1. Navigation
  2. Inhalt
REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern für den Einsatz des Polizeivollzugsdienstes bei größeren Schadensereignissen

Vollzitat: Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern für den Einsatz des Polizeivollzugsdienstes bei größeren Schadensereignissen vom 1. Dezember 1999 (SächsABl. S. 1092)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
für den Einsatz des Polizeivollzugsdienstes bei größeren Schadensereignissen

(Az.: 31-1134.00/314)

Vom 1. Dezember 1999

Bei der Bekämpfung größerer Schadensereignisse kommt dem Einsatz des Polizeivollzugsdienstes besondere Bedeutung zu. Dies gilt sowohl für die Fälle, in denen die Voraussetzungen für die Auslösung von Katastrophen(vor-)alarm nach § 17 oder § 18 des Gesetzes über den Katastrophenschutz im Freistaat Sachsen Sächsisches Katastrophenschutzgesetz –  SächsKatSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. März 1999 (SächsGVBl. S. 145) vorliegen, als auch für die Schadensfälle, die unterhalb der Schwelle einer Katastrophe liegen.

1
Allgemeines
1.1
Anwendungsbereich
 
Diese Verwaltungsvorschrift regelt den Einsatz des Polizeivollzugsdienstes bei größeren Schadensereignissen und grenzt die Zuständigkeiten des Polizeivollzugsdienstes sowie der Polizei- und Katastrophenschutzbehörden beim Vorliegen einer Katastrophe gegeneinander ab.
1.2
Begriffsbestimmungen
1.2.1
Größeres Schadensereignis
 
Ein größeres Schadensereignis ist ein Geschehen, das Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen, erhebliche Sachwerte oder die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung in außergewöhnlichem Maße gefährdet oder schädigt.
1.2.2
Katastrophe
 
Nach § 1 Abs. 2 SächsKatSG ist eine Katastrophe ein Geschehen, welches das Leben, die Gesundheit, die Versorgung einer Vielzahl von Menschen mit lebensnotwendigen Gütern und Leistungen oder die Umwelt oder erhebliche Sachwerte in so außergewöhnlichem Maße gefährdet oder schädigt, dass Hilfe und Schutz wirksam nur gewährt werden können, wenn die zuständigen Behörden und Dienststellen, Organisationen und eingesetzten Kräfte unter der einheitlichen Leitung der Katastrophenschutzbehörde zusammenwirken.
1.3
Zuständigkeiten
 
Die Entscheidung, ob Katastrophenvoralarm oder Katastrophenalarm (§§ 17,18 SächsKatSG) ausgelöst wird, trifft die Katastrophenschutzbehörde. Nach Auslösung des Katastrophen(vor-)alarms treten die Rechtsfolgen des Sächsischen Katastrophenschutzgesetzes ein.
Wenn die zuständige Katastrophenschutzbehörde nicht erreichbar ist, ist nach § 60 Abs. 1 in Verbindung mit § 68 Abs. 2 SächsPolG zunächst die Ortspolizeibehörde sachlich zuständig.
Ist bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der sachlich zuständigen Ortspolizeibehörde nicht möglich, können gemäß § 69 Abs. 1 in Verbindung mit § 66 SächsPolG deren Aufgaben von den in § 66 SächsPolG bezeichneten übergeordneten Polizeibehörden wahrgenommen werden (sogenannte Notzuständigkeit).
2
Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes bei größeren Schadensereignissen
 
Die Aufgaben, die vom Polizeivollzugsdienst beim Einsatz aus Anlass von größeren Schadensereignissen wahrzunehmen sind, führt die Polizeidienstvorschrift (PDV) 100 auf. Sie ergeben sich aus der allgemeinen Verpflichtung zur Abwehr von Gefahren aller Art für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung sowie zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.
Die in der PDV 100 genannten Aufgaben sind deshalb lageangepasst unabhängig von der Auslösung eines Katastrophenvoralarms, wahrzunehmen.
3
Organisation und Aufgaben des Katastrophenschutzes
3.1
Nach § 4 SächsKatSG werden die Aufgaben des Katastrophenschutzes wahrgenommen durch
 
die Landratsämter und die Kreisfreien Städte als untere Katastrophenschutzbehörden,
 
die Regierungspräsidien als höhere Katastrophenschutzbehörden und
 
das Staatsministerium des Innern als oberste Katastrophenschutzbehörde.
 
Sie leiten im Falle einer Katastrophe den Katastropheneinsatz.
3.2
Die zur Mitwirkung im Katastrophenschutz Verpflichteten ergeben sich aus § 9 Abs. 1 SächsKatSG . Zu den in § 9 Abs. 1 Nr. 1 SächsKatSG genannten Verpflichteten gehört auch der Polizeivollzugsdienst.
Der Umfang der Mitwirkung im Katastrophenschutz ergibt sich aus § 9 Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 SächsKatSG .
3.3
Private Hilfsorganisationen wirken nach den Bestimmungen des § 10 SächsKatSG im Katastrophenschutz mit.
3.4
Zu den fachlichen Aufgaben, die im Katastrophenfall wahrzunehmen sind, gehören
 
Brandschutz,
 
Sanitätswesen (Rettungsdienst),
 
ABC-Gefahrenabwehr,
 
Betreuungsdienst,
 
Wasserrettung,
 
Technische Hilfeleistung.
3.5
Der Polizeivollzugsdienst ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SächsKatSG zwar zur Mitwirkung im Katastrophenschutz verpflichtet, aber er gehört bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht zu den Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes (§ 7 SächsKatSG).
4
Aufgaben und Befugnisse der Katastrophenschutzbehörde und des Technischen Leiters des Einsatzes
4.1
Die Aufgaben und Befugnisse ergeben sich aus § 3 SächsKatSG .
4.2
Nach Auslösung eines Katastrophen(vor-)alarms tritt bei der Katastrophenschutzbehörde unter Leitung des Landrats/Oberbürgermeisters der Katastrophenschutzstab zusammen. Dieser leitet den gesamten Katastropheneinsatz und ist insoweit für Verwaltungsmaßnahmen, für organisatorische Maßnahmen zur Leitung des Einsatzes (organisatorische Leitung) und für die Bestellung des Technischen Leiters des Einsatzes verantwortlich (vergleiche § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 1 SächsKatSG).
Während der Dauer des Katastrophen(vor-)alarms kann die Katastrophenschutzbehörde allen nach § 9 SächsKatSG zur Mitwirkung im Katastrophenschutz Verpflichteten, privaten Hilfsorganisationen (§ 10 SächsKatSG) und den eingesetzten Kräften die notwendigen Weisungen erteilen (§ 20 Abs. 2 SächsKatSG). Dazu gehören auch die für das Katastrophengebiet zuständigen Polizeidienststellen.
4.3
Der Technische Leiter des Einsatzes nimmt die Aufgaben und Befugnisse der Katastrophenschutzbehörde am Einsatzort wahr und leitet nach den Weisungen der Katastrophenschutzbehörde die Katastrophenbekämpfung am Einsatzort (§ 21 Abs. 2 SächsKatSG). Der Technische Leiter des Einsatzes soll zu seiner Unterstützung fachlich geeignete Personen hinzuziehen. Ihm unterstehen für die Dauer des Einsatzes alle zur Katastrophenbekämpfung eingesetzten Kräfte sowie Führungs- und Einsatzmittel des Katastrophenschutzes. Sie sind an seine Weisungen gebunden.
4.4
Weisungen der Katastrophenschutzbehörde sind grundsätzlich an die zuständige Polizeidienststelle zu richten.
Soweit Polizeikräfte zur Katastrophenbekämpfung vor Ort eingesetzt sind, sind die Weisungen des Technischen Leiters des Einsatzes an deren Polizeiführer zu richten.
5
Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes bei größeren Schadensereignissen
5.1
Aufgaben der Schutzpolizei
 
Der Schutzpolizei obliegen im Einzelnen insbesondere folgende Aufgaben (vergleiche PDV 100):
 
Räumung und Absperrung der Gefahrenstelle oder des gefährdeten Gebietes;
 
Freimachen und Freihalten von Anmarsch- und Notwegen für Einsatz- und Rettungsfahrzeuge sowie weitere verkehrspolizeiliche Maßnahmen;
 
Gewährleistung eines ungehinderten Einsatzes der Kräfte, Fahrzeuge und Mittel der Fachdienste;
 
Warnung der Bevölkerung vor Gefahren, Lautsprecherdurchsagen;
 
Unterstützung des Einsatzes der zuständigen Behörden und deren Hilfskräfte;
 
Mitwirkung beim Retten und in Sicherheit Bringen gefährdeter Personen;
 
Schutz von geborgenem und in Sicherheit gebrachtem Eigentum vor Plünderungen;
 
Durchführung von Ermittlungen zur Erforschung des Verlaufs und der Ursachen des Schadensereignisses, insbesondere zur Aufklärung einer Straftat beziehungsweise Ordnungswidrigkeit.
5.2
Aufgaben der Kriminalpolizei
 
Die Kriminalpolizei hat insbesondere
 
Todesermittlungsverfahren durchzuführen;
 
Tote und unbekannte hilflose Personen zu identifizieren;
 
den Verbleib von Verletzen und Vermissten festzustellen;
 
Auskünfte über den Verbleib von Personen zu erteilen, die vom Schadensereignis betroffen sind (soweit diese Aufgabe nicht durch von den Katastrophenschutzbehörden gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 SächsKatSG eingerichteten Auskunftsstellen wahrgenommen werden);
 
Ermittlungen zur Erforschung des Verlaufs und der Ursachen des Schadensereignisses, insbesondere zur Aufklärung einer Straftat, durchzuführen;
 
Tatverdächtige und Zeugen festzustellen und Beweise zu sichern.
5.3
Wahrnehmung anderer Aufgaben durch den Polizeivollzugsdienst
 
Neben der Wahrnehmung originärer polizeilicher Aufgaben können als weitere Maßnahmen beispielsweise in Betracht kommen:
 
Rettung, Bergung, Versorgung von Verletzten;
 
technische Unterstützung mit Führungs- und Einsatzmitteln;
 
Evakuierung.
6
Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes bei größeren Schadensereignissen, die sich als Katastrophe im Sinne von § 1 Abs. 2 SächsKatSG darstellen
6.1
Der Polizeivollzugsdienst hat bei einem größeren Schadensereignis, bei welchem nicht auszuschließen ist, dass es eine Katastrophe im Sinne des § 1 Abs. 2 SächsKatSG darstellt oder deren Ausmaß erreichen wird, die Katastrophenschutzbehörde unverzüglich zu unterrichten.
Kann die Katastrophenschutzbehörde nicht erreicht werden, ist die nach § 60 Abs. 1 in Verbindung mit § 68 Abs. 2 SächsPolG zuständige Ortspolizeibehörde zu unterrichten.
Nach der Unterrichtung der Katastrophenschutzbehörde beziehungsweise der Ortspolizeibehörde geht die Verantwortung für weitere Entscheidungen und Maßnahmen auf diese Behörden über.
Die Alarmierung von weiteren Mitgliedern des Katastrophenschutzstabes ist nicht Aufgabe des Polizeivollzugsdienstes.
Die Verpflichtung des Polizeivollzugsdienstes, Fachdienste zur Bekämpfung der Katastrophe oder zur Beseitigung von Katastrophenfolgen zu alarmieren sowie weitere vorläufige Maßnahmen zu treffen, bleibt hiervon unberührt.
6.2
Der Polizeiführer oder ein von ihm Beauftragter hat die Katastrophenschutzbehörde über die getroffenen polizeilichen Einsatzmaßnahmen sowie den Stand der vorläufigen Maßnahmen zur Katastrophenbekämpfung beziehungsweise Beseitigung von Katastrophenfolgen zu unterrichten.
6.3
Nach der Übernahme der Einsatzleitung durch die Katastrophenschutzbehörde entsendet der Polizeivollzugsdienst Verbindungsbeamte in die Katastropheneinsatzleitung; sie haben
 
die Katastropheneinsatzleitung über die polizeiliche Lage zu informieren;
 
zu gewährleisten, dass der Einsatz von Kräften des Polizeivollzugsdienstes mit dem Einsatz der Katastrophenschutzkräfte koordiniert wird und
 
die Katastropheneinsatzleitung in Fragen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beraten.
7
Führungsverhältnisse des Polizeivollzugsdienstes
 
Organisation, Gliederung und Führungsverhältnisse des Polizeivollzugsdienstes bleiben bei einem Einsatz anlässlich eines größeren Schadensereignisses unberührt. Der Polizeivollzugsdienst kann Weisungen von der Katastrophenschutzbehörde, dem Technischen Leiter des Einsatzes und der Staatsanwaltschaft erhalten.
8
Verbindungsbeamte – Kräfteunterstellung
8.1
Zum Katastrophenschutzstab und zur Technischen Einsatzleitung (TEL) sind Verbindungsbeamte des Polizeivollzugsdienstes zu entsenden.
8.2
Beim Einsatz von Polizeikräften zur Bekämpfung von Katastrophen beziehungsweise zur Beseitigung von Katastrophenfolgen als Fachdienst (zum Beispiel ein technischer Zug der Bereitschaftspolizei oder eine geschlossene Einheit mit der Aufgabe der baulichen Verstärkung eines Dammes) sind der Polizeiführer und die ihm nachgeordneten Kräfte dem Technischen Leiter des Einsatzes im Rahmen von dessen Weisungsrecht unterstellt.
9
Information, Kommunikation
 
Den Grundsätzen über die Information und Kommunikation (vergleiche PDV 100) kommt beim Einsatz des Polizeivollzugsdienstes besondere Bedeutung zu.
Nach Auslösung Katastrophen(vor-)alarm ist sicherzustellen, dass der Katastrophenschutzstab und der Technische Leiter des Einsatzes in die umfassende und durchgängige Information und Kommunikation einbezogen werden.
10
Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft
 
Das Verhältnis zur Staatsanwaltschaft erfährt auch bei einem Einsatz anlässlich größerer Schadensereignisse keine Änderung. Das Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Polizeivollzugsdienst bei der Aufklärung von Straftaten besteht ohne Einschränkung neben dem Weisungsrecht der Katastrophenbehörde.
Der Polizeivollzugsdienst hat durch engen Kontakt zum Katastrophenschutzstab und zur Staatsanwaltschaft sicherzustellen, dass gleichzeitig anfallende Aufgaben der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr beziehungsweise der Schadensbeseitigung bewältigt werden können.
11
In-Kraft-Treten
 
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. Dezember 1999 in Kraft.
Die VwV für den Einsatz des Polizeivollzugsdienstes bei größeren Schadensereignissen vom 14. März 1994, zuletzt geändert mit Erlass des SMI, Abt. 3 – LPP – vom 17. April 1998, Az.: 31-1134.0/101, tritt außer Kraft.

Dresden, den 1. Dezember 1999

Sächsisches Staatsministerium des Innern
Groh
Landespolizeipräsident

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 1999 Nr. 51, S. 1092

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 1. Dezember 1999

    Fassung gültig bis: 31. Dezember 2004