Historische Fassung war gültig vom 05.07.1994 bis 24.11.2007

Gesetz
über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Freistaat Sachsen
(Sächsisches Rechtsanwaltsversorgungsgesetz – SächsRAVG)

Vom 16. Juni 1994

Der Sächsische Landtag hat am 26. Mai 1994 das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1
Aufgabe, Rechtsstellung und Sitz

(1) Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Freistaat Sachsen hat die Aufgabe, seinen Mitgliedern und deren Hinterbliebenen Versorgung nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Satzung zu gewähren.

(2) Das Versorgungswerk ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Sitz wird durch die Satzung bestimmt.

§ 2
Organe

Organe des Versorgungswerks sind die Vertreterversammlung und der Vorstand.

§ 3
Vertreterversammlung

(1) Die Vertreterversammlung besteht aus 15 Mitgliedern des Versorgungswerks.

(2) Die Vertreter sowie acht Ersatzvertreter werden von den Mitgliedern des Versorgungswerks durch Briefwahl gewählt. Die Reihenfolge des Eintritts der Ersatzvertreter bestimmt sich nach der Anzahl der erhaltenen Stimmen.

(3) Die Amtszeit der Vertreterversammlung beträgt sechs Jahre. Sie beginnt mit ihrem ersten Zusammentreten.

(4) Die Vertreter sind unabhängig und nicht an Weisungen gebunden. Nach Ablauf der Amtszeit führen sie ihr Amt bis zum Zusammentritt einer neuen Vertreterversammlung weiter.

(5) Die Vertreterversammlung beschließt insbesondere über

  1. den Erlaß und die Änderung der Satzung,
  2. die Wahl und die Abberufung des Vorsitzenden der Vertreterversammlung und seines Stellvertreters,
  3. die Wahl und die Abberufung der Vorstandsmitglieder,
  4. die Feststellung des Haushaltsplans und des Jahresabschlusses sowie die Entlastung des Vorstands,
  5. die Festsetzung des Beitragssatzes für den Regelpflichtbeitrag,
  6. die Grundsätze der Vermögensanlage,
  7. die Aufwandsentschädigung und Kostenerstattung der Vertreter und des Vorstands.

(6) Der Vertreterversammlung können durch die Satzung weitere Aufgaben übertragen werden. Die Satzung und ihre Änderungen, die Feststellung des Haushaltsplans sowie Beschlüsse über die Grundsätze der Vermögensanlage bedürfen der Genehmigung des Staatsministeriums der Justiz, das im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit entscheidet.

(7) Die Vertreterversammlung beschließt mit einfacher Mehrheit der anwesenden Vertreter. Die Änderung der Satzung sowie die Abberufung von Mitgliedern des Vorstands bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Vertreterversammlung.

§ 4
Vorstand

(1) Der Vorstand besteht aus fünf Mitgliedern, von denen mindestens drei dem Versorgungswerk angehören müssen.

(2) Die Mitglieder des Vorstands werden von der Vertreterversammlung für die Dauer ihrer Amtszeit (§ 3 Abs. 3) gewählt.

(3) Der Vorsitzende und sein Stellvertreter müssen dem Versorgungswerk angehören. Mitglieder des Vorstands dürfen nicht zugleich Mitglieder der Vertreterversammlung sein.

(4) Bei Ausscheiden eines Mitglieds des Vorstands wird der Nachfolger für die verbleibende Amtszeit gewählt.

(5) Der Vorstand führt die Beschlüsse der Vertreterversammlung aus. Er beschließt über die Angelegenheiten des Versorgungswerks, soweit dieses Gesetz oder die Satzung nichts anderes bestimmen. Der Vorsitzende des Vorstands leitet die Verwaltung des Versorgungswerks und vertritt das Versorgungswerk gerichtlich und außergerichtlich.

(6) Der Vorstand führt die Geschäfte nach Ablauf seiner Amtszeit bis zur Wahl eines neuen Vorstands weiter.

(7) Der Vorstand bestellt einen oder mehrere Geschäftsführer. Er kann mit Zustimmung der Vertreterversammlung die Verwaltung und Geschäftsführung des Versorgungswerks auch einer geeigneten juristischen Person des privaten oder öffentlichen Rechts übertragen.

§ 5
Überprüfung

(1) Als Mitglied des Vorstands und als Mitarbeiter des Versorgungswerks darf nicht tätig werden, wer

  1. gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, insbesondere die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grundsätze verletzt hat oder
  2. für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit tätig war und dessen Mitgliedschaft oder Beschäftigung deshalb unzumutbar erscheint.

(2) Das Versorgungswerk veranlaßt für alle in Satz 1 genannten Personen eine Überprüfung beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Aufgrund des Ergebnisses dieser Überprüfung sowie etwa notwendiger weiterer Ermittlungen stellt der Vorstand die Beendigung des Vorstandsamtes ohne Möglichkeit der Wiederwahl fest oder spricht die Kündigung aus. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden, im Falle seiner Verhinderung die seines Stellvertreters. Bei Mitgliedern des Vorstands entscheidet die Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstands. Das Abberufungsrecht der Vertreterversammlung gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 3 bleibt unberührt. § 4 Abs. 4 ist entsprechend anzuwenden. Die Kammer hat die Aufsichtsbehörde über das Ergebnis der Überprüfung und die getroffene Entscheidung unverzüglich zu unterrichten.

§ 6
Pflichtmitgliedschaft

(1) Mitglied des Versorgungswerks ist, wer bei Inkrafttreten dieses Gesetzes Mitglied der Rechtsanwaltskammer Sachsen ist und zu diesem Zeitpunkt das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(2) Mitglied des Versorgungswerks wird, wer nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes Mitglied der Rechtsanwaltskammer Sachsen wird und zu diesem Zeitpunkt das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(3) Pflichtmitglied nach Absatz 1 und 2 kann nicht werden, wer an dem Tag, an dem die Pflichtmitgliedschaft beginnen würde (§ 8 Abs. 1), berufsunfähig ist.

(4) Die Satzung kann Ausnahmen und Befreiungen von der Pflichtmitgliedschaft vorsehen

  1. bei Bestehen einer anderen gleichwertigen auf Gesetz beruhenden Versorgung oder
  2. im Falle einer anderweitigen Befreiung von der gesetzlichen Versicherungs- oder Versorgungspflicht.

§ 7
Pflichtmitgliedschaft auf Antrag

(1) Mitglieder der Rechtsanwaltskammer Sachsen, die nicht nach § 6 Abs. 1 und 2 Mitglied des Versorgungswerks sind, sowie Patentanwälte mit Kanzleisitz in Sachsen werden auf Antrag in das Versorgungswerk aufgenommen, wenn sie bei Inkrafttreten dieses Gesetzes das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zu stellen.

(2) Patentanwälte mit Kanzleisitz in Sachsen werden ferner auf Antrag in das Versorgungswerk aufgenommen, wenn sie den Antrag innerhalb von zwei Jahren nach der Zulassung zur Patentanwaltschaft stellen und bei der Antragstellung das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(3) Pflichtmitglied auf Antrag kann nicht werden, wer bei der Antragstellung berufsunfähig ist.

§ 8
Beginn, Beendigung und Weiterführung der Mitgliedschaft

(1) Die Pflichtmitgliedschaft beginnt mit dem Tag, an dem die Voraussetzungen für die Pflichtmitgliedschaft eingetreten sind. Die Pflichtmitgliedschaft auf Antrag beginnt mit dem Tag des Eingangs des Antrages beim Versorgungswerk.

(2) Aus dem Versorgungswerk scheiden Mitglieder aus, wenn sie der Rechtsanwaltskammer Sachsen nicht mehr angehören. Die Mitgliedschaft bleibt aufrechterhalten, wenn das Mitglied dies innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach dem Ausscheiden beantragt.

(3) Die Mitgliedschaft endet nicht mit dem Eintritt des Versorgungsfalles.

(4) In der Satzung können weitere Fälle des Beginns, der Beendigung und der Weiterführung der Mitgliedschaft bestimmt werden.

§ 9
Beiträge

(1) Der monatliche Regelpflichtbeitrag ist nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogen. Er muß den Beitragssatz und die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen.

(2) Die Beiträge werden vom Versorgungswerk durch Beitragsbescheid festgesetzt. Die Mitglieder sind bis zum Eintritt des Versorgungsfalles zur Zahlung der Beiträge verpflichtet. Für Beiträge, die der Zahlungspflichtige eine Woche nach Fälligkeit noch nicht entrichtet hat, können Säumniszuschläge erhoben werden; § 24 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(3) Die Satzung kann die Ermäßigung der Beitragspflicht vorsehen, insbesondere für solche Pflichtmitglieder, die neu zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden oder für die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes eine anderweitige ausreichende Sicherung für den Fall der Invalidität und des Alters besteht.

(4) Die Beitreibung der Beiträge richtet sich nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen.

§ 10
Leistungen

(1) Das Versorgungswerk gewährt seinen Mitgliedern und deren Hinterbliebenen nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Satzung folgende Leistungen:

  1. Altersrente,
  2. Berufsunfähigkeitsrente,
  3. Hinterbliebenenrente,
  4. Sterbegeld,
  5. Kapitalabfindung.

Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.

(2) Die Satzung kann Zuschüsse für Maßnahmen zur Wiederherstellung der Berufsfähigkeit vorsehen.

(3) Änderungen der Satzung, die den Leistungsumfang betreffen, gelten auch für die vor der Änderung der Satzung eingetretenen Leistungsfälle.

§ 11
Verjährung

(1) Ansprüche auf Beiträge und auf Leistungen verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluß des Kalenderjahres, in dem die Beiträge oder die Leistungen erstmals verlangt werden können.

(2) Die Verjährung der Beiträge wird durch den Zugang eines Beitragsbescheides, die Verjährung der Leistungen wird durch den Zugang der schriftlichen Anmeldung des Anspruchs beim Versorgungswerk unterbrochen. Die Unterbrechung der Leistungsverjährung dauert bis zur Bekanntgabe des schriftlichen Bescheides des Versorgungswerks an das Mitglied oder an den Hinterbliebenen.

§ 12
Abtretung, Aufrechnung

(1) Ansprüche auf Leistungen können vom Anspruchsberechtigten nicht abgetreten werden.

(2) Das Versorgungswerk kann fällig gewordene Beiträge gegen Leistungsansprüche aufrechnen.

§ 13
Gesetzlicher Forderungsübergang

Für Ansprüche auf Schadensersatz gegen einen Dritten gilt § 67 des Versicherungsvertragsgesetzes entsprechend.

§ 14
Verwendung und Anlage der Mittel

Die Mittel des Versorgungswerks dürfen nur zur Bestreitung der satzungsmäßigen Leistungen und der notwendigen Verwaltungskosten sowie zur Bildung der erforderlichen Rückstellungen und Rücklagen verwendet werden und sind unter Beachtung der §§ 54 und 54a des Versicherungsaufsichtsgesetzes anzulegen.

§ 15
Verfahrensvorschriften

Für das Verfahren des Versorgungswerks gilt bis zum Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes für den Freistaat Sachsen das Vorläufige Verwaltungsverfahrensgesetz für den Freistaat Sachsen vom 21. Januar 1993 (SächsGVBl. S. 74).

§ 16
Vorverfahren

Den Widerspruchsbescheid im Vorverfahren nach §§ 68 bis 73 der Verwaltungsgerichtsordnung erläßt der Vorstand.

§ 17
Amtshilfe der Rechtsanwaltskammer

Die Rechtsanwaltskammer Sachsen hat dem Versorgungswerk Einblick in ihr Mitgliederverzeichnis zu gewähren, ihm die Zulassung eines Rechtsanwalts und das Erlöschen und die Zurücknahme oder den Widerruf einer Zulassung mitzuteilen und alle sonstigen für die Mitgliedschaft und die Beitragspflicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

§ 18
Mitwirkungspflichten der Mitglieder

(1) Die Mitglieder und ihre Hinterbliebenen sind verpflichtet, dem Versorgungswerk alle für die Mitgliedschaft, für die Beitragspflicht und für den Leistungsanspruch bedeutsamen Auskünfte zu erteilen und die dazu erforderlichen Nachweise vorzulegen. Veränderungen haben die Mitglieder und ihre Hinterbliebenen dem Versorgungswerk mitzuteilen.

(2) Solange ein Mitglied oder ein Hinterbliebener einer Auskunftspflicht nicht nachkommt, kann das Versorgungswerk nach Maßgabe der Satzung die Berechnungsgrundlagen für die Beiträge schätzen und Leistungen zurückbehalten.

§ 19
Satzung

(1) Das Versorgungswerk regelt seine Angelegenheiten nach Maßgabe dieses Gesetzes durch Satzung.

(2) Die Satzung trifft insbesondere Bestimmungen über

  1. den Sitz des Versorgungswerks,
  2. die Wahl, die Beschlußfassung und die Aufgaben der Vertreterversammlung und des Vorstands,
  3. die Voraussetzungen und den Umfang der Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft und von der Beitragszahlung,
  4. die Höhe der Beiträge und die Zahlung freiwilliger zusätzlicher Beiträge,
  5. die Fälligkeit, Zahlung und Stundung von Beiträgen,
  6. die Verwendung von Nachversicherungsbeiträgen nach § 186 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch,
  7. die Erstattung und Übertragung der Beiträge bei vorzeitiger Beendigung der Mitgliedschaft,
  8. das Geschäftsjahr,
  9. die Leistungen nach § 10,
  10. die Verwendung und Anlage der Mittel nach § 14.

(3) Die Satzung und jede Änderung sind mit dem Genehmigungsvermerk im Sächsischen Amtsblatt bekanntzumachen. Sie treten am Tage nach der Veröffentlichung in Kraft, wenn nicht ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist.

(4) Satzungsänderungen gelten auch für bestehende Mitgliedschafts- und Versorgungsverhältnisse, soweit nichts anderes bestimmt wird.

§ 20
Aufsicht

Das Staatsministerium der Justiz führt die Rechtsaufsicht über das Versorgungswerk; § 111 Abs. 1 und 3, §§ 113 bis 117 der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (SächsGemO) vom 21. April 1993 (SächsGVBl. S. 301) gelten entsprechend. Die Versicherungsaufsicht (Fachaufsicht) führt das Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit oder die von ihm bestimmte nachgeordnete Behörde; §§ 13 und 14, 54 und 54a, 54d, § 55 Abs. 1, 4, 6 und 7, §§ 56, 57 bis 59, 81 bis 81b, 82 bis 84, 86 und 87, 89, 101 des Versicherungsaufsichtsgesetzes gelten entsprechend.

§ 21
Übergangsregelungen

(1) Die Vertreter und Ersatzvertreter der ersten Vertreterversammlung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes werden von der Mitgliederversammlung der Rechtsanwaltskammer Sachsen in geheimer Wahl gewählt. Für das Wahlverfahren gelten die Bestimmungen der Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer für die Wahlen zum Kammervorstand entsprechend. Wahlberechtigt und wählbar ist nur, wer Mitglied des Versorgungswerks ist oder wer am Tage der Wahl berechtigt ist, nach § 7 dieses Gesetzes seine Aufnahme in das Versorgungswerk zu beantragen.

(2) Die erste Vertreterversammlung wird vom Staatsministerium der Justiz einberufen. Die Vertreterversammlung ist beschlußfähig, wenn mindestens zehn Mitglieder anwesend sind. Den Vorsitz führt bis zur Wahl eines Vorsitzenden ein vom Staatsministerium der Justiz beauftragtes Mitglied.

(3) Die Vertreterversammlung hat binnen eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Satzung zu beschließen.

§ 22
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.

Dresden, den 16. Juni 1994

Der Landtagspräsident
Erich Iltgen

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf

Der Staatsminister der Justiz
Steffen Heitmann