rechtsschutz in Straf- und anderen Verfahren (Rechtsschutz-VwV) vom 2. April 2004 (SächsABl. S. 363), außer Kraft.

Dresden, den 11. Januar 2007

Der Staatsminister des Innern
Dr. Albrecht Buttolo

Anlage

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2007 Nr. 5, S. 172
    Fsn-Nr.: 241-V07.1

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 2. Februar 2007

    Fassung gültig bis: 31. Dezember 2015