Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz
zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten
Vom 5. Februar 1996
1. Dienstliche Beurteilung
Dienstliche Beurteilungen der Richter und Staatsanwälte (im folgenden: Richter) sind die periodische Beurteilung, die Beurteilung aus besonderem Anlaß und die Probezeitbeurteilung.
2. Periodische Beurteilung
- a)
- Die Richter auf Lebenszeit werden alle vier Jahre periodisch beurteilt; Stichtag auch für die Zuständigkeit für die Beurteilung ist der 31. Dezember des dem Beurteilungsjahr vorausgegangenen Jahres. Erstes Beurteilungsjahr ist 1998.
- b)
- Richter auf Lebenszeit in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2, die am Stichtag das 50. Lebensjahr vollendet haben, sowie Richter in der Besoldungsgruppe R 3 und höher sind nicht mehr zu beurteilen. Jeder Richter der Besoldungsgruppe R 2 ist jedoch mindestens einmal zu beurteilen, und zwar zu dem auf seine erstmalige Berufung in ein Amt dieser Besoldungsgruppe folgenden Stichtag, sofern er das 55. Lebensjahr nicht vollendet hat.
- c)
- Richter, die ohne Dienstbezüge beurlaubt sind, sind nur dann zu beurteilen, wenn sie im Beurteilungszeitraum mindestens ein Jahr als Richter auf Lebenszeit tätig waren.
3. Beurteilung aus besonderem Anlaß
- a)
- Richter sind zu beurteilen, wenn sie nach Ablauf der Probezeit die für die Beurteilung zuständige Behörde wechseln oder sich um eine ausgeschriebene Stelle bewerben.
- b)
- Abgeordnete Richter sind bei Beendigung der Abordnung zu beurteilen, wenn der Abordnungszeitraum sechs Monate überschreitet.
- c)
- Die Beurteilung enthält kein Gesamturteil. Die Beurteilung aus Anlaß einer Bewerbung erstreckt sich auch auf die Eignung für die ausgeschriebene Stelle.
4. Probezeitbeurteilung
- a)
- Richter auf Probe sind neun und 18 Monate nach Ernennung sowie unmittelbar vor Ablauf der Probezeit zu beurteilen, Richter kraft Auftrags neun und 15 Monate nach Ernennung. Ist der Richter auf Probe zu einem anderen Dienstherrn, an ein Obergericht oder eine Verwaltungsbehörde abgeordnet, soll die Beurteilung mit Ausnahme der unmittelbar vor Ablauf der Probezeit zu erteilenden Beurteilung erst nach Ende der Abordnung erstellt werden, spätestens jedoch 18 Monate nach Beginn der Probezeit.
- b)
- Ergeben sich während der Probezeit Zweifel an der Eignung, Befähigung oder fachlichen Leistung eines Richters, so ist er unverzüglich zu beurteilen.
- c)
- Kommt eine Abkürzung der Probezeit oder eine Anrechnung von Vortätigkeiten nach § 10 Abs. 2 DRiG in Betracht, ist auf Anforderung des Staatsministeriums der Justiz eine der Abschlußbeurteilung entsprechende Beurteilung zu erstellen.
5. Inhalt der dienstlichen Beurteilung
- a)
- Jede Beurteilung benennt den Zeitraum, auf den sie sich bezieht. Der dienstlichen Beurteilung ist eine kurze Beschreibung der Geschäftsaufgaben, die der Richter im Beurteilungszeitraum wahrgenommen hat, voranzustellen. In ihr sind die fachlichen Leistungen des Richters sowie seine Eignung und Befähigung auch im Vergleich zu anderen Richtern seiner Besoldungsgruppe darzustellen. Soweit Veranlassung besteht, soll auch angegeben werden, ob Umstände vorliegen, die die Beurteilung erschwert haben und den Wert der Beurteilung einschränken. Auf einen Abfall oder eine Steigerung der Leistungen ist besonders einzugehen. Hinweise auf etwaige Disziplinarmaßnahmen, Strafen oder Geldbußen sind nicht in der Beurteilung zu vermerken.
- b)
- Insbesondere soll die Beurteilung Aufschluß geben über
- aa)
- die Urteilsfähigkeit und Entschlußkraft des Richters und seine Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen;
- bb)
- die juristischen Kenntnisse des Richters, seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen (etwaige wissenschaftliche und pädagogische Befähigungen) sowie sein Bemühen um Fortbildung;
- cc)
- das Ausmaß seiner Belastbarkeit, das bewältigte Arbeitspensum und seine Bereitschaft, erforderlichenfalls vorübergehend zusätzliche Aufgaben zu übernehmen;
- dd)
- die Fähigkeit des Richters, sich mündlich und schriftlich auszudrücken, einen Vorgang mit der erforderlichen Gründlichkeit zu bearbeiten, das Wesentliche herauszustellen und in angemessener Zeit zu rechtlich begründeten und praktisch brauchbaren Lösungen zu kommen;
- ee)
- die Fähigkeit des Richters, eine Sitzung zügig und mit Umsicht zu leiten und auf das Verhandlungsziel auszurichten, den Verhandlungsstoff erschöpfend und in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zielgerichtet zu klären, Zeugen und Sachverständige sachgerecht zu vernehmen, in angemessener Weise auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken oder die Sache ohne Verzögerung einer Entscheidung zuzuführen;
- ff)
- das Verhalten des Richters gegenüber Rechtssuchenden und der Öffentlichkeit sowie die Zusammenarbeit mit Kollegen und Mitarbeitern;
- gg)
- die Selbständigkeit, Initiative, das Planungs- und Organisationsvermögen des Richters sowie die für die Führung von Mitarbeitern erforderlichen Eigenschaften, seine Fähigkeit, das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen und für sie Beispiel und Ansporn zu sein;
- hh)
- die Persönlichkeit des Richters; beruht die ergänzende Charakterisierung im wesentlichen auf einem bestimmten Ereignis, so soll dieses angegeben werden.
- c)
- Die dienstliche Beurteilung ist mit einer Äußerung darüber abzuschließen, für welche Aufgaben der Richter in Betracht kommt.
6. Gesamturteil und Bewertung
- a)
- Das Gesamtergebnis der periodischen Beurteilung ist in einem der folgenden Gesamturteile zusammenzufassen:
- „entspricht nicht den Anforderungen“ (den Anforderungen nicht genügende Eignung, Befähigung oder Leistungen);
- „entspricht noch den Anforderungen“ (Eignung, Befähigung und Leistungen genügen den Anforderungen nur mit Einschränkung);
- „entspricht voll den Anforderungen“ (Eignung, Befähigung und Leistungen erfüllen die Anforderungen, die normaler- und billigerweise an einen Richter gestellt werden);
- „übertrifft die Anforderungen“ (Eignung, Befähigung und Leistungen übersteigen im ganzen gesehen eindeutig das Gesamturteil „entspricht voll den Anforderungen“; in jeder Hinsicht zufriedenstellende Leistungen auch bei auftauchenden Schwierigkeiten);
- „übertrifft die Anforderungen erheblich“ (nach Bewährung erkennbare Steigerung gegenüber dem Gesamturteil „übertrifft die Anforderungen“; charakterliche und geistige Befähigung, sich schnell auf neue Aufgaben umzustellen);
- „sehr gut“ (Bewährung auf praktischem und organisatorischem Gebiet, besonders hohes und abgerundetes Fachwissen; allseitige Verwendbarkeit, Eignung, Befähigung und Leistungen heben sich ersichtlich von „übertrifft erheblich die Anforderungen“ ab; Fähigkeit, auch in fremden Aufgabengebieten nach kurzer Zeit Überdurchschnittliches zu leisten; ausgeprägte Führungsqualitäten);
- „hervorragend“ (Gesamtleistung und Gesamtpersönlichkeit übertreffen das Gesamturteil „sehr gut“; außergewöhnliche Fähigkeiten und Leistungen, die nur in seltenen Fällen gegeben sind).
- b)
- Beurteilungszeitraum für die unmittelbar vor Ablauf der Probezeit zu erteilende Beurteilung (Abschlußbeurteilung) ist die gesamte Probezeit. Die Beurteilung ist mit einer der folgenden Bewertungen zusammenzufassen:
- „nicht geeignet“ (Eignung, Befähigung oder Leistungen lassen eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht angezeigt sein);
- „noch nicht geeignet“ (Eignung, Befähigung oder Leistungen lassen an Stelle einer Entlassung auch eine Verlängerung der Probezeit in Betracht kommen);
- „geeignet“ (durchschnittliche Eignung, Befähigung und Leistungen, die die Voraussetzungen für eine Übernahme in das Richterverhältnis auf Lebenszeit erfüllen);
- „gut geeignet“ (Eignung, Befähigung und Leistungen liegen über dem Durchschnitt);
- „besonders gut geeignet“ (seltene und weit über dem Durchschnitt liegende Eignung, Befähigung und Leistungen; besondere Förderungswürdigkeit).
- c)
- Die früher als unmittelbar vor Ablauf der Probezeit zu erteilenden Beurteilungen sind auf die Bewertungen „nicht geeignet“, „noch nicht geeignet“ oder „geeignet“ zu beschränken, wobei auf den bisherigen Verlauf der Probezeit abzustellen ist.
7. Zuständigkeit
- a)
- Zuständig für die Erstellung der Beurteilung sind
- aa)
- das Staatsministerium der Justiz für die Präsidenten der Obergerichte und den Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen;
- bb)
- in der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Präsident des Oberlandesgerichts für die Präsidenten der Landgerichte und Amtsgerichte, die Richter seines Gerichts sowie die hauptamtlichen Arbeitsgemeinschaftsleiter, die Präsidenten der Landgerichte für die Direktoren der Amtsgerichte, die Richter ihrer Gerichte und, soweit sie die unmittelbare Dienstaufsicht führen, die Richter der Amtsgerichte ihres Bezirkes, die Präsidenten der Amtsgerichte für die Richter ihrer Gerichte;
- cc)
- in der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Präsident des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts für die Präsidenten der Verwaltungsgerichte und die Richter seines Gerichts, die Präsidenten der Verwaltungsgerichte für die Richter ihrer Gerichte;
- dd)
- in der Arbeitsgerichtsbarkeit der Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts für die Präsidenten und Direktoren der Arbeitsgerichte sowie die Richter seines Gerichts und, soweit er die unmittelbare Dienstaufsicht führt, für die Richter der Arbeitsgerichte, die Präsidenten der Arbeitsgerichte für die Richter ihrer Gerichte;
- ee)
- in der Sozialgerichtsbarkeit der Präsident des Sächsischen Landessozialgerichts für die Präsidenten und Direktoren der Sozialgerichte sowie die Richter seines Gerichts und, soweit er die unmittelbare Dienstaufsicht führt, für die Richter der Sozialgerichte, die Präsidenten der Sozialgerichte für die Richter ihrer Gerichte;
- ff)
- in der Finanzgerichtsbarkeit der Präsident des Sächsischen Finanzgerichts für die Richter seines Gerichts;
- gg)
- der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen für die Leiter der Staatsanwaltschaften und die Staatsanwälte seiner Behörde, die Leitenden Oberstaatsanwälte für die Staatsanwälte ihrer Behörden.
- b)
- Die Zuständigkeit zur Beurteilung richtet sich danach, welcher Behörde der Richter zum Stichtag angehört. Fallen in den Beurteilungszeitraum Abordnungszeiten, ist ein Beurteilungsbeitrag bei der Behörde einzuholen, an die der Richter abgeordnet war oder abgeordnet ist.
- c)
- Die Präsidenten der Obergerichte, der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen sowie das Staatsministerium der Justiz prüfen die von den jeweils unmittelbar nachgeordneten Behörden erstellten dienstlichen Beurteilungen. Sie sind berechtigt, die Beurteilung abzuändern. Das Ergebnis der Prüfung ist in einem Beurteilungsvermerk festzuhalten. Beurteilungsbeiträge sind nach Anbringung des Prüfvermerks an die für die Beurteilung zuständige Behörde weiterzuleiten. In geeigneten Fällen enthält der Beurteilungsbeitrag einen Vorschlag für das Gesamturteil.
8. Mitwirkung
- a)
- Der Dienstvorgesetzte hat die Beurteilung dem Richter in ihrem vollen Wortlaut zu eröffnen und mit ihm zu besprechen.
- b)
- Der Dienstvorgesetzte soll den Richter auf Leistungsmängel, die innerhalb des Beurteilungszeitraumes auftreten, bereits vor Erstellung der nächsten Beurteilung hinweisen.
- c)
- Ein Beurteilungsbeitrag und ein abändernder Prüfungsvermerk ist dem Richter vor der Aufnahme in die Personalakte bekanntzugeben.
9. Beurteilung Schwerbehinderter
Bei der Beurteilung der Leistung Schwerbehinderter ist eine etwaige Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit durch die Behinderung wohlwollend zu berücksichtigen und ein Hinweis darauf in die Beurteilung aufzunehmen.
10. Vordrucke
Für die dienstliche Beurteilung sind die dafür amtlich festgestellten Vordrucke zu verwenden (Anlage 1 und Anlage 2).
11. Inkrafttreten
Die Verwaltungsvorschrift tritt am 1. März 1996 in Kraft. Zugleich tritt die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten vom 22. Dezember 1992 (SächsABl. 1993 S. 94) außer Kraft.
Dresden, den 5. Februar 1996
Der Staatsminister der Justiz
Steffen Heitmann