Historische Fassung war gültig vom 01.01.1996 bis 31.12.1996

Sächsisches Gesetz
über die Eingliederung von Aussiedlern und zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes sowie anderer Kriegsfolgengesetze
(Sächsisches Aussiedlereingliederungsgesetz – SächsAEG)

Vom 28. Februar 1994

Rechtsbereinigt mit Stand vom 1. Januar 1996

Der Sächsische Landtag hat am 28. Januar 1994 das folgende Gesetz beschlossen.

Erster Abschnitt
Allgemeiner Teil

§ 1
Geltungsbereich

Dieses Gesetz regelt

1.
die Aufnahme, vorläufige Unterbringung und Eingliederung von Aussiedlern und Spätaussiedlern und deren Familienangehörigen sowie
2.
die Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. September 1971 (BGBl. I S. 1565, 1807), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2094), und anderer Kriegsfolgengesetze durch den Freistaat Sachsen.

§ 2
Eingliederungsbehörden

(1) Die Aufgaben nach § 1 obliegen den Eingliederungsbehörden.

(2) Eingliederungsbehörden sind

1.
das Staatsministerium des Innern als oberste Eingliederungsbehörde,
2.
die Regierungspräsidien als mittlere Eingliederungsbehörden und
3.
die Landratsämter und Bürgermeisterämter der Kreisfreien Städte als untere Eingliederungsbehörden.

(3) Die den Landkreisen und Kreisfreien Städten übertragenen Aufgaben der unteren Eingliederungsbehörden sind Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung; das Weisungsrecht ist nicht beschränkt.

(4) Die oberste Eingliederungsbehörde wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Aufgaben der unteren Eingliederungsbehörde den mittleren Eingliederungsbehörden oder einzelnen unteren Eingliederungsbehörden auch für das Gebiet anderer unterer Eingliederungsbehörden zuzuweisen.

Zweiter Abschnitt
Aufnahme von Aussiedlern und deren Familienangehörigen

§ 3
Zuteilung

(1) Die Landesaufnahmestelle für Aussiedler des Freistaates Sachsen (Landesaufnahmestelle) gewährleistet die Aufnahme der vom Bundesverwaltungsamt dem Freistaat Sachsen zugewiesenen Personen und teilt sie im Benehmen mit der zuständigen mittleren Eingliederungsbehörde den unteren Eingliederungsbehörden zu.

(2) Die Zuteilung richtet sich nach einem Schlüssel, der sich je zur Hälfte aus dem Anteil des Landkreises oder der Kreisfreien Stadt an der Fläche und der Bevölkerung des Freistaates Sachsen errechnet. Maßgeblich sind die Verhältnisse am 30. Juni des vergangenen Jahres.

(3) Von diesem Schlüssel kann in Härtefällen, insbesondere bei engen Familienbindungen zu im Gebiet einer unteren Eingliederungsbehörde bereits wohnenden Familienangehörigen abgewichen werden.

(4) Die oberste Eingliederungsbehörde bestimmt durch Rechtsverordnung die zuständige mittlere Eingliederungsbehörde, der die Landesaufnahmestelle zugeordnet ist.

§ 4
Unterbringung und Eingliederung

(1) Die unteren Eingliederungsbehörden übernehmen die ihnen zugeteilten Personen und bringen sie, soweit erforderlich, in Einrichtungen (§ 5 Abs. 1 Satz 1) vorläufig unter.

(2) Bei der Schaffung dieser Einrichtungen haben die Gemeinden mitzuwirken und insbesondere im erforderlichen Umfang geeignete Unterkünfte zur Nutzung anzubieten. Die Gemeinden sind verpflichtet, die unterzubringenden Personen aufzunehmen.

(3) Die unteren Eingliederungsbehörden wirken im Benehmen mit anderen Trägern von Eingliederungsmaßnahmen und -hilfen auf eine zügige endgültige Eingliederung hin.

§ 5
Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung

(1) Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung sind Übergangswohnheime und Ausweichunterkünfte. Die Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung werden von den unteren Eingliederungsbehörden geschaffen, verwaltet und betrieben. Die unteren Eingliederungsbehörden können diese Aufgaben Dritten übertragen.

(2) Die oberste Eingliederungsbehörde wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Belegungsdichte zu bestimmen und sie dem Zugang, der Unterbringungskapazität und der Unterbringungssituation anzupassen.

§ 6
Benutzungsverhältnis und Gebühren

(1) Zwischen dem Träger der Einrichtung der vorläufigen Unterbringung und der nutzenden Person wird ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis begründet. Die nutzenden Personen sind verpflichtet, sich selbst fortwährend um eine Wohnung zu bemühen.

(2) Der Träger ist berechtigt, das Benutzungsverhältnis in begründeten Fällen jederzeit zu beenden, insbesondere wenn

1.
eine zumutbare Wohnung nicht angenommen oder bezogen wird,
2.
schwerwiegend oder wiederholt gegen Bestimmungen der Benutzungs- oder Hausordnung oder gegen Anordnungen des Leiters der Einrichtung verstoßen wird,
3.
die Benutzungsgebühr aufgrund einer zu vertretenden Säumnis nicht bezahlt wird oder
4.
nachträglich festgestellt wird, daß die untergebrachte Person nicht zum nutzungsberechtigten Personenkreis gehört.

(3) Von den Landkreisen und Kreisfreien Städten sind Benutzungsgebühren zu erheben. Die oberste Eingliederungsbehörde regelt die Voraussetzungen für die Erhebung der Benutzungsgebühren und deren Höhe durch Rechtsverordnung.

§ 7
Kostenerstattung

(1) Die zur Erfüllung der Aufgaben der unteren Eingliederungsbehörden nach diesem Abschnitt notwendigen persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten der Landkreise und Kreisfreien Städte werden im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs abgegolten.

(2) Die notwendigen Kosten für das von den unteren Eingliederungsbehörden gestellte Personal bei den Übergangswohnheimen werden vom Freistaat Sachsen durch eine monatliche Personalkostenpauschale je Unterbringungsplatz im Übergangswohnheim erstattet. Hierbei ist die von der mittleren Eingliederungsbehörde festgesetzte Zahl der Plätze am Ersten des Monats maßgebend. Im übrigen erstattet der Freistaat Sachsen den Landkreisen und Kreisfreien Städten die notwendigen sächlichen Kosten, die durch die vorläufige Unterbringung entstehen.

(3) Die oberste Eingliederungsbehörde bestimmt durch Rechtsverordnung die Höhe der nach Absatz 2 zu erstattenden Kosten. Dabei können Höchstsätze und Pauschalen festgesetzt werden. Die von der obersten Eingliederungsbehörde bei der Festsetzung der Höchstsätze und Pauschalen zugrunde gelegte Berechnungsmethode ist gegenüber den unteren Eingliederungsbehörden offenzulegen. 1

§ 8
Datenübermittlung

(1) Die Eingliederungsbehörden dürfen den in den jeweiligen Übergangswohnheimen mit der Betreuung der Aussiedler und Spätaussiedler befaßten Stellen folgende Daten der nach § 3 Abs. 1 in das Zuteilungsverfahren einbezogenen Personen übermitteln:

1.
Familiennamen,
2.
Vornamen, gegebenenfalls unter Kennzeichnung des Rufnamens,
3.
Geburtsdatum,
4.
Rechtliche Zugehörigkeit zu einer öffentlichen rechtlichen Religionsgemeinschaft,
5.
Herkunftsort sowie
6.
Berufsausbildung und bisher ausgeübte Tätigkeit.

Die Empfänger der Daten haben die geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes zu treffen. Die Daten dürfen nur für Betreuungszwecke verwendet werden. An nicht mit der Betreuung befaßte Stellen dürfen die Daten nur mit Einwilligung der Betroffenen weitergegeben werden. Nach Beendigung der Betreuung sind die Daten zu löschen.

(2) Die Landesaufnahmestelle darf die in Absatz 1 Nr. 1 bis 3, 5 und 6 genannten Daten der von ihr aufgenommenen Personen im Alter von 14 bis 65 Jahren den vor der Weiterleitung zuständigen Arbeitsämtern übermitteln, soweit es für die Entscheidung über die Weiterleitung an die untere Eingliederungsbehörde oder zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Arbeitsamtes liegenden Aufgaben erforderlich ist.

(3) Die Landesaufnahmestelle darf dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes zum Zwecke der Familienzusammenführung folgende Daten der von ihr aufgenommenen Personen übermitteln:

1.
Familiennamen,
2.
Vornamen, gegebenenfalls unter Kennzeichnung des Rufnamens,
3.
Geburtsdatum,
4.
Anschrift.

Zum gleichen Zweck können die gleichen Daten aufgenommener Personen, die aus den Aussiedlungsgebieten stammen, von der Landesaufnahmestelle an den kirchlichen Suchdienst übermittelt werden. Dieser Stelle können zusätzlich der Geburtsort und die Anschrift am 1. September 1939 mitgeteilt werden.

Dritter Abschnitt
Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes und anderer Kriegsfolgengesetze

§ 9
Zuständigkeit

(1) Zentrale Dienststelle nach § 21 des Bundesvertriebenengesetzes ist die oberste Eingliederungsbehörde.

(2) Die oberste Eingliederungsbehörde wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die zuständigen Eingliederungsbehörden zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes und anderer Kriegsfolgengesetze zu bestimmen sowie das Zusammenwirken der Eingliederungsbehörden untereinander und mit anderen Trägern von Eingliederungsmaßnahmen und -hilfen zu regeln.

§ 10
Unterrichtung von Leistungsträgern

(1) Wenn die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes abgelehnt, eine solche Bescheinigung eingezogen oder für ungültig erklärt worden ist, darf die dafür zuständige Behörde die Behörden und Stellen, die für die Gewährung von Rechten und Vergünstigungen an Personen im Sinne von § 4 des Bundesvertriebenengesetzes zuständig sind, zur Vermeidung unrechtmäßiger Zahlungen unterrichten. Hierbei dürfen folgende Daten übermittelt werden:

1.
Familienname einschließlich früherer Namen,
2.
Vornamen, gegebenenfalls unter Kennzeichnung des Rufnamens,
3.
Tag und Ort der Geburt,
4.
Anschrift,
5.
Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit der Ablehnung, der Einziehung oder der Ungültigkeitserklärung einer Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend bei Ablehnung, Einziehung oder Ungültigkeitserklärung von Ausweisen nach § 18 des Bundesvertriebenengesetzes in der am 21. Dezember 1992 geltenden Fassung sowie bei Beendigung von Rechten und Vergünstigungen nach § 13 des Bundesvertriebenengesetzes in der vom 21. Dezember 1992 gültigen Fassung.

§ 11
Beirat

(1) Zur sachverständigen Beratung der Staatsregierung wird nach § 22 des Bundesvertriebenengesetzes bei der obersten Eingliederungsbehörde ein Beirat für Vertriebenen-, Aussiedler- und Spätaussiedlerfragen gebildet.

(2) Der Beirat besteht aus je einem Mitglied der kommunalen Landesverbände, vier Mitgliedern der auf Landesebene tätigen Organisationen der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler und zwei Mitgliedern der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege im Freistaat Sachsen. Für jedes Mitglied kann ein stellvertretendes Mitglied berufen werden. Den Vorsitz führt der Staatsminister des Innern oder eine von ihm beauftragte Person.

(3) Die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder werden auf Vorschlag der in Absatz 2 genannten Organisationen auf die Dauer von vier Jahren berufen. Scheidet ein Mitglied oder stellvertretendes Mitglied vor Ablauf der Amtsdauer aus, so wird entsprechend Satz 1 eine Ersatzperson für den Rest der Amtsdauer berufen.

§ 12
Förderung von Kultur und Wissenschaft

Im Zusammenhang mit der Pflege des Kulturgutes der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler und der Förderung der wissenschaftlichen Forschung nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes kann der Freistaat Sachsen durch die oberste Eingliederungsbehörde in den Aussiedlungsgebieten Begegnungsveranstaltungen, kulturelle oder wissenschaftliche Maßnahmen zugunsten der deutschen Minderheit oder zur Pflege des Kulturgutes fördern, sofern die Maßnahmen der Völkerverständigung dienen.

Vierter Abschnitt
Schlußbestimmungen

§ 13
Übergangsregelungen

(1) Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes in Einrichtungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 untergebrachten Personen werden in vollem Umfang auf die Zahl der nach § 3 Abs. 2 zuzuteilenden Personen angerechnet.

(2) Ab dem Inkrafttreten des Sächsischen Gesetzes zur Kreisgebietsreform (Kreisgebietsreformgesetz – SächsKrGebRefG) vom 24. Juni 1992 (SächsGVBl. S. 259)2 bis zum darauffolgenden 30. Juni sind abweichend von § 3 Abs. 2 Satz 2 die Verhältnisse am Tage des Inkrafttretens des genannten Gesetzes maßgebend.

(3) §§ 8 und 10 gelten auch für die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes untergebrachten Personen.

§ 14
Änderung des Sächsischen Ausführungsgesetzes
zum Bundessozialhilfegesetz

Das Sächsische Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz (SächsAGBSHG) vom 6. August 1991 (SächsGVBl. S. 301) wird wie folgt geändert:
In § 8 werden nach Absatz 2 folgende Absätze 3 und 4 eingefügt:
„(3) Den Trägern der Sozialhilfe werden aus dem Staatshaushalt die Kosten erstattet, die ihnen durch die Gewährung von Sozialhilfe an Aussiedler und Spätaussiedler während ihrer vorläufigen Unterbringung in Übergangswohnheimen und Ausweichunterkünften (§ 5 des Sächsischen Gesetzes über die Eingliederung von Aussiedlern und zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes sowie anderer Kriegsfolgengesetze vom 28. Februar 1994, SächsGVBl. S. 359) entstehen. Das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie regelt das Erstattungsverfahren.
(4) Im Fall des Absatzes 3 kann das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie den Trägern der Sozialhilfe im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern für die Durchführung ihrer Aufgaben Weisungen erteilen.“
Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 5.

§ 15
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Abweichend von Satz 1 tritt § 14 dieses Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.

Dresden, den 28. Februar 1994

Der Landtagspräsident
Erich Iltgen

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf

Der Staatsminister des Innern
Heinz Eggert