Sächsisches Belegungsrechtsgesetz
(SächsBelG)
Vom 14. Dezember 1995
Rechtsbereinigt mit Stand vom 1. Januar 2002
Der Sächsische Landtag hat am 14. Dezember 1995 das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1
Anwendungsbereich
Dieses Gesetz gilt für Wohnungen im Freistaat Sachsen, für die den kommunalen Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften Teilentlastung oder Zinshilfe nach den §§ 4 und 7 des Gesetzes über Altschuldenhilfen für Kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Altschuldenhilfe-Gesetz) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1184), gewährt worden ist. Es gilt nicht für die nach § 5 des Altschuldenhilfe-Gesetzes privatisierten oder veräußerten und die nach dem Vermögensgesetz rückgegebenen oder rückübertragenen Wohnungen.
§ 2
Vertragliche Belegungsrechte
(1) Die Belegungsrechte sollen im Rahmen der Belegungsbindung nach § 3 dieses Gesetzes zwischen Verfügungsberechtigtem und der zuständigen Stelle vertraglich vereinbart werden.
(2) Bei der Vereinbarung von Belegungsrechten ist sicherzustellen, daß die Wohnung dem in § 7 bestimmten Personenkreis zugute kommt. Die vorrangige Versorgung der in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Zweites Wohnungsbaugesetz (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz – II. WoBauG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994 (BGBl. I S. 2137), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911), genannten Personengruppen ist bei der Ausübung vertraglicher Belegungsrechte zu berücksichtigen.
(3) Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten für vertraglich vereinbarte Belegungsrechte, soweit nichts anderes vereinbart ist. Die zwischen Verfügungsberechtigtem und der zuständigen Stelle geschlossene vertragliche Vereinbarung über die Belegung von Wohnungen hat gegenüber der Festlegung nach § 3 den Vorrang, soweit sie den in Absatz 2 festgelegten Personenkreis berücksichtigt.
§ 3
Ermächtigung
Das Staatsministerium des Innern wird ermächtigt, zur angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen, im Benehmen mit den Gemeinden und den Spitzenverbänden der zuständigen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften, durch Rechtsverordnung die Gemeinden und den nach den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarktverhältnissen erforderlichen Anteil der Wohnungen zu bestimmen, für die Belegungsbindungen auszusprechen sind. Die Belegungsbindung darf auf höchstens 50 vom Hundert der Wohnungen im Sinne des § 1 erstreckt werden.
§ 4
Bestimmung der belegungsgebundenen Wohnungen
(1) Zuständige Stellen im Sinne dieses Gesetzes sind die Gemeinden,
(2) Die zuständige Stelle bestimmt die Wohnungen, für die die Belegungsbindung gilt, soweit keine vertraglichen Vereinbarungen über Belegungsbindungen vorliegen. Zu berücksichtigen sind bei der Auswahl der einzelnen Wohnungen neben den einzelnen Wohnungsmarktverhältnissen die berechtigten Interessen der Verfügungsberechtigten. Berechtigte Interessen können insbesondere sein:
- die Vermeidung einseitiger Mieterstrukturen im Wohnungsbestand,
- unmittelbar bevorstehende umfangreiche Bauvorhaben,
- die geplante Überlassung einer Wohnung im Rahmen von Dienstverhältnissen oder genossenschaftlichen Mitgliedsverhältnissen,
- die geplante Privatisierung von Wohnungen nach § 5 Altschuldenhilfe-Gesetz.
Verliert ein Wohnungsunternehmen die Verfügungsberechtigung über eine belegungsgebundene Wohnung, bestimmt die zuständige Stelle eine andere belegungsgebundene Wohnung im Rahmen des § 2 Abs. 1 oder des § 3.
(3) Steht eine Wohnung, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt, leer oder ist vorhersehbar, daß eine solche Wohnung frei wird, hat der Verfügungsberechtigte dies sowie den voraussichtlichen Zeitpunkt des Freiwerdens der zuständigen Stelle unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Dies gilt nicht, sobald der nach § 3 bestimmte oder vereinbarte Anteil belegungsgebundener Wohnungen erreicht ist.
(4) Die zuständige Stelle kann innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zugang der Anzeige nach Absatz 3 eine Belegungsbindung aussprechen. Die berechtigten Interessen des Verfügungsberechtigten sind zu berücksichtigen. Eine Überlassung an nichtberechtigte Wohnungssuchende oder die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken vor Ablauf dieser Frist ist nicht gestattet. § 6 Abs. 7 gilt entsprechend.
§ 5
Sicherung der Zweckbestimmung
(1) Die zuständige Stelle kann über die belegungsgebundenen Wohnungen, ihre Nutzung, die jeweiligen Wohnungsinhaber und die Verfügungsberechtigten Daten erheben, speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Sicherung der Zweckbestimmung der Wohnung nach diesem Gesetz erforderlich ist.
(2) Der Verfügungsberechtigte einer belegungsgebundenen Wohnung hat die zuständige Stelle bei der Erfassung der belegungsgebundenen Wohnungen zu unterstützen. Er ist dabei verpflichtet:
- der zuständigen Stelle auf Verlangen Auskunft zu erteilen und Einsicht in seine Unterlagen zu gewähren und
- dem Beauftragten der zuständigen Stelle die Besichtigung von Grundstücken, Gebäuden, Wohnungen und Wohnräumen zu gestatten, soweit dies zur Sicherung der Zweckbestimmung der Wohnungen nach diesem Gesetz erforderlich ist und die nach Absatz 1 beschafften Unterlagen nicht ausreichen.
§ 6
Überlassung an Wohnberechtigte
(1) Der Verfügungsberechtigte darf eine belegungsgebundene Wohnung einem Wohnungssuchenden nur zum Gebrauch überlassen, wenn dieser ihm vor der Überlassung eine Bescheinigung über die Wohnberechtigung übergibt und die in dieser Bescheinigung angegebene Wohnungsgröße nicht überschritten wird.
(2) Auf Antrag des Verfügungsberechtigten kann die zuständige Stelle die Überlassung einer belegungsgebundenen Wohnung, die die angegebene Wohnungsgröße geringfügig überschreitet, genehmigen, wenn dies nach den wohnungswirtschaftlichen Verhältnissen vertretbar erscheint.
(3) Der Verfügungsberechtigte hat das Freiwerden oder den Leerstand einer belegungsgebundenen Wohnung unverzüglich der zuständigen Stelle anzuzeigen und den Zeitpunkt der Bezugsfähigkeit mitzuteilen.
(4) Kann der Verfügungsberechtigte einer belegungsgebundenen Wohnung keinen berechtigten Wohnungssuchenden innerhalb der für den Mieter geltenden Kündigungsfrist nach Zugang der Anzeige nach Absatz 3 finden und die zuständige Stelle innerhalb dieser Frist keinen einzugsbereiten Berechtigten benennen, kann der Verfügungsberechtigte die Wohnung frei vergeben, ohne daß sie ihre Bindung verliert. Die zuständige Stelle hat dem Verfügungsberechtigten darüber auf Antrag einen schriftlichen Bescheid zu erteilen.
(5) Der Verfügungsberechtigte hat binnen zwei Wochen, nachdem er eine belegungsgebundene Wohnung einem Wohnungssuchenden überlassen hat, der zuständigen Stelle den Namen des Wohnungssuchenden mitzuteilen und ihr die ihm nach Absatz 1 übergebene Bescheinigung vorzulegen.
(6) Wenn der Inhaber einer Bescheinigung über die Wohnberechtigung verstorben oder aus einer belegungsgebundenen Wohnung ausgezogen ist, darf der Verfügungsberechtigte diese Wohnung dessen Haushaltsangehörigen nur nach Maßgabe der Absätze 1 bis 4 zum Gebrauch überlassen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Hausstandszugehörigen Familienangehörigen, die nach § 569a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches in das Mietverhältnis eingetreten sind, und dem Ehegatten darf die Wohnung auch ohne Übergabe einer Bescheinigung für die Wohnberechtigung zum Gebrauch überlassen werden.
(7) Der Verfügungsberechtigte, der eine belegungsgebundene Wohnung entgegen den Absätze 1 bis 6 überläßt, hat auf Verlangen der zuständigen Stelle das Mietverhältnis zu kündigen und die Wohnung einem Wohnungssuchenden gemäß den Absätze 1 bis 6 zu überlassen. Kann der Verfügungsberechtigte die Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung nicht alsbald erreichen, so kann die zuständige Stelle von dem Inhaber der Wohnung, dem der Verfügungsberechtigte sie entgegen den Absätze l, 2, 4 und 6 überlassen hat, die Räumung verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Inhaber der Wohnung vor dem Bezug von der zuständigen Stelle eine Bestätigung erhalten hat, daß die Wohnung nicht belegungsgebunden ist.
§ 7
Wohnberechtigung
(1) Die Bescheinigung über die Wohnberechtigung ist einem Wohnungssuchenden auf Antrag von der zuständigen Stelle zu erteilen, wenn das Gesamteinkommen die sich aus § 25 Abs. 1 II. WoBauG ergebende Einkommensgrenze nicht übersteigt. Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung. Wird der Antrag aus Gründen, die der Wohnungssuchende nicht zu vertreten hat, erst nach dem Bezug der Wohnung gestellt, so sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Bezugs der Wohnung maßgebend. Für die Ermittlung des Gesamteinkommens sind §§ 25a bis d II. WoBauG anzuwenden. § 5 Abs. 1, 2 und 4 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz – WoBindG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994 (BGBl. I S. 2166, ber. S. 2319) gilt entsprechend.
(2) Die Finanzbehörden sowie die Arbeitgeber haben der zuständigen Stelle Auskunft über die Einkommensverhältnisse des Antragstellers zu erteilen, soweit begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Antragstellers bestehen.
§ 8
Überlassung an nichtwohnberechtigte Personen
(1) Soweit nach den örtlichen wohnungswirtschaftlichen Verhältnissen ein öffentliches Interesse an der Belegungsbindung nicht mehr besteht, kann die zuständige Stelle den Verfügungsberechtigten hiervon freistellen. Das gleiche gilt, soweit ein überwiegendes öffentliches Interesse oder ein überwiegendes berechtigtes Interesse des Verfügungsberechtigten oder eines Dritten an der Freistellung besteht, auch soweit
- die Freistellung der Verhinderung oder Beseitigung einseitiger Mieterstrukturen dient oder
- Wohnungen mit Rücksicht auf das Bestehen von Dienstverhältnissen oder im Rahmen von genossenschaftlichen Mitgliedschaftsverhältnissen zum Gebrauch überlassen werden sollen.
(2) Freistellungen können für einzelne Wohnungen, für Wohnungen bestimmter Art oder für bestimmte Gebiete ausgesprochen werden. Die Freistellung kann befristet, bedingt oder unter Auflagen erteilt werden.
§ 9
Sondervorschrift für Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf
Das Staatsministerium des Innern wird ermächtigt, im Benehmen mit den betroffenen Gemeinden und Spitzenverbänden der zuständigen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften für Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf Rechtsverordnungen zu erlassen, die befristet oder unbefristet bestimmen, daß der Verfügungsberechtigte eine freiwerdende oder leerstehende belegungsgebundene Wohnung nur einem von der zuständigen Stelle benannten Wohnungssuchenden zum Gebrauch überlassen darf. Die zuständige Stelle hat dem Verfügungsberechtigten mindestens drei wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. Bei der Benennung sind insbesondere die Personengruppen des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des II. WoBauG vorrangig zu berücksichtigen. Sind schwangere Frauen wohnberechtigte Wohnungssuchende, haben sie Vorrang vor den anderen Personengruppen.
§ 10
Zweckentfremdung, bauliche Veränderung, Nichtvermietung
(1) Belegungsgebundene Wohnungen dürfen nicht ohne Genehmigung der zuständigen Stelle anderen als Wohnzwecken zugeführt werden, durch bauliche Maßnahmen derart verändert werden, daß sie für Wohnzwecke nicht mehr geeignet sind oder leerstehen, wenn eine Vermietung möglich wäre.
(2) Wer den Vorschriften des Absatz s 1 zuwiderhandelt, hat auf Verlangen der zuständigen Stelle die Eignung für Wohnzwecke auf seine Kosten wiederherzustellen und die Wohnung einem Wohnungssuchenden gemäß § 6 zum Gebrauch zu überlassen.
§ 11
Gleichstellung
(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes für belegungsgebundene Wohnungen gelten für einzelne Wohnräume entsprechend, soweit sich nicht aus Inhalt und Zweck der Vorschriften etwas anderes ergibt.
(2) Dem Vermieter einer belegungsgebundenen Wohnung steht derjenige gleich, der die Wohnung einem Wohnungssuchenden aufgrund eines anderen Schuldverhältnisses, insbesondere eines genossenschaftlichen Nutzungsverhältnisses, zum Gebrauch überläßt. Dem Mieter einer belegungsgebundenen Wohnung steht derjenige gleich, der die Wohnung aufgrund eines anderen Schuldverhältnisses, insbesondere eines genossenschaftlichen Nutzungsverhältnisses, bewohnt.
(3) Dem Verfügungsberechtigten steht ein von ihm Bevollmächtigter gleich.
§ 12
Untermietverhältnisse
(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten sinngemäß für den Inhaber einer Wohnung, wenn dieser die Wohnung ganz oder mit mehr als der Hälfte der Wohnfläche untervermietet. Wird nur ein Teil der Wohnung untervermietet, finden jedoch die Vorschriften der § 4 Abs. 3, §§ 9 und 10, soweit die Wohnung teilweise leersteht, keine Anwendung.
(2) § 11 bleibt unberührt.
§ 13
Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
- entgegen § 4 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 eine Anzeige nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig erstattet,
- entgegen § 4 Abs. 4 oder § 6 Abs. 1 oder 2 eine Wohnung überläßt,
- entgegen § 6 Abs. 5 eine Mitteilung nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig macht,
- entgegen § 9 eine andere Person auswählt,
- entgegen § 10 Abs. 1 eine Wohnung leerstehen läßt,
- entgegen § 10 Abs. 1 eine Wohnung verwendet, anderen als Wohnzwecken zuführt oder durch bauliche Maßnahmen verändert.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 5 mit einer Geldbuße bis zu 10 000 EUR je Wohnung und in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 mit einer Geldbuße bis zu 50 000 EUR geahndet werden. 1
(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ( OWiG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602) sind die nach § 4 Abs. 1 zuständigen Gemeinden.
§ 14
Einschränkung von Grundrechten
Durch dieses Gesetz werden das Grundrecht auf Eigentum nach Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz und Artikel 31 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen , das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz und Artikel 30 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz und Artikel 28 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen eingeschränkt.
§ 15
Entsprechende Anwendung des Wohnungsbindungsgesetzes
Die §§ 2a, 2b, 18, 25 und 27 WoBindG finden für die nach diesem Gesetz belegungsgebundenen Wohnungen entsprechende Anwendung.
§ 16
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
§ 3 dieses Gesetzes tritt am Tage seiner Verkündung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft. Im übrigen tritt dieses Gesetz am 1. Januar 1996 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Dresden, den 14. Dezember 1995
Der Landtagspräsident
Erich Iltgen
Der Ministerpräsident
In Vertretung
Dr. Hans Geisler
Der Staatsminister
für Soziales, Gesundheit und Familie
Der Staatsminister des Innern
In Vertretung
Steffen Heitmann
Der Staatsminister der Justiz