Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums
für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
über die Bestellung von Beschäftigten der nichtöffentlichen Krankenhäuser gemäß § 15 Absatz 5 Satz 1 des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes

Vom 15. August 2022

I.
Anwendungsbereich

1.
Hoheitliche Vollzugsaufgaben
Der Vollzug der Unterbringung nach dem Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Oktober 2007 (SächsGVBl. S. 422), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 22. August 2019 (SächsGVBl. S. 663) geändert worden ist, ist eine hoheitliche Aufgabe, die Grundrechtseingriffe gegenüber den untergebrachten Personen erfordern kann. Sie wird zum überwiegenden Teil von nichtöffentlichen Krankenhäusern erbracht. Zur Sicherstellung der verfassungsrechtlich notwendigen durchgehenden Legitimationskette sind neben der Beleihung der nichtöffentlichen Krankenhausträger (§ 15 Absatz 2 des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes) sowie der Unterstellung unter eine weisungsbefugte Fachaufsicht (§ 15 Absatz 3 und 4 des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes) auch die Beschäftigten der nichtöffentlichen Krankenhausträger zu bestellen (§ 15 Absatz 5 Satz 1 des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes). Durch die Bestellung entsteht ein besonderes öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Die bestellte Person hat ab der Bestellung die Legitimation, Vollzugsaufgaben nach dem Fünften Abschnitt des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes im Bereich der Unterbringungen wahrzunehmen. Zu diesen Vollzugsaufgaben gehören zum Beispiel:
die Anordnung und Durchführung der Eingangsuntersuchung,
die Anordnung und ärztliche Behandlung gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person,
der Entzug und die Ingewahrsamnahme von persönlichen Eigentum der untergebrachten Person,
die Entscheidung über und die Durchsetzung von Besuchsregelungen,
die Beschränkung und Kontrolle von Postsendungen und anderen Kommunikationsmitteln der untergebrachten Person,
die Anordnung und Beschränkung des Ausgangs außerhalb des Krankenhauses und des Bewegungsradius innerhalb der Station,
die Anordnung und Durchsetzung von Sicherungsmaßnahmen,
die Anordnung und Durchführung von Durchsuchungen der untergebrachten Person selbst, seiner persönlichen Sachen und seines Patientenzimmers.
Die bestellte Person wird gleichzeitig durch die Bestellung besonders verpflichtet, auf die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der übrigen gesetzlichen Vorschriften in ihrer Vollzugstätigkeit, insbesondere bei der Ausübung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung von angeordneten Maßnahmen, zu achten. Ohne eine Bestellung sind Beschäftigte nicht befugt, irgendwelche Maßnahmen gegen den Willen der untergebrachten Person anzuordnen oder durchzusetzen. Die Vorschriften zur Notwehr und Nothilfe im Sinne der §§ 32 und 34 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2022 (BGBl. I S. 1082) geändert worden ist, bleiben unberührt.
2.
Nichtöffentliche Krankenhausträger
Nichtöffentliche Krankenhausträger sind die Träger privatrechtlicher Krankenhäuser, einschließlich der in privatrechtlicher Form betriebenen Krankenhäuser im Eigentum der Kommunen, sowie kirchliche Krankenhäuser und Krankenhäuser in freigemeinnütziger Trägerschaft (§ 1 Absatz 4 des Sächsischen Krankenhausgesetzes vom 19. August 1993 [SächsGVBl. S. 675], das zuletzt durch Artikel 18 des Gesetzes vom 26. April 2018 [SächsGVBl. S. 198] geändert worden ist). Nicht darunter fallen die als Eigenbetrieb geführten kommunalen Krankenhäuser sowie die Sächsischen Landeskrankenhäuser (§ 14 Absatz 1 Nummer 1 des Sächsischen Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 25. November 2003 [SächsGVBl. S. 899], das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 21. Mai 2021 [SächsGVBl. S. 578] geändert worden ist) und die Universitätskliniken (§ 1 Absatz 1 des Universitätsklinika-Gesetzes vom 6. Mai 1999 [SächsGVBl. S. 207], das zuletzt durch Artikel 16 des Gesetzes vom 21. Mai 2021 [SächsGVBl. S. 578] geändert worden ist).
3.
Beschäftigte (zu bestellender Personenkreis)
Zu bestellen sind diejenigen Beschäftigten der nichtöffentlichen Krankenhäuser, welche in einem Arbeitsverhältnis zu dem nichtöffentlichen Krankenhausträger stehen und am Vollzug der öffentlich-rechtlichen Unterbringungen in dessen psychiatrischer Klinik oder Krankenhaus mitwirken. Am Vollzug der Unterbringung wirkt mit, wer zulässige grundrechtseinschränkende Maßnahmen im Sinne des Fünften Abschnittes des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes gegen den Willen der untergebrachten Person anordnet oder diese Anordnungen ausführt.
Keiner Bestellung bedürfen solche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zwar im betreffenden Krankenhaus tätig sind und mit den im Krankenhaus Untergebrachten in Kontakt treten, zu deren Aufgabe es aber nicht gehört, sich an den mit dem Vollzug der Unterbringung verbundenen Maßnahmen gegenüber den untergebrachten Personen zu beteiligen. Dies betrifft insbesondere technisches Personal, Reinigungs-, Verpflegungs- und Bürokräfte. Auch Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind in der Regel nicht mit hoheitlichen Vollzugsaufgaben betraut und deshalb nicht zu bestellen. Eine Bestellung ist aber nach Meldung durch den Krankenhausträger und nach Prüfung der konkret ausgeübten Tätigkeit im Einzelfall möglich, wenn die Voraussetzungen im Sinne von Satz 1 und 2 vorliegen.

II.
Bestellung durch die Aufsichtsbehörde

1.
Prüfung der fachlichen und persönlichen Eignung der zu bestellenden Beschäftigten
Die zu bestellenden Personen müssen für die im Rahmen der Unterbringung ausgeübten Tätigkeiten fachlich und persönlich geeignet sein (§ 15 Absatz 5 Satz 2 des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes). Eine Person ist fachlich geeignet, wenn sie
a)
über die erforderliche Qualifikation verfügt. Für Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten ist das die Approbation oder die befristete Berufserlaubnis, für nach Ziffer I Nummer 3 zu bestellende Angehörige der Gesundheitsfachberufe die Berufserlaubnis (Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung) sowie für Psychologinnen und Psychologen das Hochschulzeugnis, welches sie oder ihn für die ausgeübte Tätigkeit qualifiziert,
b)
eine mindestens eintägige Fortbildung auf dem Gebiet der Psychiatrie, die Kenntnisse über die Rechtsgrundlagen des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes und praktische Aspekte der Unterbringung insbesondere von freiheitsentziehenden Maßnahmen vermittelt und im Zeitpunkt der Meldung nicht mehr als zwei Jahre zurückliegt, absolviert hat und
c)
über eine einjährige Berufserfahrung in der Betreuung von Patientinnen und Patienten mit akuten psychischen Erkrankungen verfügt. Diese Erfahrung kann auch in einer anderen Einrichtung als einem Krankenhaus, in der schwer psychisch kranke Menschen betreut werden, erworben worden sein. In begründeten Ausnahmefällen kann der Zeitraum unterschritten werden, sollte aber nicht weniger als 6 Monate betragen.
Eine Person ist persönlich geeignet, wenn
a)
sie ein zur Vorlage bei einer Behörde bestimmtes Führungszeugnis (Belegart O) gemäß den §§ 30 Absatz 5, 32 Absatz 1 bis 3 des Bundeszentralregistergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3420) geändert worden ist, vorlegt, das keine Eintragung einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder wegen eines vorsätzlichen Delikts gegen die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit aufweist und bei der Meldung nicht älter als 6 Monate alt ist,
b)
die ärztliche Leitung der psychiatrischen Klinik oder des Krankenhauses die Beschäftigte oder den Beschäftigten für geeignet einschätzt, beim Vollzug der Unterbringung verantwortungsvoll mitzuwirken,
c)
die zu bestellende Person erklärt, dass sie für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt, und insbesondere die Grundrechte der ihr anvertrauten Patientinnen und Patienten achtet.
2.
Meldung der Beschäftigten durch den Krankenhausträger
Die Bestellung erfolgt nach Meldung der oder des Beschäftigten durch den Träger des nichtöffentlichen Krankenhauses. Das Krankenhaus ist verpflichtet, die Beschäftigten gemäß Ziffer I Nummer 3 unverzüglich zu melden. Die Meldung soll spätestens mit dem Tag des Beginns der Tätigkeit bei der Aufsichtsbehörde eingegangen sein. Dies gilt sowohl bei Neueinstellungen von Beschäftigten als auch bei Umsetzung von Beschäftigten innerhalb des Krankenhauses. Die Meldung enthält:
Name des Krankenhauses und der psychiatrischen Klinik, in der die oder der Beschäftigte tätig sein wird,
Identitätsdaten der zu bestellenden Person: Name, Vorname, Titel, Geburtsdatum, Anschrift,
Einstellungsdatum beziehungsweise Beginn der Tätigkeit mit Vollzugsaufgaben der Unterbringung in der geschlossenen oder fakultativ geschlossenen Station der psychiatrischen Klinik,
vereinbarte Dauer der Beschäftigung, Befristung,
Art der vorgesehenen Tätigkeit,
Nachweise der fachlichen Eignung (Ziffer II Nummer 1 Satz 2 Buchstabe a und b),
Angaben zur Berufserfahrung (Zeitraum/Ort) (Ziffer II Nummer 1 Satz 2 Buchstabe c),
Führungszeugnis (Ziffer II Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a),
Erklärungen zur persönlichen Eignung (Ziffer II Nummer 1 Satz 3 Buchstabe b und c).
Das in der Anlage beigefügte Meldeformular soll verwendet werden.
3.
Bearbeitung der Meldungen
Eine Priorisierung der Bearbeitung der Meldungen nach sachlichen Gründen ist zulässig. Die Bestellungen der ärztlichen Leitung und der Pflegedienstleitung und deren jeweiligen Vertretung sollen vorrangig bearbeitet werden.
4.
Bestellungsakt
Bei Vorliegen der Bestellungsvoraussetzungen erfolgt innerhalb von acht Wochen die Bestellung durch einen Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde an die Beschäftigte oder den Beschäftigten sowie eine Information über die erfolgte Bestellung an das meldende Krankenhaus. Die Bestellung ist auf die Dauer der Tätigkeit im meldenden Krankenhaus zu beschränken. Die Bestellung ist widerruflich zu erteilen. Der Widerruf ist insbesondere für den Wegfall der fachlichen oder persönlichen Eignung vorzubehalten. Sind die fachlichen Voraussetzungen zu Ziffer II Nummer 1 Satz 2 Buchstabe b zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bestellung noch nicht erfüllt, kann diese dennoch unter der Auflage erteilt werden, dass der geforderte Nachweis innerhalb einer Frist von bis zu einem Jahr nachgereicht wird.

III.
Pflichten des Krankenhausträgers

Der Krankenhausträger hat der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sich in der Person einer oder eines Beschäftigten die Voraussetzung der Bestellung ändern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die oder der Beschäftigte eine wesentliche Pflichtverletzung im Bereich des Vollzugs der Unterbringung begangen hat oder die persönliche Eignung (Ziffer II Nummer 1 Satz 3) zweifelhaft wird. Im Übrigen in den Fällen, in denen das Beschäftigungsverhältnis endet, sich über die vorgesehene Dauer hinaus verlängert oder die oder der Beschäftigte verstirbt.

Der Krankenhausträger hat sicherzustellen, dass die Beschäftigten regelmäßig zu den Inhalten des Ziffer II Nummer 1 Satz 2 Buchstabe b fortgebildet werden.

IV.
Kosten

Verwaltungskosten werden nicht erhoben.

V.
Inkrafttreten/Außerkrafttreten

Die Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt über die Bestellung von Beschäftigten der nichtöffentlichen Krankenhäuser gemäß § 15 Absatz 5 Satz 1 des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes vom 28. September 2020 (SächsABl. S. 1223), enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 23. November 2021 (SächsABl. SDr. S. S 230), außer Kraft.

Dresden, den 15. August 2022

Die Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
Petra Köpping

Anlage

Änderungsvorschriften