Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
über den Rechtsschutz für Bedienstete des Freistaates Sachsen in Straf- und anderen Verfahren
(Rechtsschutz-VwV)

Vom 2. April 2004

Im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen ist bei der Gewährung von Rechtsschutz für Bedienstete des Freistaates Sachsen in Ausgestaltung des Fürsorgegrundsatzes wie folgt zu verfahren:

I.
Geltungsbereich
 
1.
Diese Verwaltungsvorschrift gilt für Bedienstete des Freistaates Sachsen. Bedienstete sind Beamte und Ruhestandsbeamte, Richter und Richter im Ruhestand, Angestellte und Arbeiter, in Rente befindliche ehemalige Angestellte und Arbeiter sowie Auszubildende und ehemalige Auszubildende des Freistaates Sachsen.
 
2.
Auf die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Freistaat Sachsen stehenden Personen sowie Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Freistaat Sachsen gestanden haben, sind die Regelungen entsprechend anzuwenden.
II.
Rechtsschutz in Strafverfahren
 
1.
Ist gegen Bedienstete des Freistaates Sachsen wegen einer dienstlichen Tätigkeit oder eines Verhaltens, das mit einer dienstlichen Tätigkeit im unmittelbaren Zusammenhang steht, ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eingeleitet, die öffentliche Klage im strafgerichtlichen Verfahren oder Privatklage (§ 374 StPO) erhoben, der Erlass eines Strafbefehls beantragt oder ein Bußgeldbescheid erlassen worden, so kann ihnen auf Antrag zur Bestreitung der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung ein bedingt rückzahlbarer Zuschuss gewährt werden.
 
2.
Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist, dass
 
 
a)
ein dienstliches Interesse an einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung besteht. Ein dienstliches Interesse liegt beispielsweise vor, wenn bei einer Verurteilung von Bediensteten mit Schadensersatzansprüchen gegen den Freistaat Sachsen zu rechnen ist. Ein dienstliches Interesse ist in Verfahren gegen Polizeivollzugsbeamte und Justizvollzugsbeamte gegeben, wenn sie auf Veranlassung eines Dritten und nicht von Amts wegen durchgeführt werden,
 
 
b)
die Verteidigungsmaßnahme, etwa die Bestellung eines Verteidigers oder die Einholung eines Gutachtens, wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint,
 
 
c)
nach den Umständen des Falles anzunehmen ist, dass die Bediensteten kein oder nur ein geringes Verschulden trifft,
 
 
d)
die vorläufige Übernahme der Kosten den Bediensteten im Hinblick auf die Art des Rechtsverfahrens und das in Streit stehende Verhalten oder Tätigwerden nicht zugemutet werden kann und
 
 
e)
kein anderweitiger Anspruch auf Rechtsschutz besteht.
 
3.
Werden Bedienstete im Strafverfahren freigesprochen, so werden die nicht anderweitig gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung endgültig aus dem Staatshaushalt getragen. Die Kosten in Strafverfahren können ganz oder teilweise übernommen werden, wenn
 
 
a)
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt oder nicht eröffnet wird oder
 
 
b)
Bedienstete außer Verfolgung gesetzt werden und feststeht oder zumindest die Annahme gerechtfertigt ist, dass kein oder nur ein geringes Verschulden vorliegt.
 
4.
Werden Bedienstete in Strafverfahren verurteilt, so haben sie grundsätzlich die Kosten der Rechtsverteidigung selbst zu tragen. Liegt nach den Feststellungen des Gerichts nur ein geringes Verschulden vor, so können die anderweitig nicht gedeckten notwendigen Rechtsverteidigungskosten zu einem angemessenen Teil, ausnahmsweise auch in voller Höhe, endgültig aus dem Staatshaushalt getragen werden.
 
5.
Wird in Bußgeldverfahren der Bedienstete freigesprochen oder der Bescheid zurückgenommen und das Verfahren eingestellt, so werden die nicht anderweitig gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung aus dem Staatshaushalt getragen. Wird das Bußgeldverfahren aus anderen Gründen eingestellt, so können die Kosten ganz oder teilweise übernommen werden.
III.
Rechtsschutz in Zivilverfahren
 
1.
Werden Bedienstete des Freistaates Sachsen wegen einer dienstlichen Verrichtung oder eines Verhaltens, das mit einer dienstlichen Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang steht, in einem Zivilverfahren von einem Dritten in Anspruch genommen (Passivprozess), so kann ihnen auf Antrag zur Bestreitung der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung ein bedingt rückzahlbarer Zuschuss gewährt werden. Entsprechendes gilt, wenn Bedienstete eigene zivilrechtliche Ansprüche aus Rechtsverletzungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit stehen, gegen Dritte gerichtlich durchsetzen wollen (Aktivprozess).
 
2.
Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist, dass
 
 
a)
ein dienstliches Interesse an einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung besteht,
 
 
b)
in dem Verfahren hinreichende Erfolgsaussichten auf Seiten der Bediensteten bestehen,
 
 
c)
die konkrete Maßnahme der Rechtsverfolgung wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint,
 
 
d)
die vorläufige Übernahme der Kosten den Bediensteten im Hinblick auf die Art des Rechtsverfahrens und das in Streit stehende Verhalten oder Tätigwerden nicht zugemutet werden kann und
 
 
e)
kein anderweitiger Anspruch auf Rechtsschutz besteht.
 
3.
Unberührt bleibt ein Anspruch nach § 2 Abs. 2 des Pflichtversicherungsgesetzes in Verbindung mit § 150 Abs. 1 Satz 3 und 4 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, ferner ein auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung beruhender Anspruch von Bediensteten gegen ihren Dienstherrn oder Arbeitgeber auf Übernahme der notwendigen Kosten ihrer Rechtsverteidigung sowie auf Freistellung von den ihnen auferlegten gerichtlichen Kosten.
 
4.
Soweit Bedienstete in Zivilverfahren obsiegen, werden die anderweitig nicht gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung endgültig aus dem Staatshaushalt getragen. Gleiches gilt, wenn ein Kostenerstattungsanspruch wegen Zahlungsunfähigkeit des Prozessgegners oder aus anderen Gründen nicht durchsetzbar ist. Der Kostenerstattungsanspruch ist in diesem Fall an den Dienstherrn oder Arbeitgeber abzutreten.
 
5.
Soweit Bedienstete in Zivilverfahren unterliegen, haben sie die Kosten der Rechtsverfolgung grundsätzlich selbst zu tragen, es sei denn, es liegt bei dem Bediensteten in finanzieller Hinsicht ein Härtefall vor. Der Bedienstete hat das Vorliegen eines Härtefalles darzulegen.
 
6.
Soweit ein Zivilverfahren anders als durch Urteil endet (zum Beispiel Vergleich, Anerkenntnis, Rücknahme) können die anderweitig nicht gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung zu einem angemessenen Teil, ausnahmsweise auch in voller Höhe, aus dem Staatshaushalt getragen werden.
IV.
Rechtsschutz vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
 
1.
Diese Verwaltungsvorschrift gilt für den Rechtsschutz eines vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladenen Bediensteten entsprechend.
 
2.
Den Bediensteten kann auf Antrag zur Bestreitung der notwendigen Kosten in Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ein bedingt rückzahlbarer Zuschuss in entsprechender Anwendung der Vorschriften über den Rechtsschutz in Strafverfahren gewährt werden, soweit nicht nach § 24 des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Sächsischen Landtages eine Entschädigung oder Erstattung erfolgt.
V.
Rechtsschutz auf Veranlassung des Freistaates Sachsen
 
Haben Bedienstete auf Veranlassung der obersten Dienstbehörde in einem zivilgerichtlichen Verfahren einen Antrag gestellt oder eine Klage erhoben oder gegen eine straf- oder zivilgerichtliche Entscheidung Rechtsmittel eingelegt, so sind auch bei deren Erfolglosigkeit die dadurch entstandenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung insgesamt aus dem Staatshaushalt zu tragen. Dies gilt neben den dem Bediensteten auferlegten Gerichtskosten auch für die notwendigen Auslagen von Nebenklägern. Auf Antrag ist den Bediensteten die Übernahme der Kosten gemäß dieser Verwaltungsvorschrift schriftlich zuzusichern.
VI.
Notwendige Kosten
 
1.
Die Notwendigkeit der Kosten richtet sich nach den in den in den Straf-, Bußgeld- und Zivilverfahren geltenden Regelungen.
 
2.
Der Abschluss von Honorarvereinbarungen im Sinne des § 3 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung dürfen nur dann als notwendig anerkannt und bei der Bemessung des Zuschusses berücksichtigt werden, wenn dies nach der Bedeutung der Angelegenheit sowie nach Umfang und Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeit gerechtfertigt erscheint.
VII.
Eigenbeteiligung
 
1.
Bedienstete, denen Rechtsschutz gewährt wird, tragen mit Ausnahme der Fälle nach Nummer V dieser Verwaltungsvorschrift einen Teil der Kosten ihrer Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung nach Maßgabe der folgenden Regelungen selbst. Der Eigenanteil ist bereits bei der Gewährung des bedingt rückzahlbaren Zuschusses zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Eigenanteils kann ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn bei dem Bediensteten in finanzieller Hinsicht ein Härtefall vorliegt. Der Bedienstete hat das Vorliegen eines Härtefalles darzulegen.
 
2.
Der Eigenanteil beträgt:
 
 
a)
fünf Prozent der notwendigen Kosten für Beamte des mittleren Dienstes, vergleichbare Angestellte und Arbeiter sowie für Auszubildende, höchstens jedoch ein Brutto-Monatsgehalt,
 
 
b)
zehn Prozent der notwendigen Kosten für Beamte des gehobenen Dienstes und vergleichbare Angestellte, höchstens jedoch zwei Brutto-Monatsgehälter,
 
 
c)
15 Prozent der notwendigen Kosten für Beamte des höheren Dienstes, vergleichbare Angestellte und Richter, höchstens jedoch drei Brutto-Monatsgehälter,
 
 
d)
20 Prozent für Beamte der Besoldungsgruppe B 2 und höher, Richter der Besoldungsgruppe R 3 und höher und Personen in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, höchstens jedoch vier Brutto-Monatsgehälter.
 
3.
Bei Empfängern von Versorgungsbezügen und den Versorgungsbezügen gleichstehenden Bezügen erfolgt die Zuordnung nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit. Der sich danach ergebende Eigenanteil ist jeweils um 30 Prozent zu mindern.
VIII.
Zuständigkeit, Verfahren
 
1.
Zuständige Stelle für die nach dieser Verwaltungsvorschrift zu treffenden Entscheidungen ist die personalverwaltende Stelle. Die oberste Dienstbehörde kann allgemein eine andere Stelle benennen, wenn die Entscheidung durch die vorgesetzte, die oberste oder eine nachgeordnete Dienststelle wegen der Eigenart der zu entscheidenden Fragen zweckmäßiger von dieser Stelle getroffen wird.
 
2.
Der Antrag auf Gewährung des Zuschusses ist für jede Instanz und jeden neuen Verfahrensabschnitt mit dem in der Anlage beigefügten Formular neu zu stellen und auf dem Dienstweg der zuständigen Stelle vorzulegen.
 
3.
Aktivprozesse sollen erst dann eingeleitet werden, wenn über die Gewährung des Zuschusses entschieden worden ist.
 
4.
Über die endgültige Kostenübernahme entscheidet die zuständige Stelle auf Antrag. Der Antragsteller hat dabei die abschließende Entscheidung sowie die Kostenrechnung unverzüglich vorzulegen. Bei Honorarvereinbarungen darf erst nach Vorlage einer genauen Endabrechnung des Rechtsanwalts über den Antrag entschieden werden.
 
5.
Liegen die jeweiligen Voraussetzungen vor, so können die den Bediensteten erwachsenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung auf Antrag auch dann aus dem Staatshaushalt getragen werden, wenn bis zum Abschluss des Verfahrens ein Zuschuss nicht gewährt worden ist.
 
6.
Der Bedienstete hat den Zuschuss zurückzuzahlen, soweit die Kosten anderweitig gedeckt werden können oder nicht endgültig aus dem Staatshaushalt getragen werden. Ratenzahlung kann unter den Voraussetzungen nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 der Sächsischen Haushaltsordnung vereinbart werden.
IX.
Anwendungsempfehlung
 
Den kommunalen Gebietskörperschaften sowie den sonstigen der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, entsprechend zu verfahren.
X.
Übergangsregelung
 
Für Verfahren, deren Antrag auf Gewährung von Rechtsschutz vor In-Kraft-Treten dieser Verwaltungsvorschrift bereits bewilligt wurde, gelten die bisherigen Regelungen.
XI.
In-Kraft-Treten und Außer-Kraft-Treten
 
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 2. April 2004 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift des Staatsministeriums des Innern für Bedienstete des Freistaates Sachsen über den Rechtsschutz in Straf- und anderen Verfahren (Rechtsschutz-VwV) vom 30. November 1994 (SächsABl. 1995 S. 167), verlängert durch Verwaltungsvorschrift vom 25. November 1999 (SächsABl. S. 1154), außer Kraft.

Dresden, den 2. April 2004

Sächsisches Staatsministerium des Innern
Dr. Michael Antoni
Staatssekretär

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