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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV Großflächige Einzelhandelseinrichtungen

Vollzitat: VwV Großflächige Einzelhandelseinrichtungen vom 3. Dezember 1996 (SächsABl. 1997 S. 9), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 11. Dezember 2007 (SächsABl. SDr. S. S 486)

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
und des Sächsischen Staatsministeriums
für Umwelt und Landesentwicklung
zur Behandlung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen in der Landes- und Bauleitplanung und im Baugenehmigungsverfahren
(VwV Großflächige Einzelhandelseinrichtungen)

Vom 3. Dezember 1996

1
Allgemeines
1.1
Ausgangslage

Die Entwicklung des Einzelhandels war in den Jahren seit 1990 gekennzeichnet durch eine starke Ausdehnung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen insbesondere in peripheren Stadtrandlagen und „auf der grünen Wiese“. Die in den neuen Bundesländern bereits durch Strukturprobleme vielfältiger Art erschwerte Entwicklung des innerstädtischen Handels wurde hierdurch vielerorts wesentlich gehemmt, so daß mitunter statt einer Belebung der Innenstädte gar ein Suburbanisierungsprozeß eingeleitet wurde, welcher unter städtebaulichen und raumordnerischen Gesichtspunkten höchst problematisch ist. Damit einhergehend ist vielfach eine Gefährdung der Nahversorgung der Wohnbevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs, welcher es mit geeigneten städtebaulichen und raumordnerischen Mitteln entgegenzusteuern gilt.

1.2
Ziel und Adressaten

Ziel dieser Verwaltungsvorschrift ist es dazu beizutragen, großflächige Einzelhandelseinrichtungen und Vorhaben mit ähnlichen Auswirkungen an raumordnerisch und städtebaulich geeigneten Stellen anzusiedeln.
Die Verwaltungsvorschrift ist ausschließlich auf raumordnerische und städtebauliche Erfordernisse ausgerichtet und hat nicht den Zweck, auf den Wettbewerb der einzelnen Unternehmen und die unterschiedlichen Betriebsformen des Handels Einfluß zu nehmen.
Sie soll den Trägern der Bauleitplanung und der Regionalplanung, den Raumordnungsbehörden und den Bauaufsichtsbehörden eine Richtlinie für die Beurteilung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen und Vorhaben mit ähnlichen Auswirkungen an die Hand geben.

1.3
Anwendungsbereich
 
Diese Verwaltungsvorschrift ist auf folgende Vorhaben anzuwenden:
a)
Errichtung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen und Anlagen, die ähnliche Auswirkungen haben können,
b)
Umwandlung bestehender baulicher Anlagen in großflächige Einzelhandelseinrichtungen oder Anlagen, die ähnliche Auswirkungen haben können:
 
aa)
Erweiterung bestehender Einzelhandelsbetriebe zu großflächigen Einzelhandelseinrichtungen oder Anlagen mit ähnlichen Auswirkungen,
 
bb)
Umwandlung von Großhandelsbetrieben in großflächige Einzelhandelseinrichtungen oder Anlagen mit ähnlichen Auswirkungen,
 
cc)
Sortimentsumstellungen, die raumbedeutsame oder städtebaulich relevante Auswirkungen haben können,
 
dd)
Nutzungsänderungen von Lagerhallen, Ausstellungsflächen, landwirtschaftlichen militärischen oder industriellen Anlagen und ähnlichem zu großflächigen Einzelhandelseinrichtungen oder Anlagen mit ähnlichen Auswirkungen,
c)
Konzentration mehrerer Betriebe auf engem Raum (Agglomeration),
d)
provisorische, befristet genehmigte großflächige Einzelhandelseinrichtungen.
2
Die Regelung des § 11 Abs. 3 BauNVO
2.1
Inhalt

Nach § 11 Abs. 3 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (BaunutzungsverordnungBauNVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466), sind

a)
Einkaufszentren,
b)
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, sowie
c)
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den vorgenannten großflächigen Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,

nur in Kerngebieten und in für sie festgesetzten Sondergebieten, also insbesondere nicht in Gewerbe-, Industrie- und Mischgebieten, zulässig.

2.2
Begriffe
2.2.1
Großflächige Einzelhandelseinrichtungen

Großflächige Einzelhandelseinrichtungen im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift sind die von § 11 Abs. 3 BauNVO erfaßten Vorhaben.

2.2.2
Einkaufszentren

Ein Einkaufszentrum setzt im Regelfall einen von vornherein einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex mit mehreren Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe, zumeist verbunden mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben, voraus. Fehlt es an der Voraussetzung einer einheitlichen Planung, dann ist außer einer engen räumlichen Konzentration ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender Organisation und Kooperation (zum Beispiel durch gemeinsame Werbung unter einer verbindenden Sammelbezeichnung, gemeinsam betriebene Parkplätze oder gemeinsam genutzte Lagerflächen) erforderlich, welche die Ansammlung mehrerer Betriebe aus der Sicht der Kunden zu einem einheitlichen gewachsenen und aufeinander bezogenen Ganzen werden läßt. In Ortsteilen und kleineren Orten kann bereits die Zusammenfassung von nur wenigen Betrieben dieser Art mit zentrenbildender Funktion ein Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO sein (BVerwG, Urteil vom 27. April 1990, 4 C 36.87; NVwZ 1990, S. 1071).

2.2.3
Großflächige Einzelhandelsbetriebe

Der Begriff Einzelhandelsbetrieb bedeutet nicht eine bestimmte Betriebsform (zum Beispiel Verbrauchermärkte, Kauf- und Warenhäuser und Fachmärkte wie Möbelhäuser, Baumärkte, Gartencenter, Textilfachmärkte). Einzelhändler ist vielmehr jeder, der überwiegend an private Endverbraucher verkauft.

Die Großflächigkeit beginnt dort, wo üblicherweise die Größe der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetriebe (sogenannte Nachbarschaftsläden) ihre Obergrenze findet. Diese Grenze liegt, unabhängig von regionalen und örtlichen Verhältnissen, bei einem Schwellenwert von etwa 700 m² Verkaufsfläche (BVerwG, Urteil von 22. Mai 1987, 4 C I9.85; NVwZ 1987, S. 1076).

2.2.4
Sonstige großflächige Handelsbetriebe

Sonstige Handelsbetriebe sind Handelsbetriebe, die nicht ausschließlich Einzelhandel betreiben, jedoch mit Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind, weil sie in nicht unerheblichem Umfang (ab 10 vom Hundert des Gesamtumsatzes oder ab 700 m² Verkaufsfläche) auch an private Endverbraucher verkaufen und deshalb die gleichen Auswirkungen wie großflächige Einzelhandelsbetriebe haben können.

Erfaßt werden kann bei entsprechend großen Verkaufsflächen auch der Direktverkauf an Endverbraucher in Fertigungsbetrieben und das sogenannte „Factory Outlet“. Das „Factory Outlet“ ist ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit einfacher Ausstattung, über den ein Hersteller im Direktvertrieb insbesondere Waren zweiter Wahl, Überbestände und Retouren der Waren seines Produktionsprogramms oder seines Zukaufsortiments meist in Selbstbedienung an fabriknahen oder verkehrsorientierten Standorten absetzt. Als sonstige großflächige Handelsbetriebe kommen auch Cash- and carry-Betriebe, die nach dem Prinzip der Selbstbedienung insbesondere Nahrungs- und Genußmittel, jedoch auch „Non-Food“-Artikel anbieten, Selbstbedienungsgroßmärkte, Möbelgroßmärkte und ähnliche sich als Großhandel bezeichnende Betriebe, insbesondere wenn sie Kaufscheinhandel (Ausstellung einer Einkaufsberechtigung an letzte Verbraucher) betreiben, in Betracht. Zum geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher rechnet auch der Absatz von Waren an gewerbliche Abnehmer zu deren privatem Verbrauch: Betriebe, deren wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich auf Umsatz von Gütern an Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, gewerbliche Verwender oder Großverbraucher (funktioneller Großhandel) gerichtet ist, fallen nicht unter § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauNVO.

Den Bauunterlagen muß entnehmbar sein, inwieweit ein Vorhaben funktionellen Großhandel und inwieweit es Einzelhandel betrifft; gegebenenfalls müssen Nachtragsunterlagen über den Umfang des Einzelhandelsanteils angefordert werden. Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Verkauf auch an letzte Verbraucher in größerem Umfang können gegeben sein bei einem vorgesehenen einzelhandelsähnlichen und breiten Sortiment, einer entsprechenden Gestaltung und Größe der Verkaufsflächen sowie deren Verhältnis zu den Lagerflächen, umfangreichen Kassenzonen, einem umfangreichen Stellplatzangebot für Pkw oder dem Fehlen ausreichender Verladerampen für die funktionelle Großhandelstätigkeit.

Für die Beurteilung der Großflächigkeit gelten dieselben Kriterien wie bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben (siehe oben, Abschnitt 2.2.3).

2.2.5
Verkaufsflächen

Die Verkaufsfläche ist die Fläche, auf der die Verkäufe abgewickelt werden und die von den Kunden zu diesem Zweck betreten werden darf. Sie umschließt die dem Verkauf dienende Fläche einschließlich der Gänge, Treppen, Aufzüge, Standflächen für Einrichtungsgegenstände, Kassenzonen, Schaufenster, Ausstellungsflächen und Freiflächen, soweit sie den Kunden zugänglich sind (BayVGH, Beschluß vom 30. Dezember 1986, 20 B 86.02811). Freiflächen, die dem Verkauf dienen, sind dann keine Verkaufsflächen, wenn sie nicht dauerhaft oder saisonal, sondern nur kurzfristig genutzt werden. In Fällen der „auch integrierten Lagerhaltung“ und des „Verkaufs ab Lager“ gilt die Lagerfläche auch als Verkaufsfläche.

Wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen, kann davon ausgegangen werden, daß die Verkaufsfläche etwa zwei Drittel der Geschoßfläche entspricht.

2.3
Auswirkungen von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen

Großflächige Einzelhandelseinrichtungen im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO sind nur in Kerngebieten und in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig.

Während § 11 Abs. 3 BauNVO auf Einkaufszentren stets Anwendung findet, fallen großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe nur dann unter § 11 Abs. 3 BauNVO, wenn sie sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können. Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung werden gemäß §§ 2, 6 Gesetz zur Raumordnung und Landesplanung des Freistaates Sachsen (Landesplanungsgesetz – SächsLPlG) vom 24. Juni 1992 (SächsGVBl. S. 259), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 6. September 1995 (SächsGVBl. S. 285), für den Freistaat Sachsen in der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über den Landesentwicklungsplan (LEP) vom 16. August 1994 (SächsGVBl. S. 1489) und für die einzelnen Teilräume des Freistaates in den Regionalplänen aufgestellt. Abschnitt III 5.5 des Landesentwicklungsplans Sachsen vom 16. August 1994 definiert Ziele, die für die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen verbindliche Vorgaben sind.

Es ist nicht erforderlich, daß der Eintritt der genannten Auswirkungen im Einzelfall nachgewiesen wird. Ausreichend ist vielmehr, wenn ihr Eintreten als möglich anzusehen, das heißt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Die Aufzählung der Auswirkungen in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO ist nicht abschließend. Im Einzelfall können deshalb auch nicht ausdrücklich genannte Auswirkungen von Bedeutung sein. Die ausdrücklich genannten Auswirkungen sind wie folgt zu verstehen:

Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Bundes-Immissonsschutzgesetz (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1990 (BGBl. I S. 880), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Oktober 1996 (BGBl. I S. 1498), sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Hierzu zählen insbesondere erhebliche Lärm-, Abgas- und Geruchsbelästigungen der Nachbarschaft durch den Kunden- und Lieferverkehr auf dem Betriebsgelände und den dorthin führenden Straßen. Aber auch das Be- und Entladen oder die Störung durch Maschinenanlagen (Lüftungsanlagen) oder die Beleuchtung (Stellplätze, Reklame) können die Nachbarschaft erheblich beeinträchtigen.

Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung sind beispielsweise anzunehmen, wenn, aufgrund des von der großflächigen Einzelhandelseinrichtung verursachten erhöhten Verkehrsaufkommens, der Bau neuer oder die Änderung bestehender Verkehrseinrichtungen (zum Beispiel Bau oder Erweiterung einer Zufahrtsstraße, Bau einer Linksabbiegerspur) oder der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs nötig sind. Auf § 16 Straßengesetz für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Straßengesetz – SächsStrG) vom 21. Januar 1993 (SächsGVBl. S. 93), geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 4. Juli 1994 (SächsGVBl. S. 1261), und § 7a Bundesfernstraßengesetz (FStrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1994 (BGBl. I S. 854), wonach derjenige, der den aufwendigeren Bau einer Straße veranlaßt, dem Träger der Straßenbaulast die Mehrkosten für den Bau und die Unterhaltung zu vergüten hat, wird hingewiesen. Zur infrastrukturellen Ausstattung gehören auch Erschließungsanlagen, Abwassersammel- und Abwasserbeseitungsanlagen, Abfallbeseitigungsanlagen, Feuerwehr, Rettungsdienst sowie die Versorgung mit Energie, Wasser, Wärme und dergleichen.

Auswirkungen auf den Verkehr betreffen sowohl den fließenden als auch den ruhenden Verkehr. Sie sind anzunehmen, wenn vorhandene Verkehrseinrichtungen durch den vom Vorhaben ausgehenden zusätzlichen Verkehr überlastet werden. Neben dem Gesichtspunkt der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist auch von Bedeutung, inwieweit die Wohnsituation in der Nachbarschaft, insbesondere in ruhigen Wohnstraßen, durch den zu erwartenden Verkehr beeinträchtigt wird.

Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen können sich dadurch ergeben, daß durch die von solchen Einrichtungen ausgehenden Kaufkraftbindungen möglicherweise die Existenz von kleineren, auf die Nahversorgung für den kurzfristigen Bedarf ausgerichtete Läden gefährdet wird. Durch damit verbundene Geschäftsaufgaben kann die verbrauchernahe Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs erschwert oder gefährdet werden. Betroffen sind hiervon vor allem ältere Menschen und solche, welchen ein Kraftfahrzeug nicht zur Verfügung steht. Es ist zu beachten, daß ein wesentlicher Kaufkraftabzug von vorhandenen Einzelhandelsbetrieben für sich genommen noch keine Auswirkung im dargestellten Sinne darstellt, da das öffentliche Baurecht im allgemeinen und § 11 Abs. 3 BauNVO im besonderen keine wirtschaftslenkende Funktion wahrnimmt und nicht dem Konkurrentenschutz ortsansässiger Betriebe dient. Eine raumordnerische und städtebauliche Relevanz ergibt sich erst, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, daß die Versorgung der Bevölkerung gefährdet ist. Die Frage, ob dies zu befürchten ist, ist im Zweifelsfall durch neutrale Gutachten zu klären.

Die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden kann durch die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen negativ berührt werden, wenn bestehende oder geplante Zentren in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt oder deren Entwicklungspotentiale wesentlich beeinträchtigt werden.

Städtebaulich unerwünschte Folgen können, in Abhängigkeit von der planerischen Konzeption der Gemeinde, darin liegen, daß es durch einen übermäßigen Kaufkraftabzug zugunsten großflächiger Einzelhandelseinrichtungen „auf der grünen Wiese“ zu Geschäftsaufgaben und dem Leerstand von Geschäften in zentraler Lage kommt. Die hiermit verbundene Minderung der Attraktivität der betroffenen Haupt- oder Nebenzentren der Gemeinde kann mit einer Gefährdung der zentralen Versorgungsbereiche hinsichtlich Bestand und Entwicklungsmöglichkeiten einhergehen. Eine raumordnerische Relevanz ist dann gegeben, wenn durch Entwicklungen der beschriebenen Art das landesplanerische System der zentralen Orte dadurch gefährdet werden kann, daß ausgewiesene Zentren ihre zentralörtlichen Funktionen nicht mehr ausreichend wahrnehmen können.

Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild kommen bei einem nach Lage, Umfang und Größe aus dem Rahmen der Umgebung fallenden oder in der Landschaft dominierenden Vorhaben in Betracht. Solche Auswirkungen kommen insbesondere bei Vorhaben am Stadtrand, „auf der grünen Wiese" sowie im ländlichen Raum vor. Sie können beispielsweise darin bestehen, daß die Geschlossenheit eines Ortsbildes durch eine großflächige Einzelhandelseinrichtung (große Hallen, monotone Fassaden, weite Parkflächen oder ähnliches) gestört wird. Das gilt in besonderem Maße, wenn das Projekt in der Nähe denkmalgeschützter oder sonstiger das Ortsbild prägender Einzelbauten und Ensembles errichtet werden soll oder wenn Auswirkungen auf die Stadtsanierung zu erwarten sind. Aufgrund ihres hohen Flächenbedarfs an überbaubarer und nicht überbaubarer Grundstücksfläche sowie des Maßstabs der Baukörper sind solche Vorhaben oft nur schwer in das Orts- und Landschaftsbild zu integrieren.

Zu den Auswirkungen auf den Naturhaushalt gehören insbesondere Einwirkungen auf die Naturgüter wie Wasser, Boden, Luft und Klima. Zu überprüfen ist vor allem, ob die Versiegelung von Freiflächen mit Stellplätzen und in der Regel eingeschossiger Bebauung möglicherweise zu einer Veränderung des Grundwasserstandes oder des Kleinklimas führt.

2.4
Regelvermutung nach § 11 Abs. 3 Sätze 3 und 4 BauNVO

Nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO sind Auswirkungen der genannten Art anzunehmen, wenn die Geschoßfläche 1 200 m² überschreitet. Diese gesetzliche Regelvermutung kann im Einzelfall widerlegt werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Auswirkungen trotz Überschreitens dieses Richtwerts nicht auftreten oder trotz Unterschreitens dennoch vorliegen (§ 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO).

Liegen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Sachverhalts vor, so ist nicht mehr einzelfallbezogen zu prüfen, ob die raumordnerischen und städtebaulichen Auswirkungen der beschriebenen Art tatsächlich bestehen oder nicht bestehen. Die Rechtsfolge des § 11 Abs. 3 BauNVO greift dann, in Abhängigkeit von der Größe der Geschoßfläche (kleiner oder größer als 1 200 m²), unmittelbar. Die in § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO genannten Vorhaben (siehe oben unter 2.2) sind dann außer in Kerngebieten nur für die festgesetzten Sondergebiete zulässig. Ergeben sich hingegen bei der Betrachtung des Einzelfalls Anhaltspunkte für ein Abweichen von der Regelvermutung, so ist von Amts wegen zu prüfen, ob die Auswirkungen des Betriebs nach § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 BauNVO vorliegen.

Anhaltspunkte für die Rechtfertigung der Annahme, daß die Vermutungsregel nicht zutrifft, können sich sowohl aus den betrieblichen Merkmalen des Vorhabens als auch aus Besonderheiten der städtebaulichen oder raumordnerischen Situation ergeben. In § 11 Abs. 3 Satz 4 2. Halbsatz BauNVO sind einige Anhaltspunkte beispielhaft aufgeführt.

Anhaltspunkte auf der betrieblichen Seite können sich insbesondere aus folgendem ergeben:

a)
Warenangebot des Betriebes:
Besonderheiten können sich zum Beispiel dadurch ergeben, daß ein Betrieb über ein besonders schmales Sortiment von Waren verfügt, die aufgrund ihrer Größe und Sperrigkeit im allgemeinen nur mit Kraftfahrzeug transportiert werden können oder durch einen großen Flächenbedarf gekennzeichnet sind.
Auch ein Angebot von Waren unmittelbar in Verbindung mit gewerblichen oder handwerklichen Tätigkeiten deutet auf ein Abweichen von der Regelvermutung hin.
b)
Ungewöhnliches Verhältnis zwischen Geschoß- und Verkaufsfläche:
Der Regelvermutung liegt die in der Praxis sich regelmäßig ergebende Relation zwischen Geschoß- und Verkaufsfläche von etwa 3 : 2 zugrunde. Dieser gewöhnliche Anteil der Verkaufsfläche kann, insbesondere in Abhängigkeit vom Raumbedarf der Lagerhaltung, unter Umständen deutlich niedriger (dann Abweichung von der Regelvermutung auch bei Geschoßfläche von mehr als 1 200 m² möglich) oder höher (dann Abweichung auch bei Geschoßfläche von weniger als 1 200 m² möglich) sein.

Städtebauliche Anhaltspunkte können sich gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4, Halbsatz 2 BauNVO insbesondere im Hinblick auf folgende Merkmale der örtlichen Situation ergeben:

a)
Gliederung der Gemeinde in abgegrenzte Ortsteile:
Die Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO können zum Beispiel in abgelegenen und nur schwer erreichbaren Ortsteilen bereits bei einer Geschoßfläche von weniger als 1 200 m² auftreten, während in zentralen, für die Wohnbevölkerung gut erreichbaren Lagen möglicherweise auch eine höhere Geschoßfläche noch ohne wesentliche städtebauliche Auswirkungen bleiben kann. Dabei ist auch beachtlich, welche Versorgungsfunktionen den einzelnen Ortsteilen in der Planungskonzeption der Gemeinde zugewiesen sind.
b)
Größe der Gemeinde:
Aus der Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile sind Rückschlüsse auf deren quantitativen Bedarf an Waren und Dienstleistungen und damit auf deren Kaufkraft zu ziehen. In Abhängigkeit hiervon kann sich für kleinere Gemeinden oder Ortsteile bei der Ansiedlung eines großflächigen (Einzel-)Handelsbetriebs eine städtebauliche Relevanz bereits bei kleineren Geschoß- und Verkaufsflächen ergeben als in großen Städten oder Stadtteilen.
3
Raumordnung und Landesplanung
3.1
Mitteilungspflicht (§ 16 SächsLPlG)

Gemäß § 16 SächsLPlG sind den Raumordnungsbehörden (§ 18 SächsLPlG) und den Regionalen Planungsstellen die in Nummer 1.3 genannten Vorhaben anzuzeigen. Dabei unterliegen die Gemeinden und andere öffentliche Planungsträger einer Mitteilungspflicht (§ 16 Abs. 1 SächsLPlG), das heißt sie haben unaufgefordert möglichst frühzeitig Auskunft über diesbezügliche Planungsabsichten zu erteilen. Die sonstigen Planungsträger (insbesondere private Investoren) sind gemäß § 16 Abs. 2 SächsLPlG verpflichtet, auf Verlangen der Behörde Auskunft zu erteilen. Das nähere wird durch eine Verwaltungsvorschrift des Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung über Auskunfts- und Mitteilungspflichten öffentlicher und sonstiger Planungsträger zu raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen gemäß § 16 SächsLPlG , die in Kürze erlassen wird, geregelt werden.

Durch die Regelung des § 16 SächsLPlG und die Verbindlicherklärung des LEP findet die Übergangsvorschrift des § 246a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 BauGB nur noch hinsichtlich der in Aufstellung befindlichen Regionalpläne Anwendung. Die Anpassungspflicht an bestehende Ziele der Raumordnung und Landesplanung ergibt sich aus § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch ( BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. November 1994 (BGBl. I S. 3486), und ist nicht von der fristgemäßen „Geltendmachung“ der Raumordnungsbehörde abhängig. Die Mitteilungspflicht ergibt sich aus § 16 SächsLPlG .

Zur Beschleunigung der Bauleitplanungsverfahren und zur Vermeidung kostenintensiver Fehlplanungen soll von den Gemeinden in einem möglichst frühen Stadium die Planungsberatung beim Regierungspräsidium in Anspruch genommen werden. Zur Durchführung wird auf die Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Staatsministeriums des Innern und des Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung zur Beschleunigung der Bauleitplanungsverfahren durch Einführung einer Planungsberatung vom 15. Oktobe  1992 (SächsABl. S. 1648) verwiesen.

3.2
Rechtsgrundlagen (Begriffe)

Es ist zwischen Zielen, Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung zu unterscheiden. Neben den Grundsätzen in § 2 Raumordnungsgesetz ( ROG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. April 1993 (BGBl. I S. 630), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. November 1994 (BGBl. I S. 3486), werden Ziele und Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung im LEP und in den Regionalplänen (in allen fünf Planungsregionen in Aufstellung befindlich) einschließlich Braunkohlen- und Sanierungsrahmenpläne (zum Teil bereits verbindlich) sowie in Fachlichen Entwicklungsplänen (in Sachsen derzeit noch keine vorhanden; Fachlicher Entwicklungsplan Verkehr zur Zeit in Aufstellung befindlich) festgelegt.

3.2.1
Ziele der Raumordnung und Landesplanung

Ziele der Raumordnung und Landesplanung (im LEP durch Nummern gekennzeichnet) sind räumlich und sachlich konkretisierte Festlegungen. Sie sind von allen öffentlichen Planungsträgern bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen als rechtsverbindliche Vorgaben zwingend zu beachten. Die Ziele begründen darüber hinaus eine Anpassungspflicht für die Gemeinden nach § 1 Abs. 4 BauGB. Die Anpassungspflicht führt dazu, daß sowohl bei erstmaliger Aufstellung eines Bauleitplanes die bestehenden Ziele beachtet werden müssen als auch, daß bestehende (in Kraft getretene) Bauleitpläne geänderten und neu aufgestellten Zielen anzupassen sind. Aus der Anpassungspflicht folgt darüber hinaus auch die sogenannte Erstplanungspflicht, das heißt die Gemeinde muß aufgrund raumordnerischer Ziele erstmalig planerisch tätig werden (siehe hierzu unten, Abschnitt 4.2).

Die Ziele sind je nach ihrer Aussageschärfe konkretisierungsfähig, nicht aber im Wege der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB überwindbar.

Bei den Zielen ist zwischen „Ist-Zielen“, „Soll-Zielen“ und sogenannten „Hinwirkungszielen“ zu unterscheiden. (Unter Nummer 3.3 ist die entsprechende Einordnung durch Kursivschrift kenntlich gemacht.)

„Ist-Ziel“ bedeutet, daß die Planaussage absolut zwingend und verbindlich ist; sie kann nur im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens (§ 4 Abs. 5 beziehungsweise § 9 Abs. 3 SächsLPlG ; siehe Nummer 3.5) überwunden werden (zum Beispiel Ziel LEP  III.5.5.2).

„Soll-Ziel“ bedeutet, daß die Planaussage zwingend verbindlich ist, aber selbst bereits ein sogenanntes Restermessen enthält, das erlaubt, in atypischen Fällen ohne Zielabweichungsverfahren von der Planaussage abzuweichen. Ein atypischer Fall liegt dann vor, wenn bei objektiver Betrachtung des konkreten Einzelfalles ein Festhalten am Ziel unter Beachtung der Gesamtaussage des Planes nicht gerechtfertigt erscheint.

Hinwirkungsziele („Es ist darauf hinzuwirken, daß ...“) betreffen Aufgaben oder Handlungen, die nicht unmittelbar durch öffentliche Planungsträger (als Adressaten der Ziele der Raumordnung und Landesplanung) erfüllt werden können. Die öffentlichen Planungsträger (zum Beispiel Kommunen) werden aber dadurch aufgefordert, im Rahmen ihrer Einflußmöglichkeiten auf die entsprechenden Stellen beziehungsweise zuständigen Maßnahmenträger einzuwirken, um diese Zielvorstellung zu erreichen (zum Beispiel Ziel LEP  III.5.5.4 Satz 1).

3.2.2
Grundsätze der Raumordnung

Grundsätze der Raumordnung (§ 2 ROG; im LEP mit „G“ gekennzeichnet) sind von allen öffentlichen Planungsträgern bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens gegeneinander und untereinander abzuwägen (entspricht der Bezeichnung „berücksichtigen“), § 1 Abs. 6 BauGB.

3.2.3
Sonstige Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung

Sonstige Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung sind im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB zu berücksichtigen. Dazu zählen insbesondere die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung und Landesplanung (insbesondere der Regionalpläne), landesplanerische Vorgaben (zum Beispiel Entscheidungen des Landtages, der Staatsregierung, vergleiche § 9 Abs. 1 SächsLPlG) und landesplanerische Beurteilungen (zum Beispiel Ergebnisse von Raumordnungsverfahren beziehungsweise landesplanerische Abstimmung auf andere Weise im Sinne von § 6 a Abs. 3 Nummer 3 ROG).

3.3
Ziele und Grundsätze aus dem LEP
3.3.1
Ziele

Bei der Beurteilung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen sind insbesondere folgende Ziele des LEP zu beachten:

a)
Einkaufszentren sowie großflächige Einzelhandelsbetriebe und großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf ihre Auswirkungen den vorgenannten entsprechen, mit mehr als 700 m² Verkaufsfläche sind grundsätzlich nur in Oberzentren und Mittelzentren sowie in den im LEP  II.1.4.12.5 besonders ausgewiesenen Unterzentren, die einzelne mittelzentrale Funktionen bei der Versorgung der Bevölkerung (unter anderem im Einzelhandel) übernehmen, zulässig ( LEP  III.5.5.2, 1. Anstrich).
Bei den genannten Unterzentren ist jedoch darauf zu achten, daß durch die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen nicht die Existenzfähigkeit von Einrichtungen in benachbarten Mittel- und Oberzentren gefährdet wird (vergleiche Begründung zu Ziel LEP II.1.4.12.5). Dabei sind sowohl direkt vom Kaufkraftabzug betroffene Einrichtungen wie Innenstadtläden, Stadtteilzentren und ähnliche als auch indirekt betroffene, kostenintensive Versorgungseinrichtungen der Daseinsvorsorge (SächsOVG, Urteil vom 26. Mai 1993, 1 S 68/93; SächsGVBl. 1993, S. 225) zu berücksichtigen.
b)
Ausnahmen können nur in den im LEP in Ziel II1.5.5.2, 2. Anstrich und Ziel III.5.5.3 aufgeführten Fällen erfolgen:
 
aa)
Unterzentren im Ländlichen Raum (insbesondere in dünnbesiedelten Gebieten), wenn es für die Versorgung der Bevölkerung in zumutbarer Entfernung erforderlich ist. Ob diese Voraussetzungen (Beurteilungsspielraum) erfüllt sind, muß in einer raumordnerischen Einzelfallprüfung (in der Regel im Wege eines vereinfachten Verfahrens, vergleiche Nummer 3.4, 3. Unterpunkt) festgestellt werden.
 
bb)
Einkaufszentren sowie großflächige Einzelhandelsbetriebe und großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf ihre Auswirkungen den Vorgenannten entsprechen, können ausnahmsweise (Ermessensspielraum) in Umlandgebieten des berechtigten Zentralen Ortes zugelassen werden, sofern im Zentralen Ort keine geeigneten Flächen zur Verfügung stehen und eine einvernehmlich abgestimmte Bauleitplanung sowie eine Lasten- und Nutzenteilung bezüglich des Vorhabens erfolgt ( LEP  III.5.5.3).
c)
Es soll darauf hingewirkt werden, daß der Einzugsbereich solcher großflächigen Betriebe den Verflechtungsbereich des Zentralen Ortes nicht wesentlich überschreitet. Benachbarte Zentrale Orte sollen ihre Planungen untereinander abstimmen ( LEP  III.5.5.4).
d)
Die Ansiedlung oder wesentliche Änderung (insbesondere durch Sortimentsumstellung oder Erweiterung bestehender Projekte) von Einkaufszentren sowie großflächigen Einzelhandelsbetrieben und großflächigen Handelsbetrieben, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen den vorgenannten entsprechen, soll weder durch Lage, Größe oder Folgewirkung das städtebauliche Gefüge, die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungszentrums oder die verbrauchernahe Versorgung substantiell beeinträchtigen ( LEP  III.5.5.5).
In diesem Zusammenhang ist auch LEP -Ziel III.5.5.1 hinsichtlich der betroffenen Nachbargemeinden zu beachten, wonach auf eine Grundversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs in allen Gemeinden hinzuwirken ist.
Eine verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung ist nur gewährleistet, wenn Angebote des täglichen und häufig wiederkehrenden Bedarfs zu Fuß erreichbar sind. Der Revitalisierung der Innenstädte und Stärkung der Stadtteilzentren kommt eine besondere Bedeutung zu. Die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen soll dazu beitragen, die innerstädtischen Versorgungszentren zu stärken und die Attraktivität der Innenstädte zu erhöhen. Eine Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsvorhaben an peripheren Standorten kann daher nur erfolgen, wenn dadurch die Funktionsfähigkeit der Innenstadt und der Einzelhandelsstruktur in den Wohngebieten nicht gefährdet wird. Das kann zum Beispiel durch die planerische Festlegung von Sortimenten mit nur geringer Innenstadtrelevanz und damit geringen zentrenschädigenden Auswirkungen sichergestellt werden. Dazu zählen insbesondere (wobei die innenstadtrelevanten Randsortimente in ihrer Summe die Verkaufsfläche von 700 m² nicht überschreiten dürfen):
 
 
Möbel,
Tapeten, Teppiche, Bodenbeläge,
Kraftfahrzeuge, Kfz-Teile,
Bau-, Garten- und Heimwerkerbedarf,
Brennstoffe,
Herde, Öfen,
Campingartikel, Boote und ähnliche.
 
Dagegen ist bei folgenden Sortimenten von einer starken Innenstadtrelevanz auszugehen:
 
 
Nahrungs- und Genußmittel,
Drogerie- und Parfümerieprodukte,
Textilien, Gardinen,
Schuhe, Lederwaren,
Uhren, Schmuck,
Foto, Optik,
Spiel- und Sportwaren,
Schreibwaren, Bücher, Büroartikel,
Kunstgewerbe,
HiFi, Elektroartikel, Computer,
Haushaltswaren, Glas, Porzellan,
Fahrräder.
e)
Bei der Errichtung von Einkaufszentren sowie großflächigen Einzelhandelsbetrieben und großflächigen Handelsbetrieben, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen den vorgenannten entsprechen, ist darauf hinzuwirken, daß diese auch durch Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs erreichbar sind. Bei den vorzusehenden Parkmöglichkeiten soll (gegebenenfalls durch entsprechende Auflagen bei der Genehmigung) darauf hingewirkt werden, daß durch den Bau von Parkhäusern, Parkdecks und Tiefgaragen ein übermäßiger Flächenverbrauch vermieden wird ( LEP  III.5.5.6). Insbesondere von der Möglichkeit der Einwirkung auf die Planung und Gestaltung durch die Erteilung von Auflagen zur Minimierung des Flächenverbrauchs ist Gebrauch zu machen.
f)
Einrichtungen des Großhandels und logistische Einrichtungen des Einzel- und Versandhandels sollen an Knotenpunkten des Verkehrsnetzes errichtet werden ( LEP  III.5.5.7).
g)
Neben diesen speziellen Zielen sind insbesondere folgende Ziele grundsätzlich immer mit zu beachten:
 
aa)
Eine über die Eigenentwicklung hinausgehende Siedlungsentwicklung soll vorrangig in den Zentralen Orten stattfinden ( LEP  III.4.1).
 
bb)
Die Siedlungsentwicklung der Gemeinden soll sich in die vorhandene Siedlungsstruktur und in die Landschaft einfügen. Der Entstehung, Verfestigung und Ausweitung von Splittersiedlungen ist entgegenzuwirken (LEP  III.4.2).
 
cc)
Vor der Neuausweisung größerer Baugebiete außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile soll der Erneuerung, Abrundung und maßvollen Erweiterung des Siedlungskörpers Vorrang eingeräumt werden ( LEP  III.4.3).
 
dd)
Brachliegende und brachfallende Bauflächen, insbesondere Industriebrachen, sollen schnellstmöglich beplant und wieder einer Nutzung zugeführt werden ( LEP  III.4.4).
 
ee)
Ein weiteres Anwachsen der Lärmbelastung der Bevölkerung insbesondere durch den Straßenverkehr soll in den Bereichen, die überwiegend dem Wohnen und der Erholung dienen, verhindert werden ( LEP  III.18.3.3.1).

 

3.3.2
Grundsätze

In die Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB sind insbesondere folgende Grundsätze des LEP einzustellen:

a)
Die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaftskraft durch Aufbau einer ausgeglichenen Wirtschaftsstruktur (G zu III.5).
b)
Einkaufszentren sowie großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe mit entsprechenden Auswirkungen sollen nur an solchen Standorten ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden, wo sie sich nach Größe, Einzugsgebiet und Entfernung in das zentralörtliche Versorgungssystem einfügen (G 2 zu III.5.5).
c)
Verluste an Substanz und Funktionsfähigkeit des Bodens, insbesondere durch Versiegelung, sollen bei allen Maßnahmen und Nutzungen so gering wie möglich gehalten werden (G zu III.1).
d)
Vorrang der intensiven Nutzung vorhandener Bauflächen vor der Ausweisung neuer Baugebiete (G zu III.4).
3.4
Prüfung der Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung

Auf Anzeige der Planungsabsicht (Nummer 3.1) prüft die höhere Raumordnungsbehörde, ob ein Raumordnungsverfahren (§ 6a ROG, § 14 SächsLPlG) erforderlich ist. Das ist nicht der Fall, wenn eine ausreichende Berücksichtigung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung „auf andere Weise“ gewährleistet ist. Nach § 6a Abs. 3 ROG ist das insbesondere in folgenden Fällen gegeben:

a)
Das Vorhaben entspricht oder widerspricht räumlich und sachlich hinreichend konkreten Zielen der Raumordnung und Landesplanung (§ 6 a Abs. 3 Nr. 1 ROG). Hier ist insbesondere Ziel LEP  III.5.5.2 zu beachten.
b)
Bei einem gemäß § 30 BauGB zulässigen beziehungsweise unzulässigen Vorhaben ist regelmäßig kein Raumordnungsverfahren durchzuführen (§ 6a Abs. 3 Nr. 2 ROG), da der Bauleitplan gemäß § 1 Abs. 4 BauGB den Zielen angepaßt sein muß.
Dagegen ist der Fall des § 6a Abs. 3 Nr. 3 ROG für großflächige Einzelhandelseinrichtungen kaum einschlägig.
Die Aufzählung in Absatz 3 ist nicht abschließend, es kann eine ausreichende Berücksichtigung auch „auf andere Weise“ gewährleistet werden, insbesondere durch eine landesplanerische Stellungnahme im Rahmen des Genehmigungsverfahrens. Dazu führt die höhere Raumordnungsbehörde ein an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtetes, vereinfachtes (informelles) Verfahren durch. Dabei sind insbesondere die im konkreten Einzelfall berührten Träger öffentlicher Belange von der höheren Raumordnungsbehörde zu beteiligen. Das Ergebnis entspricht in seiner Rechtswirkung dem eines Raumordnungsverfahrens.
Die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens ist daher nur auf besonders gelagerte Ausnahmefälle zu beschränken, dies ist zum Beispiel dann gegeben, wenn der Einzugsbereich des geplanten Einzelhandelsprojekts wesentlich den Versorgungsbereich (Mittelbereich) der Standortgemeinde übersteigt (die Mittelbereiche sind in der Karte 4 des LEP dargestellt) sowie bei den neuartigen Formen des großflächigen Einzelhandels (zum Beispiel in Kombination mit großflächiger Freizeiteinrichtung, Fabrikverkauf und ähnlichem).
3.5
Zielabweichungsverfahren

Gemäß § 4 Abs. 5 beziehungsweise § 9 Abs. 3 SächsLPlG sind unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen im Einzelfall Abweichungen von Zielen des LEP beziehungsweise der Regionalpläne zulässig.

Kommt die höhere Raumordnungsbehörde nach der Anzeige nach § 16 SächsLPlG oder im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens eines Bauleitplanes nach summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, daß das geplante Projekt Zielen der Raumordnung und Landesplanung widerspricht und daher abzulehnen wäre, daß aber die Voraussetzungen der §§ 4 Abs. 5 beziehungsweise 9 Abs. 3 SächsLPlG vorliegen könnten, so leitet sie das Verfahren ein.

Sie führt dazu das gesetzlich vorgeschriebene Anhörungsverfahren durch und leitet anschließend das Ergebnis mit einem begründeten Entscheidungsvorschlag der obersten Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde zur Entscheidung zu.

3.6
Untersagung raumordnungswidriger Planungen und Maßnahmen

Zur Sicherung der Landesplanung kann die Bauleitplanung beziehungsweise ein Vorhaben- und Erschließungsplan bezüglich einer großflächigen Einzelhandelseinrichtung von der höheren Raumordnungsbehörde gemäß § 7 ROG, § 15 SächsLPlG für höchstens zwei Jahre untersagt werden, wenn die Planung mit künftigen Zielen der Raumordnung unvereinbar ist.

Voraussetzung dafür ist, daß die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung eingeleitet ist und das betreffende künftige Ziel räumlich und sachlich bereits so konkretisiert ist, daß die Planung daran gemessen werden kann.

Eingeleitet ist die Aufstellung, wenn die Planungsabsichten durch den zuständigen Planungsträger in einem förmlichen Akt verlautbar sind, in der Regel durch die Einleitung des Beteiligungsverfahrens nach § 3 Abs. 3 beziehungsweise § 7 Abs. 3 SächsLPlG .

4
Bauleitplanung / Vorhaben- und Erschließungsplan

Bei der Ausweisung von Flächen für Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe sind insbesondere die in § 1 Abs. 3 bis 5, § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1 BauGB enthaltenen Vorgaben für die Planaufstellung von besonderer Bedeutung. Diese gelten für die Aufstellung von Vorhaben- und Erschließungsplänen aufgrund der Verweisungen in § 7 Abs. 2 und 3 BauGB-Maßnahmengesetz entsprechend.

4.1
Erforderlichkeit der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 3 BauGB)

Gemäß § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Die Erforderlichkeit einer Planung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB ist unabhängig zu beurteilen vom sogenannten Planbedarf eines einzelnen Bauvorhabens, das heißt von der anläßlich eines Einzelvorhabens vorzunehmenden Prüfung, ob ein Vorhaben zulässig nach den §§ 29 ff. ist oder eine Zulässigkeit aufgrund eines Verstoßes gegen §§ 30, 34 oder 35 BauGB nur nach gegebenenfalls erfolgter Änderung eines bestehenden Plans oder Aufstellung eines Bebauungs- oder Vorhaben- und Erschließungsplans zugelassen werden kann. Diese Prüfung hat anläßlich eines Bauantrags für ein bestimmtes Einzelvorhaben zu erfolgen (siehe unten Abschnitt 5).

An die Erforderlichkeit der Bauleitplanung im Sinne einer „Planungsfugnis“ sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Voraussetzung ist lediglich, daß der Bauleit- oder Vorhaben- und Erschließungsplan der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung dient und nicht ausschließlich durch städtebaulich nicht relevante Erwägungen (zum Beispiel Konkurrentenschutz ortsansässiger Betriebe, Vorbereitung oder nachträgliche Legalisierung einer faktischen Fehlentwicklung zugunsten dem wirtschaftlichen Interesse Einzelner) begründet ist. Von der Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB hingegen zu unterscheiden ist der konkrete Bedarf für eine Planung (zum Beispiel für die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs). Dieser ist – soweit städtebaulich relevant – in die Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB einzustellen.

Eine Erforderlichkeit im Sinne einer „Planungspflicht“ kann sich ergeben, wenn im Falle einer fehlenden planerischen Betätigung der Gemeinde eine städtebaulich oder raumordnerisch nicht mehr vertretbare Etablierung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs zu befürchten ist. Eine solche Situation kann zum Beispiel dadurch entstehen, daß sich in der Vergangenheit unter anderen rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen an einem Standort bereits großflächige Einzelhandelsbetriebe angesiedelt haben, deren Ergänzung oder Erweiterung ohne eine entsprechende Bauleitplanung nicht verhindert werden könnte (§ 34 BauGB). Zu beachten ist auch, daß bestehende Pläne, welche Flächen für großflächigen Einzelhandel ausweisen, an nachträglich im Landesentwicklungs- oder Regionalplan festgeschriebene Ziele der Raumordnung und Landesplanung anzupassen sind, wenn ansonsten die konkrete Zielverwirklichung vereitelt würde (siehe auch unten, Abschnitte 4.2 und 5.2).

4.2
Anpassung an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung (§ 1 Abs. 4 BauGB)

Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung und Landesplanung anzupassen. Diese Verpflichtung gilt nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch (BauGB-MaßnahmenG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. April 1993 (BGBl. I S. 622) auch für Vorhaben- und Erschließungspläne. Zudem sind die Ziele der Raumordnung und Landesplanung des LEP und der Regionalpläne nach § 4 Abs. 5, § 5 Abs. 4 ROG und § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 SächsLPlG von den öffentlichen Planungsträgern bei allen raumbedeutsamen Maßnahmen zwingend zu beachten.

Als vorgegebene Beschränkung der Planungshoheit sind die Ziele der Raumordnung und Landesplanung somit der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB entzogen und als übergeordnetes Recht uneingeschränkt verbindlich für nachrangige Planungen.

Unmittelbar großflächige Einzelhandelseinrichtungen betreffende Ziele sind Abschnitt III.5.5 des Landesentwicklungsplans zu entnehmen. Darüber hinaus können – standortabhängig – weitere im Landesentwicklungsplan oder in den – soweit vorhanden – verbindlichen Regionalplänen definierte Ziele relevant sein (siehe hierzu im einzelnen oben, Nummer 3.2).

Bei der Anwendung des § 1 Abs. 4 BauGB sind drei unterschiedliche Konstellationen zu unterscheiden:

(1) Laufendes Aufstellungsverfahren

Soweit im Verfahren zur Aufstellung oder Änderung eines Bauleitplans ein Konflikt zu den Zielen der Raumordnung und Landesplanung festgestellt wird, ist die Planung zu überarbeiten oder einzustellen. Einem Bauleit- oder Vorhaben- und Erschließungsplan, welcher trotz entgegenstehender Ziele von der Gemeinde beschlossen wird, ist die Genehmigung zu versagen.

(2) Bereits veröffentliche Pläne, welche bereits zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung im Widerspruch zu Zielen der Raumordnung und Landesplanung standen

Bauleitpläne, welche trotz fehlender Anpassung an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung genehmigt und bekanntgemacht worden sind, sind materiell fehlerhaft und aus diesem Grunde aufzuheben oder – soweit eine den städtebaulichen Vorstellungen der Gemeinde entsprechende zielkonforme Planänderung möglich ist – von der Gemeinde zu ändern. Aufgrund der fehlenden Normverwerfungskompetenz der Verwaltung ist auch ein als ungültig erkannter Bebauungsplan – abgesehen von der gerichtlichen Nichtigkeitserklärung im Normenkontrollverfahren – in dem für die Aufhebung von Bebauungsplänen geltenden Verfahren aufzuheben, um damit den Anschein seiner Rechtsverbindlichkeit zu beseitigen. Die Gemeinde ist gehalten, den fehlerhaften Plan nach den Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen aufzuheben. Das gebietet die Rechtssicherheit (BVerwG, Urteil vom 21. November 1986, 4 C 22.83, NJW 1987, S. 1344 f.). Eine Behörde, die einen Bebauungsplan oder Vorhaben- und Erschließungsplan anzuwenden hat, an dessen Gültigkeit erhebliche Zweifel bestehen, kann, soweit die Gemeinde zu einer Änderung oder Aufhebung nicht bereit ist, unter Beachtung der durch Nummer 1 Gesetz zur Beschränkung von Rechtsmitteln in der Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführten Dreimonatsfrist die Prüfung der Gültigkeit eines Bebauungsplans oder Vorhaben- und Erschließungsplans gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO beim Oberverwaltungsgericht beantragen oder im Wege der Kommunalaufsicht einen entsprechenden Planungsakt der Gemeinde veranlassen.

(3) Erst nach Inkrafttreten entstandener Zielkonflikt

Soweit ein Bauleitplan nach seinem Inkrafttreten mit danach verbindlich erklärten oder geänderten Zielen der Raumordnung und Landesplanung in Konflikt geraten ist, wird er dadurch nicht ungültig (OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Juni 1982, 1 A 194/80, NJW 1984, S. 1776 ff.). Er ist jedoch zielkonform zu ändern, da sich das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB grundsätzlich auch auf bestehende Bauleitpläne erstreckt. Widerspricht ein Bauleitplan den Zielen der Raumordnung und Landesplanung, ist die Gemeinde verpflichtet, ihn anzupassen, insbesondere wenn sich durch den Vollzug des Plans Entwicklungen ergeben können, welche im Widerspruch zu den landesplanerischen Vorgaben stehen. Die Anpassung ist gegebenenfalls im Wege der kommunalaufsichtlichen Weisung durchzusetzen. Hinsichtlich Art, Umfang und Zeitrahmen der Anpassungspflicht kommt es wesentlich darauf an, ob und inwieweit ein Bauleitplan bereits vollzogen worden ist:

Flächennutzungspläne können ihre Funktion als vorbereitende Bauleitplanung nur dann erfüllen, wenn sie in Übereinstimmung mit den landesplanerischen Vorgaben stehen. Da Bebauungspläne gemäß § 246a Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BauGB aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln sind, verdichtet sich die Anpassungspflicht für einen Flächennutzungsplan spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Bebauungsplan oder Vorhaben- und Erschließungsplan aufgestellt oder geändert werden soll, welcher seinerseits den raumordnerischen und landesplanerischen Zielen entsprechen muß.

Bei einem Vorhaben- und Erschließungsplan für ein Einkaufszentrum oder einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb, auf dessen Grundlage bereits eine Baugenehmigung für das Vorhaben erteilt worden ist, ist eine nachträgliche Anpassung nicht mehr erforderlich, da eine Planänderung ins Leere liefe. Gleiches gilt für Bebauungspläne, soweit diese durch erteilte Baugenehmigungen, insbesondere im Hinblick auf die zulässigen Verkaufsflächen und Warensortimente, bereits in vollem Umfang umgesetzt worden sind, da eine nachträgliche Planänderung ohne unmittelbare rechtliche Bedeutung für eine bereits erteilte Baugenehmigung bliebe. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein durch eine Baugenehmigung gedecktes Bauvorhaben bereits realisiert worden ist oder nicht, da der Bauherr durch die Baugenehmigung eine Rechtsposition erlangt hat, welche ihm durch eine nachträgliche Rechtsänderung nicht mehr entzogen werden darf. Die Baugenehmigung könnte nur noch durch einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz aufgehoben werden, welcher jedoch in aller Regel aufgrund des Vertrauensschutzes nicht in Betracht kommen dürfte. Es ist jedoch zu beachten, daß gemäß § 72 Abs. 1 SächsBO bereits erteilte Baugenehmigungen und Teilbaugenehmigungen erlöschen, wenn innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Genehmigung mit der Bauausführung nicht begonnen worden oder diese länger als ein Jahr unterbrochen war. Anläßlich eines Antrags auf Fristverlängerung nach § 72 Abs. 2 SächsBO kann gegebenenfalls durch eine Planänderung noch auf die Zulässigkeit Einfluß genommen werden, da eine solche Fristverlängerung dann nicht in Betracht kommt, wenn ein Vorhaben inzwischen nicht mehr den Festsetzungen des (geänderten) Plans entspricht und damit unzulässig nach § 30 BauGB ist.

Wurde hingegen ein Vorhaben- und Erschließungsplan oder Bebauungsplan noch nicht (vollständig) vollzogen, kann mit einer nachträglichen Anpassung an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung verhindert werden, daß deren Verwirklichung durch raumordnerisch nicht vertretbare Bauvorhaben vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird. Da ein Plan nicht ungültig wird, wenn nach seinem Erlaß die Ziele der Raumordnung geändert werden und er diesen Zielen widerspricht, bedarf es eines Planungsakts der Gemeinde (Änderung oder Aufhebung der ursprünglichen Planung), welcher – beim Bebauungsplan – vom Erlaß einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB oder – im Einzelfall bei bereits vorliegenden Baugesuchen – von einer Zurückstellung nach § 15 BauGB begleitet sein sollte. Die bei einer Planänderung oder -aufhebung gegebenenfalls entstehenden Entschädigungsansprüche aus §§ 42, 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB berühren die grundsätzlich bestehende Anpassungsverpflichtung ebenso wenig wie im Falle des Vorhaben- und Erschließungsplans gegebenenfalls entstehende vertragliche Schadensersatzansprüche.

§ 1 Abs. 4 BauGB normiert eine Anpassungsverpflichtung der Gemeinde, welche, soweit die Gemeinde dieser nicht nachkommt, kommunalaufsichtlich durchgesetzt werden kann. Da eine auf eine Planänderung oder -aufhebung gerichtete Anordnung gemäß § 115 der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen im pflichtgemäßen Ermessen der Kommunalaufsichtsbehörde steht, ist im Einzelfall abzuwägen zwischen den – im Hinblick auf die gegebenenfalls entstehenden Entschädigungspflichten nach §§ 42, 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB vor allem finanziellen – Folgen einer Planänderung für die Gemeinde und den Belangen der Raumordnung und Landesplanung, welche eine Plananpassung erforderlich machen. Dabei wird es wesentlich auf Art und Ausmaß des festgestellten Zielverstoßes ankommen.

Eine Gemeinde kann nicht generell wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 4 BauGB gegen den Bauleit- oder Vorhaben- und Erschließungsplan einer Nachbargemeinde rechtlich vorgehen, sie kann jedoch hinsichtlich Verstoßes gegen solche Ziele der Raumordnung und Landesplanung klagen, die ihr gegenüber Schutznormcharakter entfalten (Halama, Durchsetzung und Abwehr von Zielen der Raumordnung und Landesplanung, in: Berkemann, Gaentzsch u.a. (Hrsg.), Planung und Plankontrolle, S. 225 f.). Im LEP des Freistaates Sachsen sind die Ausweisungen als Zentrale Orte auch als subjektive Rechte der begünstigten Gemeinden ausgestaltet, so daß ein Abwehranspruch gegen einen dem Zentrale-Orte-Prinzip widersprechenden Plan einer Nachbargemeinde besteht.

4.3
Gewährleistung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung (§ 1 Abs. 5 BauGB)

§ 1 Abs. 5 BauGB nennt in einer nicht abschließenden Aufzählung die bei der Bauleitplanung (und über § 7 Abs. 2 Satz 1 BauGB-MaßnahmenG auch beim Vorhaben- und Erschließungsplan) zu berücksichtigenden öffentliche Belange, welche nach § 1 Abs. 6 BauGB in die Abwägung einzustellen sind.

Einen wesentlichen öffentlichen Belang stellen im Hinblick auf die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe die Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung dar (§ 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB). Beeinträchtigungen der verbrauchernahen Versorgung können zum Beispiel eintreten, wenn Einkaufszentren oder großflächige (Einzel-) Handelsbetriebe in nicht zentralen Lagen aufgrund ihres großen Einzugsbereichs und des damit verbundenen Kaufkraftabzugs Einrichtungen der verbrauchernahen Versorgung („Nachbarschaftsläden“) verdrängen (siehe auch oben, Abschnitt 2.4.4). Hierbei ist insbesondere auf die Bedürfnisse der weniger mobilen Bevölkerung Rücksicht zu nehmen (vergleiche in diesem Zusammenhang auch Abschnitt 4.5, 2. Absatz).

Die Belange des Verkehrs einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs (§ 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB) sind aufgrund des durch große Einzelhandelseinrichtungen verursachten hohen Verkehrsaufkommens regelmäßig wesentlich berührt. Es ist daher erforderlich, diese Projekte verkehrsgerecht zu erschließen und zu diesem Zweck vorhandene Verkehrseinrichtungen auszubauen oder neue zu schaffen. Dabei sind unter Beachtung des Gebots des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden (§ 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB) auch ausreichende Flächen für den ruhenden Verkehr (zum Beispiel Tiefgarage, Parkhaus) bereitzustellen (vergleiche auch LEP Ziel III.5.6). Gegebenenfalls ist durch Auflagen bei der Plangenehmigung die Einhaltung dieser Vorgaben durchzusetzen. In diesem Zusammenhang bedarf es einer sorgfältigen Prüfung, ob für den geplanten Standort nicht unvertretbar hohe Belastungen (Erschließungs- und Folgekosten) für die öffentlichen Haushalte entstehen. Auf die Möglichkeit des Abschlusses eines Erschließungsvertrags nach § 124 BauGB und eines städtebaulichen Vertrags nach § 6 BauGBMaßnahmenG (insbesondere in der Form des Folgekostenvertrags gemäß Abs. 3) wird im Hinblick auf die Aufstellung von Bebauungsplänen hingewiesen. Bei Vorhaben- und Erschließungsplänen sind entsprechende Regelungen im Durchführungsvertrag (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BauGB MaßnahmenG) zu treffen. Im übrigen kann sich auch aus straßenrechtlichen Vorschriften (§ 7a Fernstraßengesetz, § 16 Sächsisches Straßengesetz) eine Kostentragungspflicht für denjenigen, der den Bau oder Ausbau einer Straße veranlaßt, ergeben.

4.4
Interkommunale Abstimmung (§ 2 Abs. 2 BauGB)

Gemäß § 2 Abs. 2 BauGB sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Diese Regelung gilt für Vorhaben- und Erschließungspläne entsprechend (§ 7 Abs. 3 Satz 4 BauGB-MaßnahmenG).

Einer gemeindenachbarlichen Abstimmung bedarf es bereits dann, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde in Betracht kommen. Danach besteht im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 5 BauGB ein Anspruch der Nachbargemeinde auf (materielle) Abstimmung, der auf Rücksichtnahme und Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen gerichtet ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. Dezember 1989, 4 C 36.86, NVwZ 1990, S. 464 ff. und Beschluß vom 9. Januar 1995, 4 NB 42.94, NVwZ 1995, S. 694 f.) ist es bei der Aufstellung von Bauleitplänen für das Erfordernis einer (materiellen) Abstimmung nicht erforderlich, daß eine hinreichend bestimmte Planung der Nachbargemeinde nachhaltig gestört wird oder daß wesentliche Teile von deren Gebiet einer durchsetzbaren Planung entzogen werden. Eine gemeindenachbarliche Abstimmung ist somit unabhängig davon, ob in der Nachbargemeinde bereits Bauleitpläne oder planerische Vorstellungen bestehen, erforderlich. Ein Fehlen von negativ betroffenen Planungen der Gemeinde kann sich auf das Maß und das Ergebnis der Abstimmung auswirken, läßt aber das grundsätzliche Erfordernis einer Abstimmung unberührt. Hierfür sind tatsächliche Auswirkungen gewichtiger Art ausreichend.

Bei Nichtbeteiligung oder fehlerhafter Abwägung kann – gemäß Nummer 1 Gesetz zur Beschränkung von Rechtsmitteln in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – binnen drei Monaten ab Inkrafttreten der Satzung von betroffenen Nachbargemeinden Normenkontrollantrag gegen den Bebauungs- oder Vorhaben- und Erschliessungsplan nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO gestellt werden (SächsOVG, Urteil vom 8. Dezember 1993,1 S 81/93).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. Dezember 1989, BVerwGE 84, 209; so auch SächsOVG, Beschluß vom 2. November 1992, Jahrbuch des SächsOVG 1, 79) beschränken sich die materiellen Anforderungen an das interkommunale Abstimmungsgebot nicht nur auf die vom Gesetzeswortlaut erfaßten Fälle der Aufstellung von Bauleitplänen, sondern sie erstrecken sich entsprechend seiner Zweckbestimmung allgemein auf die Fälle, in denen ein Einzelvorhaben zugelassen wird (also auch Baugenehmigung), das grenzüberschreitende Auswirkungen auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde haben kann (VG Leipzig, Beschluß vom 3. August 1995, 4 K 1199/94).

Für die (materielle) gemeindenachbarliche Abstimmungspflicht nach § 2 Abs. 2 BauGB kommt es nicht auf ein unmittelbares Angrenzen der Gemeinden an, sondern auf den Bereich der planungsrechtlichen Auswirkungen eines Vorhabens. Je größer der (potentielle) Einzugsbereich einer Handelseinrichtung ist, desto größer ist der Kreis der Gemeinden zu ziehen, welche in die interkommunale Abstimmung einzubeziehen sind.

Da mit der Ausweisung der Zentralen Orte durch den LEP ein subjektives Recht der ausgewiesenen Zentralen Orte begründet wird (vergleiche Nummer 4.2 am Ende), besteht im Falle der Verletzung der Abstimmungspflicht für den betroffenen Zentralen Ort auch aus diesem Grunde ein Klagerecht.

4.5
Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (§§ 4 Abs. 1 BauGB , 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB-MaßnahmenG)

Bei der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange ist ergänzend zur diesbezüglichen Verwaltungsvorschrift des Staatsministeriums des Innern vom 1. Juni 1993 (SächsABl. S. 920) auf folgendes hinzuweisen:

Im Hinblick auf die Ausweisung von Flächen für die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen kommt den Stellungnahmen der höheren Raumordnungsbehörde (Regierungspräsidium), des regionalen Planungsverbands sowie der Industrie- und Handelskammer eine besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus sind die Handwerkskammern zu beteiligen. Eine wesentliche Grundlage für die Prüfung der Raumordnungsbehörde ist, vor allem im Hinblick auf die Ziele LEP  II1.5.5.4 und 5.5.5, eine im Aufstellungsverfahren von der Gemeinde einzuholende marktgutachterliche Stellungnahme. Bei besonders umfangreichen Flächenausweisungen für großflächige Einzelhandelseinrichtungen kann im Einzelfall auch ein Gutachten eines unabhängigen Marktforschungsinstituts erforderlich sein. Dabei sind die unterschiedlichen Einzugsbereiche der Sortimente sowie die Kaufkraft im Versorgungsbereich des betreffenden Zentralen Ortes zu beachten. Im Hinblick auf die Verwertbarkeit ist zu beachten, daß Handelsgutachten, welche eine Ansiedlung ausschließlich unter dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Rentabilität betrachten, für eine raumordnerische und städtebauliche Beurteilung nicht geeignet sind. Hierfür maßgebend ist die zu untersuchende Einbindung einer vorgesehenen Ansiedlung von Einzelhandelseinrichtungen erheblichen Umfangs in die städtebauliche Gesamtsituation.

Hinsichtlich der Mitteilungspflicht gegenüber den Raumordnungsbehörden sowie zur Durchführung der Planungsberatung wird auf Nummer 3.1 verwiesen.

4.6
Darstellungen und Festsetzungen in Bauleitplänen
4.6.1
Darstellungen im Flächennutzungsplan

Im Flächennutzungsplan ist die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung der Gemeinde ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB).

Sollen Bauflächen (§§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, 1 Abs. 1 BauNVO) dargestellt werden, kommt für die Vorbereitung einer Festsetzung „Kerngebiet“ in einem aus dem Flächennutzungsplan zu entwickelnden Bebauungsplan die Darstellung von gemischten und gewerblichen Bauflächen in Frage. Hiermit ist jedoch noch keine konkrete Planaussage verbunden.

Bestehen bereits konkretere Pläne für die Ansiedlung von Betrieben des großflächigen Einzelhandels, ist – in Abhängigkeit von der Größe und Struktur der Gemeinde sowie des Plankonzepts – die Darstellung einer Sonderbaufläche oder die Darstellung von Baugebieten (§§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, 1 Abs. 2 BauNVO) angebracht.

Bei der Darstellung von Sonderbauflächen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 BauNVO muß deren allgemeine Zweckbestimmung angegeben werden, um der Funktion des Flächennutzungsplans als vorbereitender Bauleitplan der Gemeinde gerecht zu werden. Aufgrund der höchst unterschiedlichen besonderen Nutzungsarten der §§ 10 und 11 BauNVO ist bereits im Flächennutzungsplan eine gewisse, den Rahmen der zulässigen Nutzungsarten eingrenzende Konkretisierung – zum Beispiel durch den Zusatz „großflächiger Einzelhandel“ notwendig (vergleiche BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1994, 4 C 4.92, BVerwGE 95,123).

Soll bereits im Flächennutzungsplan ein Sonstiges Sondergebiet gemäß § 11 BauNVO dargestellt werden, folgt die Konkretisierungspflicht bereits aus Absatz 2 dieser Vorschrift, wonach für sonstige Sondergebiete die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen sind. Im Sinne einer Konkretisierung der vorgesehenen Größenordnung der Handelseinrichtung bietet sich die Darstellung der zulässigen Geschoßfläche oder Geschoßflächenzahl nach § 16 Abs. 1 BauNVO an, um die raumordnerischen und städtebaulichen Auswirkungen der beschriebenen Art beurteilen zu können.

Sollen im Flächennutzungsplan Kerngebiete außerhalb der eigentlichen – bestehenden – Ortskerne mit zentralen Funktionen dargestellt werden, so sind wegen der in dieser Gebietsart zulässigen großflächigen Einzelhandelsvorhaben bereits in dieser Planungsphase deren Auswirkungen zu bedenken. Zur Vermeidung derartiger Auswirkungen kann bei der Darstellung eines Kerngebiets schon im Flächennutzungsplan vermerkt werden, daß ein hieraus zu entwickelnder Bebauungsplan großflächige Einzelhandelsbetriebe, gegebenenfalls bestimmter Größe, auszuschließen hat.

4.6.2
Festsetzungen im Bebauungsplan

Die Festsetzung eines Kerngebiets ist regelmäßig nur für ein Gebiet vertretbar, daß zum Zentrum mit vielfältigen Nutzungen im Sinne des § 7 BauNVO werden soll. Eine undifferenzierte Festsetzung eines Kerngebiets außerhalb vorhandener Zentren wird häufig wegen der möglichen Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO und der städtebaulichen oder raumordnerischen Unvertretbarkeit unzulässig sein. Mit Festsetzungen nach § 1 Abs. 4, 5 und 9 BauNVO kann die Zulässigkeit von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen wesentlich eingeschränkt oder gar gänzlich ausgeschlossen werden. Nach § 1 Abs. 9 BauNVO ist die Gemeinde befugt, nur einzelne Unterarten von Nutzungen (zum Beispiel bestimmte Einzelhandelsbetriebstypen) zuzulassen, sofern besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Eine weitere Einschränkung der Einzelhandelsnutzung kann über die Festsetzung einer höchsten Geschoß- oder Verkaufsfläche erfolgen. Während die Festsetzung einer Geschoßflächenobergrenze auf § 16 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO (Maß der baulichen Nutzung) beruht, stellt die Regelung der Verkaufsfläche eine detaillierte Regelung im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO dar. Dabei ist die Bestimmung einer Verkaufsflächenobergrenze jedoch nur insoweit zulässig, als dadurch bestimmte Anlagetypen – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Gemeinde – zutreffend bezeichnet werden (vergleiche BVerwG, Urteil vom 27. April 1990, NVwZ 1990 S. 1071 ff.).

Während die Baunutzungsverordnung bei den übrigen Baugebieten (§§ 2 bis 9) die Zweckbestimmung des Gebiets und die zulässige Art der Nutzung selbst festlegt, müssen diese Regelungen bei den „Sonstigen Sondergebieten“ gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO im Bebauungsplan getroffen werden. Dadurch ergibt sich ein größerer Spielraum, die zulässige Nutzung in den Festsetzungen zu konkretisieren. Bei einer Zweckbestimmung „SO-Gebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe“ sollten beispielsweise als Art der Nutzung die im einzelnen zulässigen Anlagen, zum Beispiel durch Bezeichnung der Branche, der höchstzulässigen Verkaufsfläche der Art und Umfang des Sortiments bezeichnet werden (zur planerischen Festlegung von Sortimenten vergleiche oben, Abschnitt 3.3). Auf diese Weise können die städtebaulichen und raumordnerischen Auswirkungen der genannten Art ausgeschlossen oder reduziert werden und gegebenenfalls eine Genehmigungsfähigkeit des Bebauungsplans herbeigeführt werden. Im Gegensatz zu den Baugebieten nach §§ 2 bis 9 BauNVO darf die Gemeinde bei Festsetzung eines Sondergebiets für großflächigen Einzelhandel innerhalb der sich aus § 1 Abs. 3 und Abs. 6 BauGB ergebenden Grenzen, das heißt bei städtebaulicher Rechtfertigung, die maximal zulässige Verkaufsflächen ohne Bindung an vorgegebene Anlagetypen selbst bestimmen (BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 a. a. O.).

4.6.3
§ 1 Abs. 4, 5, 9 BauNVO als Instrumente zur Feinsteuerung der Nutzung

Einzelhandelsbetriebe, die nicht in den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 BauNVO fallen, sind planungsrechtlich auch in anderen Baugebieten, insbesondere auch in Gewerbe- und Industriegebieten, zulässig. Auch solche Vorhaben können im Hinblick auf ihre Auswirkungen städtebaulich unerwünscht sein. Hier erlangen die Regelungen des § 1 Abs. 4, 5 und 9 BauNVO als Instrumente zur Feinsteuerung der Nutzung innerhalb des durch die Eigenart des Baugebiets abgesteckten Rahmens verstärkt Bedeutung.

Nach § 1 Abs. 4 BauNVO kann das Baugebiet nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Eigenschaften gegliedert werden.

Nach § 1 Abs. 5 BauNVO können bestimmte Arten von Nutzungen ausgeschlossen werden, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Arten von Nutzungen sind nicht nur die in einer Nummer der Baugebietsnorm zusammengefaßten Anlagen, sondern auch die einzelnen Elemente der jeweiligen Nummer, wenn nach Art der Nutzung in der Nummer unterschieden wird. So können beispielsweise in einem Mischgebiet die nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässigen Einzelhandelsbetriebe ausgeschlossen oder als nur ausnahmsweise zulässig festgesetzt werden, wenn städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Bei der Beurteilung, ob die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, kommt es nicht auf die konkrete Eigenart der vorhandenen Bebauung an, die von der Zweckbestimmung unter Umständen abweichen kann, sondern allein darauf, daß das durch die Zweckbestimmung der Baugebietsnorm festgelegte Ziel erreicht werden kann.

Nach § 1 Abs. 9 BauNVO können nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zugelassen werden, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Diese Regelung gestattet über § 1 Abs. 5 BauNVO hinausgehende Differenzierungen. Über § 1 Abs. 9 BauNVO können zum Beispiel in einem Gewerbegebiet Einzelhandelsbetriebe als Unterarten der in § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO genannten Gewerbebetriebe aller Art ausgeschlossen werden. Festsetzungen, die auf die Größe von Anlagen abstellen (zum Beispiel Verkaufsfläche von Handelsbetrieben), sind jedoch nur zulässig, wenn dadurch bestimmte Arten von baulichen oder sonstigen Anlagen, das heißt bestimmte Anlagentypen, zutreffend gekennzeichnet werden. Mit besonderen städtebaulichen Gründen im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO ist nicht gemeint, daß die Festsetzungen nach dieser Vorschrift von im Vergleich zu § 1 Abs. 5 BauNVO erschwerten Voraussetzungen abhängen. Vielmehr ist gemeint, daß es spezielle Gründe gerade für die gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der Nutzung geben muß.

4.7
Bestimmungen in der Satzung über den Vorhaben- und Erschließungsplan

Die vorgenannten Anforderungen bei der Ausweisung von Flächen für großflächigen Einzelhandel sind – unter Berücksichtigung der spezifischen Besonderheiten dieser Rechtsform – auch beim Vorhaben- und Erschließungsplan zu beachten. Da die Satzung bei ihren inhaltlichen Bestimmungen nicht an die §§ 2 bis 11 BauNVO gebunden ist, sondern die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens bestimmt wird, ist eine Beschränkung des im Einzelfall vorgesehenen Einzelhandelsbetriebs hinsichtlich Größenordnung (Verkaufsfläche) und Sortimentsgestaltung unproblematisch.

5
Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Einzelvorhaben
5.1
Beplanter Innenbereich

Im Geltungsbereich von Bebauungsplänen findet hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung § 11 Abs. 3 BauNVO unmittelbar Anwendung, wonach großflächige Einzelhandelsvorhaben außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind. In allen anderen Baugebieten sind sie somit, soweit die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO greift, unzulässig.

Soweit ein Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht, ist es gemäß § 30 BauGB (planungsrechtlich) zulässig. Eine die Zulässigkeit einschränkende Anwendung des § 15 BauNVO kommt nur ausnahmsweise – bei Vorliegen eines grundstücksbezogenen atypischen Sachverhalts in Betracht und ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Großflächige Einzelhandelseinrichtungen können demnach auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 BauNVO im Einzelfall unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang und Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen oder von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Diese Vorschrift dient dazu, im Einzelfall bei atypischer Fallgestaltung vom Satzungsgeber nicht beabsichtigte, unangemessene Ergebnisse zu vermeiden, ist aber kein Mittel, um eine planerische Fehlentscheidung zu korrigieren.

Die durch § 15 BauNVO geschützte Umgebung reicht nur so weit, wie die Nutzung anderer Grundstücke in bebauungsrechtlicher Hinsicht durch ein Vorhaben unmittelbar beeinträchtigt werden kann. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO erfordert als Ausdruck des Gebots der Rücksichtnahme einen eingrenzbaren Bereich von Grundstücken, auf die Rücksicht zu nehmen ist und stellt nur auf unmittelbar die konkrete Nutzung von Grundstücken betreffende Beeinträchtigungen ab, die bauaufsichtlich erfaßt und verhindert werden können oder sollen. Mittelbare städtebauliche Auswirkungen werden hingegen nicht erfaßt. So gehören auch negative Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung in einem größeren Einzugsbereich nicht zu den Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (BVerwG, Urteil vom 4. Februar 1984, 4 C 17.82, BVerwGE 68,369).

Unzumutbare Belästigungen und Störungen im Sinne des § 15 BauNVO können dagegen zum Beispiel darin bestehen, daß ein durch die Realisierung eines Vorhabens verursachtes hohes Verkehrsaufkommen die öffentlichen Straßen in der maßgeblichen Umgebung ungewöhnlich belastet, so daß der Zu- und Auslieferungsverkehr anderer Grundstücke erheblich behindert wird oder Wohngrundstücke durch Immissionen übermäßig stark beeinträchtigt werden.

Hält die Baugenehmigungsbehörde hingegen einen Bebauungs- oder Vorhaben- und Erschließungsplan, welcher die Zulässigkeit eines Einkaufszentrums oder großflächigen Einzelhandelsbetriebs begründet, zum Beispiel aus raumordnerischen Gründen für fehlerhaft, so ist es ihr verwehrt, über die Anwendung des § 15 BauNVO einen Ausgleich derart zu schaffen, daß das Vorhaben nicht oder nur in eingeschränkter Form zugelassen wird. Sieht sie sich aufgrund einer von ihr erkannten Rechtswidrigkeit eines Bebauungs- oder Vorhabens- und Erschließungsplans an einer Anwendung dieser Satzung gehindert, muß sie gegebenenfalls auf dem Wege der Kommunalaufsicht (§§ 114 ff. SächsGemO) oder des gerichtlichen Rechtsschutzes (Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO) erwirken, daß der auch von einer nichtigen Norm ausgehende Rechtsschein der Wirksamkeit und die damit verbundene Rechtsunsicherheit beseitigt wird (vergleiche oben, Abschnitt 4.2).

5.2
Unbeplanter Innenbereich

Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebietstypen, führt dies hinsichtlich der Beurteilung des Vorhabens nach der Art seiner baulichen Nutzung zur Anwendung von § 34 Abs. 2 BauGB. Vorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO sind in solchen Fällen nur dann zulässig, wenn die vorhandene- Bebauung als Kerngebiet oder als Sondergebiet nach § 11 Abs. 3 BauNVO einzustufen ist, wobei letzteres zudem durch eine besondere Zweckbestimmung (zum Beispiel großflächiger Einzelhandel) geprägt sein muß, (vergleiche oben, Abschnitt 4.7).

Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung keinem der in der BauNVO typisierten Baugebiete, so ist für die Zulässigkeit eines großflächigen (Einzel-) Handelsbetriebs insbesondere erforderlich, daß er sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien in diese einfügt (§ 34 Abs. 1 BauGB). Danach ist ein Vorhaben unzulässig, wenn es den aus der Umgebung hervorgehenden Rahmen überschreitet, indem es dort kein „Vorbild“ oder keine „Entsprechung“ findet und es zusätzlich geeignet ist, selbst oder infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen und damit „Unruhe“ stiftet (vergleiche BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978, 4 C 30.78, DVBl. 1981, S. 100 f. und Beschluß vom 24. Juli 1993, 4 B 59.93). Ist demnach in der näheren Umgebung noch kein großflächiger Einzelhandelsbetrieb vorhanden und werden bodenrechtliche Spannungen dadurch erzeugt oder verstärkt, daß zum Beispiel durch den zu erwartenden Kundenverkehr Anwohner mit höherem Verkehrslärm belastet werden, führt dies zwingend zur Unzulässigkeit eines großflächigen Einzelhandelsvorhabens. Es ist zu beachten, daß der Ausnahmevorbehalt des § 34 Abs. 3 Satz 1 BauGB Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen können, nicht erfaßt (§ 34 Abs. 3 Satz 2 BauGB).

Die Eigenart der näheren Umgebung äußert sich in Merkmalen, die nur der tatsächlich vorhandenen Bebauung entnommen werden können. Grundstückseigenschaften, die in den optisch wahrnehmbaren Gegebenheiten keinen Niederschlag gefunden haben, haben außer Betracht zu bleiben (BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1990, 4 C 40.87, NVwZ 1991, S. 879 f. und vom 11. Februar 1993, 4 C 15.92, DVBl. 1993, S. 658 ff.). Da der Gesetzgeber dem Bauinteressenten, dessen Vorhaben sich im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt, eine ähnliche Rechtsposition einräumt wie demjenigen, der entsprechend den Festsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans bauen will, ist daneben für die Berücksichtigung weiterer die Zulässigkeit mitbestimmender Planungen kein Raum. Ein Vorhaben, das den Anforderungen des § 34 Abs. 1 BauGB genügt, darf nicht zusätzlich einer Prüfung anhand von Maßstäben unterzogen werden, die einem in der Normenhierarchie nachrangigen Raumordnungsprogramm entnommen sind (BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1993, a. a. O.). Soweit sich ein Vorhaben nach den oben skizzierten Kriterien gemäß § 34 Abs. 1 BauGB einfügt (weil zum Beispiel die nähere Umgebung bereits durch großflächige Einzelshandelseinrichtungen geprägt ist), kann ihm eine etwaige Unvereinbarkeit mit den im Landesentwicklungsplan oder einem Regionalplan festgelegten landesplanerischen Ziel nicht entgegengehalten werden, da solche über die nähere Umgebung hinausgehenden „Fernwirkungen“ bei der Beurteilung des „Einfügens“ im Sinne von § 34 BauGB außer Betracht bleiben. Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung bedürfen der Umsetzung in einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan, um sich auf die Zulässigkeit von Einzelvorhaben auswirken zu können.

Die Ansiedlung einer planungsrechtlich nach § 34 BauGB zulässigen großflächigen Einzelhandelseinrichtung kann nur dadurch verhindert werden, daß die Gemeinde – solange über den Bauantrag noch nicht entschieden wurde – einen Bebauungsplan aufstellt, welcher gegebenenfalls eine Entschädigungspflicht nach § 42 BauGB auslösen kann. Ergänzend hierzu kommt zur Sicherung der Planung der Erlaß einer Veränderungssperre durch die Gemeinde gemäß § 14 BauGB oder – auf Antrag der Gemeinde – die Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 BauGB durch die Baugenehmigungsbehörde in Betracht. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich aus den Zielen der Raumordnung und Landesplanung in Verbindung mit § 1 Abs. 3 und 4 BauGB eine Pflicht der Gemeinde ergibt, den Genehmigungsanspruch im Wege der Erstplanung zu beseitigen (vergleiche BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1993, a. a. O.). Die Aufstellung einer entsprechenden Planung kann gegebenenfalls mit kommunalaufsichtlichen Mitteln (§§ 114 ff. SächsGemO) durchgesetzt werden.

Zur Vermeidung oder Reduzierung etwaiger sich aus § 42 BauGB ergebender Entschädigungsansprüche wird es erforderlich sein, bereits vor dem Vorliegen eines konkreten Baugesuchs Gebiete daraufhin zu überprüfen, ob aufgrund von in der Vergangenheit erfolgten Ansiedlungen von Einzelhandelseinrichtungen ein Zulassungsanspruch für weitere mit den landesplanerischen Vorgaben nicht zu vereinbarenden großflächige Einzelhandelsvorhaben besteht, welcher die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich macht.

5.3
Außenbereich

Vorhaben, welche die Ansiedlung eines Einkaufszentrums oder großflächigen (Einzel-) Handelsbetriebs zum Gegenstand haben, sind als sonstige Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. In Anbetracht der regelmäßig mit ihnen verbundenen vielfältigen (negativen) Auswirkungen (vergleiche Abschnitt 2.3) beeinträchtigen sie zahlreiche öffentliche Belange. Im Gegensatz zu § 34 BauGB kann Außenbereichsvorhaben gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 auch ein Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung und Landesplanung entgegengehalten werden.

Aufgrund der Vielzahl der öffentlichen Belange, welche durch ein großflächiges Einzelhandelsvorhaben im Außenbereich beeinträchtigt werden, kann sich in der Regel auch bei einer Anwendung von § 35 Abs. 4 BauGB (Nutzungsänderungen, Ersatzbauten, Erweiterungen) kein Zulassungsanspruch ergeben, da hierdurch lediglich die dort abschließend aufgeführten öffentlichen Belange nicht entgegengehalten werden können. Im übrigen kommt bei Betrieben nach § 11 Abs. 3 BauNVO eine Anwendung von § 35 Abs. 4 BauGB regelmäßig mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht in Betracht. So stellt zum Beispiel der Ausbau eines bisherigen „Nachbarschaftsladens“ zu einem Betrieb im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO eine Nutzungsänderung dar, welche weder von § 35 Abs. 4 Nr. 1 noch von § 35 Abs. 4 Nr. 6 BauGB erfaßt wird.

5.4
Konzentration mehrerer Betriebe auf engem Raum (Agglomeration)

Ein Problem stellt die Agglomeration kleinerer Betriebe dar, die jeder für sich genommen keine der in § 11 Abs. 3 BauNVO beschriebenen Auswirkungen haben. Die Auswirkungen durch die in der Regel sukzessive Ansiedlung von solchen Einzelhandelsbetrieben können die gleichen sein, wie die von einem unter § 11 Abs. 3 BauNVO fallenden großflächigen Einzelhandelsbetrieb oder einer eindeutig als Einkaufszentrum konzipierten Anlage. Solche Entwicklungen können sowohl in Bebauungsplangebieten als auch im nicht überplanten Innenbereich auftreten. Zu bewältigen sind diese Auswirkungen jedoch nur durch eine entsprechend konsequente Bauleitplanung, die von den Instrumenten des § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO Gebrauch macht (siehe dazu oben, Abschnitt 4.6.3) und eine sachgerechte Begleitung der Vorhabenszulassung durch die Bauaufsichtsbehörde.
Eine summierende Betrachtungsweise mehrerer im zeitlichen Zusammenhang geplanter Einzelhandelsbetriebe oder eines geplanten Einzelhandelsbetriebs in Ergänzung zu mehreren bereits vorhandenen Betrieben ist grundsätzlich nicht zulässig (BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1988, 4 C 34.86). Die Rechtsprechung läßt aber dann eine Ausnahme zu, wenn die Betriebe zusammen entweder die Voraussetzungen für ein Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO oder aber die Anforderungen der Rechtsprechung an eine „Funktionseinheit“ erfüllen das heißt einen Betrieb im bauplanungsrechtlichen Sinne bilden (OVG Münster, Urteil vom 3. November 1988, 11 A 2310/86, NVwZ 1989, S. 676; BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1988, 4 C 34.86).
Nach der Rechtsprechung ist eine Funktionseinheit zwar nicht in jedem Fall anzunehmen, wenn sich neben einem vorhandenen Einzelhandelsbetrieb ein zweiter ansiedelt. Die räumliche Agglomeration einer Mehrzahl von Einzelhandelsbetrieben in gewachsenen und sich fortentwickelnden Versorgungsstrukturen, zumal an integrierten Standorten, soll von der Rechtslage vielmehr gerade geschützt werden. Etwas anderes gilt aber, soweit es darum geht, mögliche Umgehungsformen zu erfassen. Für eine Funktionseinheit wird danach eine planmäßige, auf Dauer angelegte und gemeinschaftlich abgestimmte Teilnahme mehrerer Betriebe am Wettbewerb, wenn sie in dieser Planmäßigkeit und Abgestimmtheit nachhaltig gewährleistet ist, gefordert (organisatorische Zusammensetzung von Betriebsanlagen und Betriebsmitteln zu einem bestimmten Betriebszweck). Insbesondere wenn auch noch die gemeinschaftliche und rationalisierte Nutzung von Betriebseinrichtungen hinzukommt, sieht die Rechtsprechung keinen sachlich zu rechtfertigenden Grund mehr für eine Ungleichbehandlung der Agglomeration im Verhältnis zu Einkaufszentren beziehungsweise großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO.
Darüber hinaus ist bei der Prüfung von Einzelvorhaben durch die Baugenehmigungsbehörde gegebenenfalls zu prüfen, ob ein nach § 30 oder § 34 Abs. 2 BauGB in einem Baugebiet grundsätzlich zulässiger nicht großflächiger Einzelhandelsbetrieb möglicherweise unzulässig nach § 15 BauNVO ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn durch die Häufung einer bestimmten Nutzungsart der Charakter des Baugebiets sich zunehmend wandelt und diese Nutzungsart gegenüber den anderen in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungsarten übermäßig dominiert. So kann in einem Mischgebiet gemäß § 6 BauNVO auch ein unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit liegender Lebensmittelmarkt trotz seiner grundsätzlichen Zulässigkeit nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO unzulässig nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sein, wenn dadurch der Anteil der gewerblichen Nutzung oder der Einzelhandelsflächen in dem Gebiet derart dominant wird, daß der Gebietscharakter verloren geht. Die Anwendung des § 15 BauNVO ist jedoch, wie oben (Abschnitt 5.1) dargelegt, an strenge Voraussetzungen geknüpft und hat, wie Absatz 2 dieser Vorschrift klarstellt, allein nach städtebaulichen Kriterien zu erfolgen. Keinesfalls findet in diesem Zusammenhang eine an Rentabilitätsgesichtspunkten orientierte Bedarfsprüfung für Einzelhandelsbetriebe statt.

5.5
Behandlung befristet genehmigter Vorhaben

Soweit unter den besonderen Umständen der unmittelbaren „Nachwendezeit“ großflächige Einzelhandelsvorhaben mit einer zeitlichen Befristung genehmigt wurden, ist über einen Antrag auf Genehmigung des Weiterbetriebs nach denselben rechtlichen Kriterien zu entscheiden wie bei einer Neuerrichtung. Mit Ablauf einer in der Baugenehmigung festgelegten Frist erlischt der Bestandsschutz, so daß sich die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ausschließlich nach den oben genannten Vorschriften (insbesondere §§ 29 ff. BauGB) richtet. Ist ein Vorhaben danach unzulässig, ist die Baugenehmigung zu versagen. Auch eine Fristverlängerung kommt dann nicht in Betracht.
Wird eine großflächige Einzelhandelseinrichtung trotz Fristablaufs weiter betrieben, ist über eine Nutzungsuntersagung nach § 77 Satz 2 SächsBO zu befinden. Da infolge einer in der Baugenehmigung festgelegten Befristung ein Vertrauensschutz für eine Weiternutzung nach Fristablauf ausscheidet, ist eine Nutzungsuntersagung regelmäßig dann zu verfügen, wenn das Vorhaben nicht genehmigungsfähig ist und auch eine nachträgliche Überplanung der in Anspruch genommenen Fläche zum Beispiel aufgrund entgegenstehender Ziele der Raumordnung und Landesplanung nicht möglich erscheint.

6
Inkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Dresden, den 3. Dezember 1996

Sächsisches Staatsministerium des Innern
Dr. Albrecht Buttolo
Staatssekretär

Sächsisches Staatsministerium
für Umwelt und Landesentwicklung
Dr. Dieter Reinfried
Staatssekretär

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 1997 Nr. 1, S. 9
    Fsn-Nr.: 40-V96.1

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 3. Januar 1997

    Fassung gültig bis: 24. April 2008