Historische Fassung war gültig vom 17.09.2019 bis 31.12.2019

Sächsisches Gesetz
über den Vollzug der Jugendstrafe
(Sächsisches Jugendstrafvollzugsgesetz – SächsJStVollzG)1

Vom 12. Dezember 2007

Rechtsbereinigt mit Stand vom 17. September 2019

Der Sächsische Landtag hat am 12. Dezember 2007 das folgende Gesetz beschlossen:

Teil 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1
Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Jugendstrafe (Vollzug), soweit nicht der Vollstreckungsleiter nach den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes anordnet, dass der Vollzug nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene erfolgt.

§ 2
Ziel und Aufgabe des Vollzugs

1Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. 2Er erfüllt auch die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. 3Dies wird durch eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung sowie sichere Unterbringung und Beaufsichtigung der Gefangenen gewährleistet.

§ 3
Erziehungsauftrag und Vollzugsgestaltung

(1) 1Die Gefangenen sind in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu fördern, dass sie zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte Anderer befähigt werden (Erziehungsauftrag). 2Die Gefangenen sind zur Einsicht in die beim Opfer verursachten Tatfolgen zu erziehen. 3Sie sind zur Ehrfurcht vor allem Lebendigen, zur Nächstenliebe, zum Frieden und zur Erhaltung der Umwelt, zur Heimatliebe, zu sittlichem und politischem Verantwortungsbewusstsein, zu Gerechtigkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des Anderen, zu beruflichem Können, zu sozialem Handeln und zu freiheitlicher demokratischer Haltung zu erziehen.

(2) Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Anstalt (§ 98 Abs. 1 Satz 1) sind an Zielsetzung und Aufgabe des Vollzugs sowie den besonderen Bedürfnissen der Gefangenen auszurichten.

(3) 1Gefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung sind individuell und intensiv zu betreuen, um ihre Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen. 2Soweit standardisierte Maßnahmen nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuelle Maßnahmen zu entwickeln.

(4) 1Das Leben in der Anstalt ist den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich anzugleichen. 2Schädlichen Folgen der Freiheitsentziehung ist entgegenzuwirken. 3Der Vollzug wird von Beginn an darauf ausgerichtet, den Gefangenen bei der Eingliederung in ein Leben in Freiheit ohne Straftaten (Eingliederung) zu helfen. 4Die Belange von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt sowie die Belange der Allgemeinheit sind zu beachten.

(5) Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Gefangenen werden bei der Vollzugsgestaltung und bei Einzelmaßnahmen berücksichtigt.

§ 4
Mitwirkung der Gefangenen

(1) Den Gefangenen obliegt, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken.

(2) Die Bereitschaft der Gefangenen zur Mitwirkung ist durch eine auf Ermutigung zur aktiven Mitwirkung abstellende Vollzugsplanung, Bereitstellung motivierender Lerngelegenheiten und verbindlicher Entwicklungshilfen, Maßnahmen der Belohnung und Anerkennung sowie durch unterstützende und normverdeutlichende Maßnahmen zu wecken und zu fördern.

§ 5
Erziehung und Förderung

(1) 1Erziehung und Förderung erfolgen durch Maßnahmen und Programme zur Entwicklung und Stärkung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gefangenen im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugsziels. 2Durch differenzierte Angebote soll auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Erziehungs- und Förderbedarf der Gefangenen eingegangen werden.

(2) Die Maßnahmen und Programme richten sich insbesondere auf die Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten, deren Ursachen und Folgen, die schulische Bildung, berufliche Qualifizierung, soziale Integration und die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der freien Zeit sowie der Außenkontakte.

§ 6
Stellung der Gefangenen

(1) 1Die Gefangenen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. 2Soweit das Gesetz keine besondere Regelung enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt unerlässlich sind.

(2) 1Vollzugsmaßnahmen sollen den Gefangenen erläutert werden. 2Soweit erforderlich, wird ein Dolmetscher hinzugezogen. 3Mit Zustimmung der beteiligten Gefangenen kann in Ausnahmefällen für die Übersetzung auch eine andere sprachkundige Person tätig werden.

§ 7
Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter

(1) Alle in der Anstalt Tätigen sind verpflichtet, zusammenzuarbeiten und daran mitzuwirken, das Vollzugsziel zu erreichen.

(2) Die Anstalt arbeitet mit Dritten, insbesondere mit der Bewährungshilfe, der Führungsaufsicht, dem Jugendamt einschließlich der Jugendgerichtshilfe, den Schulen und beruflichen Bildungsträgern, zusammen, soweit dies zur Eingliederung erforderlich ist.

(3) 1Die Belange der Personensorgeberechtigten und der Familienangehörigen der Gefangenen sind, soweit dies möglich ist und sie dem Vollzugsziel nicht zuwider laufen, bei der Vollzugsgestaltung zu berücksichtigen. 2Der Erhalt familiärer Bindungen ist zu unterstützen.

§ 8
Soziale Hilfe

1Die Gefangenen werden durch die Anstalt darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Schwierigkeiten zu beheben. 2Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, insbesondere den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wiedergutzumachen und eine Schuldenregulierung herbeizuführen.

Teil 2
Planung des Vollzugs

§ 9
Aufnahme

(1) 1Mit dem Gefangenen wird unverzüglich ein Zugangsgespräch geführt, in dem seine gegenwärtige Lebenssituation erörtert und er über seine Rechte und Pflichten informiert wird. 2Ihm ist die Hausordnung zu erläutern und die Aushändigung eines Exemplars anzubieten. 3Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und veröffentlichten Verwaltungsvorschriften sind dem Gefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.

(2) 1Im Zugangsgespräch ist auch zu klären, ob der Gefangene in seiner Obhut stehende Minderjährige ohne Betreuung und Versorgung zurückgelassen hat. 2In diesem Falle ist unverzüglich das zuständige Jugendamt zu unterrichten.

(3) Beim Zugangsgespräch dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.

(4) Der Gefangene wird unverzüglich ärztlich untersucht.

(5) Den Personensorgeberechtigten und dem Jugendamt wird die Aufnahme unverzüglich mitgeteilt.

(6) Der Gefangene soll dabei unterstützt werden, notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige und die Sicherung seiner Vermögensgegenstände außerhalb der Anstalt zu veranlassen.

§ 10
Diagnoseverfahren

(1) An das Aufnahmeverfahren schließt sich zur Vorbereitung der Vollzugs- und Eingliederungsplanung das Diagnoseverfahren an.

(2) 1Das Diagnoseverfahren muss wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen. 2Insbesondere bei einem Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist es von Personen mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation durchzuführen.

(3) 1Im Diagnoseverfahren wird der Erziehungs- und Förderbedarf der Gefangenen ermittelt. 2Es erstreckt sich auf die Persönlichkeit, die Lebensverhältnisse, die Ursachen und Umstände der Straftat sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung des Gefangenen nach der Entlassung erforderlich ist. 3Neben den Unterlagen aus der Vollstreckung und dem Vollzug vorangegangener Freiheitsentziehungen sind insbesondere auch Erkenntnisse der Jugendgerichts- und Bewährungshilfe sowie aus Sicherheitsanfragen und Fallkonferenzen einzubeziehen.

(4) 1Im Diagnoseverfahren werden die im Einzelfall die Straffälligkeit begünstigenden Faktoren ermittelt. 2Gleichzeitig sollen die Fähigkeiten des Gefangenen ermittelt werden, deren Stärkung einer erneuten Straffälligkeit entgegenwirken kann.

(5) Das Ergebnis des Diagnoseverfahrens wird mit dem Gefangenen erörtert.

§ 11
Vollzugs- und Eingliederungsplanung

(1) 1Auf der Grundlage des Ergebnisses des Diagnoseverfahrens wird ein Vollzugs- und Eingliederungsplan erstellt. 2Er zeigt dem Gefangenen bereits zu Beginn des Vollzugs unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Vollzugsdauer die zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlichen Maßnahmen auf. 3Daneben kann er weitere Hilfsangebote und Empfehlungen enthalten. 4Die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen des Gefangenen sollen einbezogen werden.

(2) 1Der Vollzugs- und Eingliederungsplan wird regelmäßig innerhalb der ersten sechs Wochen nach der Aufnahme erstellt. 2Diese Frist verkürzt sich bei einer voraussichtlichen Vollzugsdauer von unter einem Jahr auf vier Wochen.

(3) 1Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie die darin vorgesehenen Maßnahmen werden regelmäßig alle sechs Monate, spätestens aber alle zwölf Monate überprüft und fortgeschrieben. 2Die Entwicklung des Gefangenen und die in der Zwischenzeit gewonnen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. 3Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.

(4) 1Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung wird mit dem Gefangenen erörtert. 2Dabei werden dessen Anregungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.

(5) 1Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans führt der Anstaltsleiter eine Konferenz mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durch. 2Die Personensorgeberechtigten und Vertreter der Jugendgerichtshilfe können an der Konferenz beteiligt werden; stand der Gefangene vor seiner Inhaftierung unter Bewährung oder Führungsaufsicht, auch der für ihn bislang zuständige Bewährungshelfer. 3Die Teilnahme des Verteidigers ist zu gestatten. 4Die Gefangenen sollen ebenfalls an der Konferenz beteiligt werden. 5Im Falle der Teilnahme wird ihnen der Vollzugs- und Eingliederungsplan eröffnet und erläutert. 6Im Übrigen wird ihnen der Vollzugs- und Eingliederungsplan bekanntgegeben.

(6) 1An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sind nach Möglichkeit in die Planung einzubeziehen, soweit dies zur Eingliederung erforderlich ist. 2Sie können mit Zustimmung des Gefangenen auch an der Konferenz beteiligt werden.

(7) 1Wird der Gefangene nach der Entlassung voraussichtlich unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht gestellt, so ist einem Mitarbeiter der Bewährungshilfe und der Führungsaufsichtsstelle in den letzten zwölf Monaten vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt die Teilnahme an der Konferenz zu ermöglichen. 2Der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen sind zu übersenden.

(8) 1Eine Abschrift des Vollzugs- und Eingliederungsplans und seiner Fortschreibungen wird dem Gefangenen ausgehändigt. 2Sie werden dem Vollstreckungsleiter und auf Verlangen den Personensorgeberechtigten und der Jugendgerichtshilfe mitgeteilt; auf Verlangen werden sie den Personensorgeberechtigten erläutert.

§ 11a
Inhalt des Vollzugs- und Eingliederungsplans

(1) 1Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen enthalten insbesondere folgende Angaben:

1.
Zusammenfassung der für die Vollzugs- und Eingliederungsplanung maßgeblichen Ergebnisse des Diagnoseverfahrens,
2.
voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt,
3.
Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug sowie Vollzug in freien Formen,
4.
Zuweisung zu einer Wohngruppe oder einem anderen Unterkunftsbereich,
5.
Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft,
6.
Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Abteilung und Teilnahme an deren Behandlungsprogrammen,
7.
Teilnahme an einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen, insbesondere psychologische Intervention und Psychotherapie,
8.
Teilnahme an psychiatrischen Behandlungsmaßnahmen,
9.
Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch, einschließlich Suchtberatung,
10.
Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz und familienunterstützende Angebote,
11.
Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen, einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen,
12.
Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining,
13.
Arbeit,
14.
freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung,
15.
Teilnahme an Sportangeboten und Maßnahmen zur strukturierten Gestaltung der Freizeit,
16.
Ausführungen, Außenbeschäftigung,
17.
Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels,
18.
Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von familiären Bindungen und Außenkontakten,
19.
Bildung von Überbrückungsgeld, Schuldnerberatung, Schuldenregulierung und Erfüllung von Unterhaltspflichten,
20.
Ausgleich von Tatfolgen, einschließlich Täter-Opfer-Ausgleich,
21.
Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge und
22.
Frist zur Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans.

2Bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung enthalten der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen darüber hinaus Angaben zu sonstigen Maßnahmen im Sinne des § 3 Absatz 3 Satz 2 dieses Gesetzes und einer Antragstellung im Sinne des § 119a Absatz 2 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2571) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

(2) 1Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 bis 10 und Satz 2, die nach dem Ergebnis des Diagnoseverfahrens als zur Erreichung des Vollzugsziels zwingend erforderlich erachtet werden, sind als solche zu kennzeichnen und gehen allen anderen Maßnahmen vor. 2Auch für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 11 und 12 kann ein Vorrang vor anderen Maßnahmen vorgesehen werden. 3Es ist anzustreben, die Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 im Einvernehmen mit den Gefangenen festzulegen. 4Andere Maßnahmen dürfen nicht gestattet werden, soweit sie die Teilnahme an Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 beeinträchtigen würden.

(3) 1Spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt hat die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung zu beginnen. 2Anknüpfend an die bisherige Vollzugsplanung werden ab diesem Zeitpunkt die Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 21 konkretisiert oder ergänzt. 3Insbesondere ist Stellung zu nehmen zu:

1.
Unterbringung im offenen Vollzug, Übergangseinrichtung,
2.
Unterkunft sowie Arbeit oder Ausbildung nach der Entlassung,
3.
Unterstützung bei notwendigen Behördengängen und der Beschaffung der notwendigen persönlichen Dokumente,
4.
Beteiligung der Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe, Führungsaufsichtsstelle und der forensischen Ambulanzen,
5.
Kontaktaufnahme zu Einrichtungen der Entlassenenhilfe,
6.
Fortsetzung von im Vollzug noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen,
7.
Anregung von Auflagen und Weisungen für die Bewährungs- oder Führungsaufsicht,
8.
Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen und
9.
nachgehende Betreuung durch Vollzugsbedienstete.

§ 12
Verlegung und Überstellung

(1) Ein Gefangener kann, abweichend vom Vollstreckungsplan nach § 110, in eine andere Anstalt verlegt werden, wenn

1.
die Erreichung des Vollzugsziels oder die Eingliederung hierdurch gefördert wird oder
2.
Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe dies erforderlich machen.

(2) Den Personensorgeberechtigten, dem Vollstreckungsleiter, dem Jugendamt und dem Verteidiger wird die Verlegung unverzüglich mitgeteilt.

(3) Ein Gefangener darf aus wichtigem Grund vorübergehend in eine andere Anstalt oder in eine Anstalt des Erwachsenenvollzugs überstellt werden.

§ 13
Geschlossener und offener Vollzug, Vollzug in freien Formen

(1) Die Gefangenen werden im geschlossenen oder offenen Vollzug untergebracht.

(2) 1Ein Gefangener soll im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn er dessen besonderen Anforderungen genügt, insbesondere verantwortet werden kann zu erproben, dass er sich dem Vollzug nicht entziehen und die Möglichkeiten des offenen Vollzugs nicht zur Begehung von Straftaten missbrauchen wird. 2Genügt ein Gefangener den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs nicht mehr, wird er im geschlossenen Vollzug untergebracht. 3§ 86 bleibt unberührt.

(3) 1Der Vollzug kann nach Anhörung des Vollstreckungsleiters in geeigneten Fällen mit Zustimmung des Gefangenen in freien Formen durchgeführt werden. 2Absatz 2 gilt entsprechend.

§ 14
Sozialtherapie

(1) 1Sozialtherapie dient der Verringerung einer erheblichen Gefährlichkeit der Gefangenen. 2Auf der Grundlage einer therapeutischen Gemeinschaft bedient sie sich psychologischer, psychotherapeutischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die in umfassenden Behandlungsprogrammen verbunden werden. 3Personen aus dem Lebensumfeld der Gefangenen außerhalb des Vollzugs werden in die Behandlung einbezogen.

(2) 1Gefangene sind in einer sozialtherapeutischen Abteilung unterzubringen, wenn ihre Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Verringerung ihrer erheblichen Gefährlichkeit angezeigt ist. 2Eine erhebliche Gefährlichkeit liegt vor, wenn schwerwiegende Straftaten gegen Leib oder Leben, die persönliche Freiheit oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu erwarten sind.

(3) Andere Gefangene sollen in einer sozialtherapeutischen Abteilung untergebracht werden, wenn die Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Erreichung des Vollzugsziels angezeigt ist.

(4) 1Die Unterbringung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der entweder den Abschluss der Behandlung zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erwarten lässt oder die Fortsetzung der Behandlung nach der Entlassung ermöglicht. 2Ist Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten, soll die Unterbringung zu einem Zeitpunkt erfolgen, der den Abschluss der Behandlung noch während des Vollzugs der Jugendstrafe erwarten lässt.

(5) Die Unterbringung wird beendet, wenn das Ziel der Behandlung aus Gründen, die in der Person der Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann.

§ 14a
Psychologische Intervention und Psychotherapie

1Psychologische Intervention und Psychotherapie im Vollzug dienen insbesondere der Behandlung psychosozialer Faktoren und psychischer Störungen des Verhaltens und Erlebens, die in einem Zusammenhang mit der Straffälligkeit stehen. 2Sie werden durch systematische Anwendung wissenschaftlich fundierter psychologischer und psychotherapeutischer Methoden mit einem oder mehreren Gefangenen durchgeführt.

§ 15
Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels

(1) Aufenthalte außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht sind insbesondere

1.
das Verlassen der Anstalt für bis zu 24 Stunden in Begleitung einer von der Anstalt zugelassenen Person (begleiteter Ausgang),
2.
das Verlassen der Anstalt für bis zu 24 Stunden ohne Begleitung (unbegleiteter Ausgang),
3.
das Verlassen der Anstalt für mehrere Tage (Langzeitausgang) und
4.
die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt (Freigang).

(2) Die Lockerungen sollen gewährt werden, wenn sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen und verantwortet werden kann zu erproben, dass die Gefangenen sich dem Vollzug der Jugendstrafe nicht entziehen und die Lockerungen nicht zu Straftaten missbrauchen werden.

(3) Durch Lockerungen wird die Vollstreckung der Jugendstrafe nicht unterbrochen.

§ 16
Lockerungen aus sonstigen Gründen

1Lockerungen sollen auch aus wichtigem Anlass gewährt werden, wenn verantwortet werden kann zu erproben, dass die Gefangenen sich dem Vollzug der Jugendstrafe nicht entziehen und die Lockerungen nicht zu Straftaten missbrauchen werden. 2Wichtige Anlässe sind insbesondere die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, die medizinische Behandlung der Gefangenen sowie der Tod oder eine lebensgefährliche Erkrankung naher Angehöriger der Gefangenen. 3§ 15 Abs. 3 gilt entsprechend.

§ 17
Weisungen für Lockerungen

1Für Lockerungen sind die nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen Weisungen zu erteilen. 2Bei der Ausgestaltung der Lockerungen ist nach Möglichkeit auch den Belangen des Opfers der Straftaten Rechnung zu tragen.

§ 18
Ausführung, Außenbeschäftigung, Vorführung, Ausantwortung

(1) 1Den Gefangenen kann das Verlassen der Anstalt unter Aufsicht gestattet werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist (Ausführung). 2Die Gefangenen können auch gegen ihren Willen ausgeführt werden. 3Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse der Gefangenen, können ihnen die Kosten auferlegt werden, soweit dies die Behandlung oder die Eingliederung nicht behindert oder nicht anderweitig unbillig ist.

(2) 1Den Gefangenen kann gestattet werden, außerhalb der Anstalt einer regelmäßigen Beschäftigung unter ständiger Aufsicht oder unter Aufsicht in unregelmäßigen Abständen (Außenbeschäftigung) nachzugehen. 2§ 16 Satz 1 gilt entsprechend.

(3) Auf Ersuchen eines Gerichts werden Gefangene, denen Ausgang nicht gewährt werden kann, vorgeführt.

(4) Gefangene dürfen befristet der Obhut eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft, einer Dienststelle des Polizeivollzugsdienstes oder einer Zoll- oder Finanzbehörde überlassen werden (Ausantwortung).

§ 19
Vorbereitung der Eingliederung

(1) 1Die Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung sind auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung in die Freiheit auszurichten. 2Die Gefangenen sind bei der Ordnung ihrer persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. 3Dies umfasst die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.

(2) 1Durch eine frühzeitige Zusammenarbeit mit Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs soll insbesondere erreicht werden, dass die Gefangenen nach ihrer Entlassung über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen. 2Bewährungshilfe und Führungsaufsichtsstelle beteiligen sich frühzeitig an der sozialen und beruflichen Eingliederung der Gefangenen. 3Den Personensorgeberechtigten und dem Jugendamt wird die bevorstehende Entlassung mitgeteilt.

(3) 1Den Gefangenen können Aufenthalte in Einrichtungen außerhalb des Vollzugs (Übergangseinrichtungen) sowie ein zusammenhängender Langzeitausgang bis zu sechs Monaten gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist. 2Der Vollstreckungsleiter ist vorher anzuhören. 3§ 15 Abs. 2 und 3 und § 17 gelten entsprechend.

(4) 1Zur Vorbereitung der Entlassung soll der Vollzug gelockert werden. 2In einem Zeitraum von sechs Monaten vor der voraussichtlichen Entlassung sind den Gefangenen die zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlichen Lockerungen zu gewähren, sofern nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Gefangenen sich dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die Lockerungen zu Straftaten missbrauchen werden. 3Außerdem sollen Gefangene, die im offenen Vollzug untergebracht sind, heimatnah untergebracht werden.

§ 20
Entlassungszeitpunkt

(1) Die Gefangenen sollen am letzten Tag ihrer Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.

(2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 2. Januar , so können die Gefangenen an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies gemessen an der Dauer der Strafzeit vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen.

(3) Der Entlassungszeitpunkt kann um bis zu zwei Tage vorverlegt werden, wenn dies die Eingliederung des Gefangenen erleichtert.

§ 21
Hilfe zur Entlassung, Nachsorge

(1) 1Zur Vorbereitung der Entlassung ist der Gefangene bei der Ordnung seiner persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. 2Dies umfasst die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen. 3Nachgehende Betreuung kann unter Mitwirkung von Bediensteten erfolgen.

(2) Bedürftigen Gefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.

§ 22
Fortführung von Maßnahmen nach der Entlassung

(1) 1Gefangene können auf Antrag nach ihrer Entlassung ausnahmsweise im Vollzug begonnene Ausbildungs- oder Behandlungsmaßnahmen fortführen, soweit diese nicht anderweitig durchgeführt werden können. 2Hierzu können die Entlassenen vorübergehend in einer Anstalt untergebracht werden, sofern es die Belegungssituation zulässt.

(2) Bei Störung des Anstaltsbetriebes durch einen Entlassenen oder aus vollzugsorganisatorischen Gründen können die Unterbringung und die Maßnahme jederzeit beendet werden.

(3) Erhält der Entlassene Leistungen nach § 19 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2651) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, wird von einer Beteiligung des Entlassenen an den Kosten der Unterbringung abgesehen.

Teil 3
Unterbringung und Versorgung der Gefangenen

§ 23
Trennung von männlichen und weiblichen Gefangenen

1Männliche und weibliche Gefangene werden getrennt untergebracht. 2Eine gemeinsame Unterbringung zum Zweck der medizinischen Behandlung sowie gemeinsame Maßnahmen, insbesondere zur schulischen und beruflichen Qualifizierung, sind zulässig.

§ 24
Unterbringung während der Einschlusszeiten

(1) Die Gefangenen werden in ihren Hafträumen einzeln untergebracht.

(2) Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig

1.
mit Zustimmung der Gefangenen, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind, oder
2.
wenn ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht.

(3) Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.

§ 25
Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten

(1) Außerhalb der Einschlusszeiten dürfen sich die Gefangenen in Gemeinschaft aufhalten.

(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann eingeschränkt werden, wenn

1.
ein schädlicher Einfluss auf andere Gefangene zu befürchten ist,
2.
es die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erfordert oder
3.
dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist.

§ 26
Wohngruppen

1Gefangene werden regelmäßig in Wohngruppen untergebracht. 2In einer Wohngruppe sollen nicht mehr als zwölf Gefangene untergebracht werden.

§ 27
Mütter und Väter mit Kindern

(1) 1Ein Kind kann mit Zustimmung der aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres in einer Anstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter oder sein Vater befindet, wenn dies seinem Wohl entspricht und Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. 2Aus besonderen Gründen kann die Unterbringung auch bis zu einem halben Jahr darüber hinaus erfolgen. 3Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen.

§ 28
Persönlicher Gewahrsam, Kostenbeteiligung

(1) 1Ein Gefangener darf nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der jeweiligen Anstalt oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden. 2Ohne Erlaubnis darf er Gegenstände von geringem Wert von anderen Gefangenen annehmen; die jeweilige Anstalt kann Annahme und Gewahrsam auch dieser Gegenstände von ihrer Erlaubnis abhängig machen.

(2) 1Eingebrachte Sachen, welche der Gefangene nicht in Gewahrsam haben darf, sind für ihn aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. 2Dem Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, seine Sachen, die er während des Vollzugs und für seine Entlassung nicht benötigt, zu verschicken. 3Geld wird ihm als Eigengeld gutgeschrieben.

(3) 1Werden eingebrachte Sachen, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, von den Gefangenen trotz Aufforderung nicht aus der Anstalt verbracht, können diese auf Kosten der Gefangenen aus der Anstalt entfernt, außerhalb der Anstalt verwahrt, verwertet oder vernichtet werden. 2Für die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 29 Abs. 1 und 2 des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1999 (SächsGVBl. S. 466), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 890)“ geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Aufzeichnungen und andere Sachen, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen einer Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

(5) Die Zustimmung nach Absatz 1 kann widerrufen werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, zur Abwendung einer erheblichen Störung der Ordnung in der Anstalt oder zur Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des Vollzugsziels erforderlich ist.

(6) Der Gefangene kann an den Betriebskosten der in seinem Gewahrsam befindlichen Geräte beteiligt werden.

§ 29
Ausstattung des Haftraums

1Die Gefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. 2Sachen, die geeignet sind, das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt zu gefährden, sind ausgeschlossen.

§ 30
Kleidung

(1) 1Die Gefangenen tragen Anstaltskleidung oder eigene Kleidung. 2Näheres regelt der Anstaltsleiter.

(2) Für Reinigung und Instandsetzung eigener Kleidung haben die Gefangenen auf ihre Kosten zu sorgen.

§ 31
Verpflegung und Einkauf

(1) 1Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung hat den besonderen Anforderungen an eine gesunde Ernährung junger Menschen zu entsprechen. 2Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. 3Es soll den Gefangenen ermöglicht werden, Gebote ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) 1Die Gefangenen können aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot einkaufen. 2Die Anstalt soll für ein Angebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt. 3Nahrungs-, Genuss- oder Körperpflegemittel können aus dem Haus- oder Taschengeld, andere Gegenstände in angemessenem Umfang aus dem Haus-, Taschen- oder Eigengeld eingekauft werden.

(3) 1Den Gefangenen kann die Möglichkeit eröffnet werden, unmittelbar oder über Dritte Gegenstände über den Versandhandel zu beziehen. 2Zulassung und Verfahren des Einkaufs über den Versandhandel regelt der Anstaltsleiter.

(4) Gegenstände, die geeignet sind, das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt zu gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen.

(5) 1Einem Gefangenen kann dreimal im Jahr ein weiterer Einkauf von Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemitteln in angemessener Höhe gestattet werden. 2Dazu kann der Gefangene Eigengeld verwenden. 3Dritten kann gestattet werden, zum Zwecke des Einkaufes nach Satz 1 Geld auf das Hausgeldkonto des Gefangenen einzuzahlen.

§ 32
Gesundheitsfürsorge

(1) 1Die Anstalt unterstützt die Gefangenen bei der Wiederherstellung oder Erhaltung ihrer Gesundheit. 2Die Gefangenen haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.

(2) Den Gefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.

(3) Der Nichtraucherschutz ist angemessen zu gewährleisten.

(4) 1Erkranken Gefangene schwer oder versterben sie, werden die nahen Angehörigen in der Regel unverzüglich benachrichtigt. 2Bei minderjährigen Gefangenen werden stets die Personensorgeberechtigten informiert. 3Dem Wunsch der Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

§ 33
Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

(1) 1Medizinische Untersuchung und Behandlung sind ohne Einwilligung der Gefangenen zulässig, um den Erfolg eines Selbsttötungsversuchs zu verhindern. 2Gleiches gilt für eine zwangsweise Ernährung, wenn die Gefangenen mit dem Ziel der Selbsttötung die Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme verweigern. 3Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn von Gefangenen eine Gefahr für die Gesundheit anderer Personen ausgeht.

(2) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind unbeschadet der Rechte der Personensorgeberechtigten zwangsweise auch bei einer Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der Gefangenen zulässig, wenn die Gefangenen auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können und eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahmen gerichtet sind, der Anstalt nicht vorliegt.

(3) 1Zwangsmaßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur angeordnet werden, wenn

1.
erfolglos versucht worden ist, das auf Vertrauen gegründete Einverständnis der Gefangenen zu der Untersuchung, Behandlung oder Ernährung zu erwirken,
2.
die Gefangenen über Notwendigkeit, Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen durch einen Arzt aufgeklärt wurden,
3.
die Maßnahmen zur Abwendung einer Gefahr geeignet und erforderlich sowie nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit der Gefangenen verbunden sind und
4.
der zu erwartende Nutzen der Maßnahmen nicht außer Verhältnis zum Behandlungsrisiko steht und den möglichen Schaden der Nichtbehandlung deutlich überwiegt.

2Bei Fixierungen finden die Bestimmungen in § 71 Absatz 5 sowie in den §§ 74 und 75 Absatz 3 Anwendung.

(4) 1Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung Erster Hilfe für den Fall, dass ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar ist und die Gefahr nach Absatz 1 oder Absatz 2 unmittelbar bevorsteht. 2Die Anordnung bedarf der Zustimmung des Anstaltsleiters. 3Die Personensorgeberechtigten und Verteidiger der Gefangenen sind unverzüglich zu benachrichtigen. 4Die Gründe und die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2, die ergriffenen Maßnahmen einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der Wirkungsüberwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.

(5) 1Anordnungen von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 sind den Gefangenen unverzüglich bekannt zu geben. 2Sie sind darüber zu belehren, dass sie gegen die Anordnung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen können. 3Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zu warten, bis die Gefangenen Gelegenheit hatten, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

(6) 1Bei Gefahr im Verzug finden die Bestimmungen in Absatz 3 Nr. 1 und 2, Absatz 4 Satz 2 sowie Absatz 5 keine Anwendung. 2Die Voraussetzungen nach Absatz 3 Nr. 1 und 2, Absatz 4 Satz 1 bis 3 sowie Absatz 5 Satz 2 sind unverzüglich nachzuholen.

(7) 1Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Fall der Absätze 1 und 2 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. 2Sie bedarf der Anordnung eines Arztes und ist unter dessen Leitung durchzuführen.

§ 34
Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung

(1) Die Gefangenen haben einen Anspruch auf notwendige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit nach dem allgemeinen Standard der gesetzlichen Krankenversicherung.

(2) 1Der Anspruch umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, eine Behinderung auszugleichen oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen, sofern dies mit Rücksicht auf die Dauer des Freiheitsentzugs nicht ungerechtfertigt ist und soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. 2Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. 3Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen besteht nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien. 4Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht nur in medizinisch zwingend erforderlichen Fällen.

(3) An den Kosten für zahntechnische Leistungen und Zahnersatz können volljährige Gefangene beteiligt werden.

(4) Für Leistungen, die über die in Absatz 1 und 2 genannten Leistungen hinausgehen, können den Gefangenen die gesamten Kosten auferlegt werden.

(5) 1Erhalten Gefangene Leistungen nach Absatz 1 infolge einer mutwilligen Selbstverletzung, sind sie in angemessenem Umfang an den Kosten zu beteiligen. 2Die Kostenbeteiligung unterbleibt, wenn hierdurch die Erreichung des Vollzugsziels, insbesondere die Eingliederung der Gefangenen, gefährdet würde.

(6) 1Mit Zustimmung der Gefangenen soll die Anstalt ärztliche Behandlungen, insbesondere Operationen oder prothetische Maßnahmen, durchführen lassen, die die soziale Eingliederung fördern. 2Die Kosten tragen die Gefangenen. 3Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 35
(aufgehoben)

§ 36
Durchführung der medizinischen Leistungen, Krankenbehandlung in besonderen Fällen, Forderungsübergang

(1) Medizinische Diagnose, Behandlung und Versorgung kranker und hilfsbedürftiger Gefangener erfolgen in der Anstalt, erforderlichenfalls in einer hierfür besser geeigneten Anstalt oder einem Vollzugskrankenhaus, ausnahmsweise auch außerhalb des Vollzugs.

(2) 1Während Lockerungen oder des Vollzugs in freien Formen haben die Gefangenen einen Anspruch auf medizinische Leistungen gegen den Freistaat Sachsen in der Regel nur in der für sie zuständigen Anstalt. 2§ 16 bleibt unberührt.

(3) Der Anspruch auf Leistungen nach § 34 ruht, solange Gefangene aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert sind.

(4) Wird die Strafvollstreckung während einer Behandlung von Gefangenen unterbrochen oder beendet, so hat der Freistaat Sachsen nur diejenigen Kosten zu tragen, die bis zur Unterbrechung oder Beendigung der Strafvollstreckung angefallen sind.

(5) 1Gesetzliche Schadensersatzansprüche, die Gefangenen infolge einer Körperverletzung gegen Dritte zustehen, gehen insoweit auf das Land über, als den Gefangenen Leistungen nach § 34 Abs. 1 zu gewähren sind. 2Von der Geltendmachung der Ansprüche ist im Interesse Gefangener abzusehen, wenn hierdurch die Erreichung des Vollzugsziels, insbesondere die Eingliederung, gefährdet würde.

Teil 4
Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining,
schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeit

§ 37
Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining,
schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeit

(1) Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen und Arbeit dienen insbesondere dem Ziel, den Gefangenen Fähigkeiten zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln sowie vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und zu fördern.

(2) Das Zeugnis oder der Nachweis über eine schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahme darf keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

(3) 1Einem Gefangenen soll auf Antrag oder mit seiner Zustimmung Arbeit übertragen werden. 2Sofern den Gefangenen Arbeit übertragen wird, soll diese möglichst deren Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen entsprechen. 3§ 11a Abs. 2 bleibt unberührt. 4Nehmen sie eine Arbeit auf, gelten die von der Anstalt festgelegten Arbeitsbedingungen. 5Die Arbeit darf nicht zur Unzeit niedergelegt werden.

(4) 1Einem Gefangenen, der zum Freigang nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 zugelassen ist, soll gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses oder der Selbstbeschäftigung außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn die Beschäftigungsstelle geeignet ist und nicht überwiegende Gründe des Vollzugs entgegenstehen. 2§ 17 gilt entsprechend. 3Das Entgelt ist der Anstalt zur Gutschrift für die Gefangenen zu überweisen.

(5) 1Hat ein Gefangener ein halbes Jahr lang gearbeitet, so kann er beanspruchen, zehn Arbeitstage von der Arbeit freigestellt zu werden. 2Zeiten, in denen der Gefangene infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert war, werden auf das Halbjahr mit bis zu 15 Arbeitstagen angerechnet. 3Auf die Zeit der Freistellung wird Langzeitausgang nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt. 4Gleiches gilt für einen Langzeitausgang nach § 16, soweit er nicht wegen des Todes oder einer lebensgefährlichen Erkrankung naher Angehöriger erteilt worden ist. 5Der Anspruch verfällt, wenn die Freistellung nicht innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung erfolgt ist. 6Der Gefangene erhält für die Zeit der Freistellung sein Arbeitsentgelt weiter. 7Urlaubsregelungen freier Beschäftigungsverhältnisse bleiben unberührt.

(6) Für arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen gilt Absatz 5 entsprechend, sofern diese Maßnahmen den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erreichen.

Teil 5
Freizeit, Sport

§ 38
Freizeit

1Die Ausgestaltung der Freizeit orientiert sich am Vollzugsziel. 2Dazu sind geeignete Angebote vorzuhalten. 3Gefangene sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten. 4Sie sollen insbesondere am Unterricht, am Fernunterricht, an Lehrgängen und sonstigen Veranstaltungen der Fortbildung, an Freizeitgruppen und Gruppengesprächen teilnehmen und ermutigt werden, eine Bücherei zu benutzen sowie den verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien zu erlernen, soweit dies mit der Sicherheit in der Anstalt vereinbar ist.

§ 39
Sport

Es sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um den Gefangenen eine sportliche Betätigung von mindestens vier Stunden wöchentlich zu ermöglichen.

§ 40
Zeitungen und Zeitschriften

(1) 1Die Gefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. 2Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.

(2) Einzelne Ausgaben einer Zeitung oder Zeitschrift können einem Gefangenen auch vorenthalten werden, wenn deren Inhalte das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erheblich gefährden würden.

§ 41
Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik

(1) 1Der Zugang zum Rundfunk ist zu ermöglichen. 2Er kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Gefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.

(2) 1Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte werden zugelassen, wenn nicht Gründe des § 29 Satz 2 entgegenstehen oder in der Anstalt Mietgeräte oder ein Haftraummediensystem zur Verfügung gestellt werden. 2Ein Ausschluss eigener Geräte nach Satz 1 Alternative 2 und 3 setzt voraus, dass den Gefangenen für den Zugang zu einer Grundversorgung mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk keine Kosten für die Zurverfügungstellung der Geräte berechnet werden. 3Andere Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik können unter den Voraussetzungen von Satz 1 zugelassen werden. 4§ 55b bleibt unberührt.

(3) Die Anstalt kann die Bereitstellung und den Betrieb der Empfangsanlagen, die Bereitstellung, Vermietung oder Ausgabe von Hörfunk- und Fernsehgeräten sowie von anderen Geräten der Informations- und Unterhaltungselektronik einem Dritten gestatten oder übertragen.

§ 42
Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung

(1) Die Gefangenen dürfen in angemessenem Umfang Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung besitzen.

(2) Dies gilt nicht, wenn deren Besitz, Überlassung oder Benutzung das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährden würde.

Teil 6
Religionsausübung

§ 43
Seelsorge

(1) 1Den Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. 2Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger in Verbindung zu treten. 3Die Gefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften besitzen. 4Sie dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

(2) Den Gefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.

§ 44
Religiöse Veranstaltungen

(1) Die Gefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.

(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers dieser Religionsgemeinschaft.

(3) Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 45
Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 43 und 44 entsprechend.

Teil 7
Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche

§ 46
Grundsatz

1Die Gefangenen haben das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren. 2Die Anstalt fördert den Kontakt mit Personen, von denen ein günstiger Einfluss erwartet werden kann.

§ 47
Recht auf Besuch

(1) 1Die Gefangenen dürfen im Monat vier Stunden Besuch empfangen, darüber hinaus zwei weitere Stunden von Angehörigen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches. 2Der jeweilige Anstaltsleiter kann längere Besuchszeiten vorsehen. 3Ausführungen oder Ausgänge, die der Pflege von Kontakten mit Angehörigen und Bezugspersonen dienen, können angerechnet werden.

(2) Besuche, insbesondere die Besuche der Kinder des Gefangenen, sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erziehung des Gefangenen oder seine Eingliederung fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht vom Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung aufgeschoben werden können.

(3) Der Anstaltsleiter kann über Absatz 1 hinausgehend mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) zulassen, wenn dies zur Pflege der familiären, partnerschaftlichen oder ihnen gleichzusetzender Kontakte der Gefangenen geboten erscheint und die Gefangenen hierfür geeignet sind.

(4) Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten, Notaren und Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache und Besuche von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie des Europäischen Parlaments sind zu gestatten.

§ 48
Besuchsverbot

Der Anstaltsleiter kann Besuche untersagen,

1.
wenn die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde,
2.
bei Besuchern, die nicht Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches) des Gefangenen sind, wenn zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf den Gefangenen haben oder seine Eingliederung behindern,
3.
wenn bei minderjährigen Personen, die Opfer der Straftaten waren, zu befürchten ist, dass die Begegnung mit dem Gefangenen einen schädlichen Einfluss auf sie hat, oder
4.
wenn die Personensorgeberechtigten nicht einverstanden sind.

§ 49
Durchführung der Besuche

(1) 1Aus Gründen der Sicherheit in der Anstalt können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher durchsuchen lassen. 2Die Durchsuchung von Verteidigern setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für die Gefährdung der Sicherheit vorliegen.

(2) 1Besuche werden regelmäßig beaufsichtigt. 2Über Ausnahmen entscheidet der Anstaltsleiter. 3Die Beaufsichtigung mit technischen Mitteln ist zulässig, wenn die Besucher und die Gefangenen vor dem Besuch erkennbar darauf hingewiesen werden. 4Eine Aufzeichnung findet nicht statt.

(3) 1Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucher oder Gefangene gegen dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen. 2Besuche dürfen auch abgebrochen werden, wenn von Besuchern ein schädlicher Einfluss auf Gefangene ausgeht.

(4) Gegenstände dürfen beim Besuch nicht übergeben werden.

(5) 1Besuche von Verteidigern und Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache werden nicht beaufsichtigt. 2Nicht beaufsichtigt werden ferner Besuche von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder, des Europäischen Parlaments, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Ausschusses der Vereinten Nationen gegen Folter, des zugehörigen Unterausschusses zur Verhütung von Folter und des entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismus, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, der konsularischen Vertretung der Heimatländer der Gefangenen und der weiteren Einrichtungen, mit denen der Kontakt aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. 3Satz 2 gilt auch für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, den Sächsischen Datenschutzbeauftragten und andere Landesdatenschutzbeauftragte.

(6) 1Eine inhaltliche Überprüfung der von Verteidigern und Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes sowie von Rechtsanwälten und Notaren beim Besuch in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache mitgeführten Schriftstücke, sonstigen Unterlagen und Datenträger ist nicht zulässig; Gleiches gilt beim Besuch von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie des Europäischen Parlaments. 2Abweichend von Absatz 4 dürfen Schriftstücke oder sonstige Unterlagen den Gefangenen von ihrem Verteidiger, Rechtsanwalt und Notar zur Erledigung in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache übergeben werden. 3Bei dem Besuch von Rechtsanwälten oder Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt von der Erlaubnis des Anstaltsleiters abhängig gemacht werden. 4Liegt dem Vollzug eine Straftat nach §129a des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 des Strafgesetzbuches, zugrunde, gelten § 148 Absatz 2 und § 148a der Strafprozessordnung entsprechend; dies gilt nicht, wenn sich die Gefangenen im offenen Vollzug befinden, wenn der Vollzug in freien Formen durchgeführt wird oder wenn ihnen Lockerungen nach § 15 gewährt worden sind und ein Grund, der den Anstaltsleiter zur Aufhebung nach § 13 Absatz 2 und § 86 ermächtigt, nicht vorliegt. 5Satz 4 gilt auch, wenn eine Jugendstrafe oder Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129a des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 des Strafgesetzbuches erst im Anschluss an den Vollzug der Jugendstrafe, der eine Verurteilung wegen einer anderen Straftat zugrunde liegt, zu vollstrecken ist.

(7) Der Anstaltsleiter kann im Einzelfall die Nutzung einer Trennvorrichtung anordnen, wenn dies zum Schutz von Personen oder zur Verhinderung einer Übergabe von Gegenständen erforderlich ist.

§ 50
Überwachung der Gespräche

1Gespräche dürfen nur überwacht werden, soweit es im Einzelfall aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. 2§ 49 Abs. 5 gilt entsprechend. 3§ 111 Abs. 3 Satz 4 bleibt unberührt.

§ 51
Telefongespräche

(1) 1Den Gefangenen kann gestattet werden, Telefongespräche zu führen. 2Die §§ 49 bis 50 gelten entsprechend. 3Darüber hinaus können Telefongespräche mit Personen, die Opfer der Straftaten waren, versagt werden. 4Die Anordnung der Überwachung teilt die Anstalt den Gefangenen rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs und den Gesprächspartnern der Gefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mit.

(2) 1Die Kosten der Telefongespräche tragen die Gefangenen. 2Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

(3) Die Anstalt kann die Bereitstellung und den Betrieb von Telekommunikationsanlagen, die Bereitstellung, Vermietung oder Ausgabe von Telekommunikationsgeräten sowie von anderen Geräten der Telekommunikation einem Dritten gestatten oder übertragen.

(4) 1Innerhalb des Geländes der Anstalten sind der Besitz und die Benutzung von Mobilfunkendgeräten verboten. 2Für den offenen Vollzug kann der Anstaltsleiter abweichende Regelungen treffen.

(5) 1Die Anstalten dürfen technische Geräte

1.
zur Auffindung von Mobilfunkendgeräten,
2.
zur Aktivierung von Mobilfunkendgeräten zum Zwecke der Auffindung und
3.
zur Störung von Frequenzen, die der Herstellung unerlaubter Mobilfunkverbindungen auf dem Anstaltsgelände dienen,

betreiben. 2Sie haben hierbei die von der Bundesnetzagentur gemäß § 55 Abs. 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2230) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, festgelegten Rahmenbedingungen zu beachten. 3Der Mobilfunkverkehr außerhalb des Geländes der Anstalten darf nicht beeinträchtigt werden.

§ 52
Schriftwechsel

(1) Die Gefangenen haben das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen.

(2) 1Die Kosten des Schriftwechsels tragen die Gefangenen. 2Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 53
Untersagung des Schriftwechsels

Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen,

1.
wenn die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde,
2.
bei Personen, die nicht Angehörige der Gefangenen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches sind, wenn zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf die Gefangenen hat oder die Erreichung des Vollzugsziels behindert,
3.
bei minderjährigen Personen, die Opfer der Straftaten waren, wenn zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel mit den Gefangenen einen schädlichen Einfluss auf sie hat, oder
4.
wenn die Personenberechtigten nicht einverstanden sind.

§ 54
Sichtkontrolle, Weiterleitung
und Aufbewahrung von Schreiben

(1) 1Die Gefangenen haben das Absenden und den Empfang von Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist. 2Ein- und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(2) 1Ein- und ausgehende Schreiben werden auf verbotene Gegenstände kontrolliert, in der Regel in Anwesenheit des Gefangenen. 2Der Anstaltsleiter kann abweichende Regelungen treffen.

(3) 1Der Schriftwechsel der Gefangenen mit ihren Verteidigern sowie mit Rechtsanwälten und Notaren in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache wird nicht nach Absatz 2 kontrolliert. 2§ 49 Abs. 6 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(4) 1Nicht nach Absatz 2 kontrolliert werden ferner Schreiben der Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. 2Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, den zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und den entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismus, die Parlamentarische Versammlung des Europarates, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, die konsularische Vertretung ihres Heimatlandes und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. 3Satz 1 gilt auch für den Schriftverkehr mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten und anderen Landesdatenschutzbeauftragten. 4Nicht kontrolliert werden ferner Schreiben der Gefangenen an Gerichte, Staatsanwaltschaften und die Aufsichtsbehörde. 5Schreiben der in den Sätzen 1 bis 3 genannten Stellen, die an die Gefangenen gerichtet sind, werden nicht nach Absatz 2 kontrolliert, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht. 6§ 111 Abs. 3 Satz 4 bleibt unberührt.

(5) 1Die Gefangenen haben eingegangene Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. 2Sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.

§ 55
Überwachung des Schriftwechsels

1Der Schriftwechsel darf nur überwacht werden, soweit es aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. 2§ 54 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

§ 55a
Anhalten von Schreiben

(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten, wenn

1.
die Erreichung des Vollzugsziels oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde,
2.
die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
3.
sie an Opfer der Straftaten gerichtet sind,
4.
sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen oder grobe Beleidigungen enthalten,
5.
sie die Eingliederung anderer Gefangener gefährden können oder
6.
sie in Geheim- oder Kurzschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.

(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die Gefangenen auf dem Absenden bestehen.

(3) 1Sind Schreiben angehalten worden, wird das den Gefangenen mitgeteilt. 2Angehaltene Schreiben werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen nicht angezeigt ist, verwahrt.

(4) Schreiben, deren Kontrolle nach § 54 Abs. 3 und 4 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 55b
Andere Formen der Telekommunikation

1Nach Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes durch die Aufsichtsbehörde kann der Anstaltsleiter den Gefangenen gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. 2Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten entsprechend.

§ 56
Pakete

(1) 1Der Empfang von Paketen mit Nahrungs-, Genuss- oder Körperpflegemitteln ist den Gefangenen nicht gestattet. 2Der Empfang von Paketen mit anderem Inhalt bedarf der Erlaubnis der Anstalt, welche Zeitpunkt und Höchstmenge für die Sendung und für einzelne Gegenstände festsetzen kann. 3Für den Ausschluss von Gegenständen gilt § 31 Abs. 4 entsprechend.

(2) 1Pakete sind zu öffnen und zu durchsuchen, in der Regel in Anwesenheit des Gefangenen. 2Gegenstände, welche die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährden, sind von der Aushändigung an den Gefangenen ausgeschlossen. 3Ausgeschlossene Gegenstände können zur Habe genommen, zurückgesandt oder vernichtet werden.

(3) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.

(4) 1Den Gefangenen kann gestattet werden, auf eigene Kosten Pakete zu versenden. 2Die Anstalt kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt überprüfen. 3Der Versand kann untersagt werden, wenn die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde oder ein schädlicher Einfluss auf Opfer der Straftaten zu befürchten wäre.

Teil 8
Gelder der Gefangenen, Freistellung von der Arbeit

§ 57
Vergütung

(1) Die Gefangenen erhalten eine Vergütung in Form von

1.
finanzieller Anerkennung für die Teilnahme an Maßnahmen nach § 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 bis 10 und Satz 2, soweit sie nach § 11a Abs. 2 für zwingend erforderlich erachtet wurden oder Teil des Behandlungsprogramms der sozialtherapeutischen Abteilung sind und die Gefangenen wegen der Teilnahme an diesen Maßnahmen keine nach den Nummern 2 oder 3 vergütete Maßnahme oder Arbeit ausüben können,
2.
Ausbildungsbeihilfe für die Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen nach § 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 oder
3.
Arbeitsentgelt für arbeitstherapeutische Maßnahmen oder Arbeitstraining nach § 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 oder für Arbeit nach § 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 13.

(2) 1Der Bemessung der Vergütung sind neun Prozent der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973, 2011 I S. 363), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2651) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zugrunde zu legen (Eckvergütung). 2Ein Tagessatz ist der 250. 3Teil der Eckvergütung; die Vergütung kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(3) 1Die Vergütung kann je nach Art der Maßnahme und Leistung der Gefangenen gestuft werden. 2Sie beträgt mindestens 60 Prozent der Eckvergütung. 3Das Staatsministerium der Justiz wird ermächtigt, eine Rechtsverordnung über die Vergütungsstufen nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Soweit Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann vom Arbeitsentgelt oder der Ausbildungsbeihilfe ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Gefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Vergütung als Arbeitnehmer erhielten.

(5) Die Höhe der Vergütung ist den Gefangenen schriftlich bekannt zu geben.

(6) Die Gefangenen, die an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, erhalten hierfür nur eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt besteht, die außerhalb des Vollzugs aus solchem Anlass gewährt werden.

§ 58
(aufgehoben)

§ 59
Taschengeld

(1) 1Gefangenen, die ohne eigenes Verschulden nicht über ausreichendes Arbeitsentgelt oder über ausreichende Ausbildungsbeihilfe verfügen, wird auf Antrag ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls sie bedürftig sind. 2Bedürftig sind Gefangene, soweit ihnen im laufenden Monat aus Hausgeld nach § 60 und Eigengeld nach § 61 nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes zur Verfügung steht. 3Finanzielle Anerkennungen nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 bleiben bis zur Höhe des Taschengeldbetrages unberücksichtigt.

(2) 1Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der Eckvergütung nach § 57 Abs. 2. 2Es kann insbesondere im ersten Monat des Vollzugs im Voraus gewährt werden. 3Gehen den Gefangenen im Falle der Vorauszahlung im Laufe des Monats Gelder zu, wird zum Ausgleich ein Betrag bis zur Höhe des gewährten Taschengeldes einbehalten.

(3) Der Anspruch auf Taschengeld kann für die Dauer von bis zu drei Monaten entfallen, wenn den Gefangenen ein Betrag nach Absatz 1 Satz 2 deshalb nicht zur Verfügung steht, weil sie eine ihnen angebotene zumutbare Arbeit oder Qualifizierungsmaßnahme nicht angenommen haben oder eine ausgeübte Arbeit oder Qualifizierungsmaßnahme verschuldet verloren haben.

(4) 1Die Gefangenen dürfen über das Taschengeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. 2Es wird dem Hausgeldkonto gutgeschrieben.

(5) Leistet ein Gefangener gemeinnützige Arbeit, kann das Taschengeld angemessen erhöht werden.

§ 59a
Konten, Bargeld

(1) Gelder der Gefangenen werden auf Hausgeld- und Eigengeldkonten in der Anstalt geführt.

(2) 1Der Besitz von Bargeld in der Anstalt ist den Gefangenen nicht gestattet. 2Über Ausnahmen entscheidet der Anstaltsleiter.

(3) Geld in Fremdwährung wird zur Habe genommen.

§ 60
Hausgeld

(1) Ein Gefangener darf von seinen in diesem Gesetz geregelten Bezügen sechs Zehntel monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld für den Einkauf nach § 31 Abs. 2 oder anderweitig verwenden.

(2) Für einen Gefangenen, der in einem freien Beschäftigungsverhältnis steht oder dem gestattet ist, einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen, wird aus seinen Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt.

(3) Für Gefangene, die über Eigengeld verfügen und unverschuldet keine Bezüge nach diesem Gesetz erhalten, gilt Absatz 2 entsprechend.

(4) 1Die Gefangenen dürfen über das Hausgeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. 2Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.

§ 61
Eigengeld

(1) Das Eigengeld besteht aus den Beträgen, die die Gefangenen bei Strafantritt in die Anstalt mitbringen und die sie während der Haftzeit erhalten und den Teilen der Vergütung, die nicht als Hausgeld oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden.

(2) 1Die Gefangenen können über das Eigengeld verfügen, soweit dieses nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist. 2§ 31 Abs. 2 bis 5, §§ 60 und 61a bleiben unberührt.

§ 61a
Zweckgebundene Einzahlungen

1Für Maßnahmen der Eingliederung, insbesondere Kosten der Gesundheitsfürsorge und der Aus- und Fortbildung, und für Maßnahmen der Pflege sozialer Beziehungen, insbesondere Telefonkosten und Fahrtkosten anlässlich Lockerungen, kann zweckgebunden Geld eingezahlt werden. 2Das Geld darf nur für diese Zwecke verwendet werden. 3Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.

§ 62
Überbrückungsgeld

(1) 1Den Gefangenen kann gestattet werden, ein Überbrückungsgeld in der Höhe zu bilden, die zur Vorbereitung der Entlassung erforderlich ist. 2Über diese Möglichkeit sind die Gefangenen frühzeitig zu informieren. 3Einmal gebildetes Überbrückungsgeld darf nur gemäß den Absätzen 2 und 3 verwendet werden.

(2) Das Überbrückungsgeld wird den Gefangenen so zur Verfügung gestellt, dass sie darüber vor der Entlassung für Ausgaben zur Entlassungsvorbereitung verfügen können.

(3) Der Anstaltsleiter soll gestatten, dass Gefangene das Überbrückungsgeld zur Entschädigung von Opfern ihrer Straftaten in Anspruch nehmen können.

Teil 9
Sicherheit und Ordnung

§ 63
Grundsatz

(1) Sicherheit und Ordnung in der Anstalt bilden die Grundlage des auf die Erziehung und Förderung aller Gefangenen ausgerichteten Anstaltslebens und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein gewaltfreies Klima herrscht.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt auferlegt werden, müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen die Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 64
Verhaltensvorschriften

(1) 1Die Gefangenen sind für das geordnete Zusammenleben in der Anstalt mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen. 2Ihr Bewusstsein hierfür ist zu entwickeln und zu stärken. 3Die Gefangenen sind zu einvernehmlicher Streitbeilegung zu befähigen.

(2) 1Die Gefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen. 2Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(3) Die Gefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 65
Durchsuchung

(1) 1Die Gefangenen, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. 2Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. 3Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) 1Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. 2Sie darf bei männlichen Gefangenen nicht in Gegenwart von Frauen, bei weiblichen Gefangenen nicht in Gegenwart von Männern erfolgen. 3Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. 4Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) 1Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Anstaltsleiter allgemein anordnen, dass bei der Aufnahme der Gefangenen, vor und nach Kontakten mit Besuchern sowie vor und nach jeder unbeaufsichtigten Abwesenheit von der Anstalt in der Regel eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen ist. 2Dies gilt nicht bei Kontakten mit den in § 49 Abs. 5 genannten Besuchern.

(4) 1Die Anordnung nach Absatz 2 ist zu begründen. 2Durchführung und Ergebnis der Durchsuchungen nach den Absätzen 2 und 3 sind aktenkundig zu machen.

§ 66
Sichere Unterbringung

(1) Ein Gefangener kann in eine Anstalt verlegt werden, die zu seiner sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße Fluchtgefahr gegeben ist oder sonst sein Verhalten oder sein Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt darstellt.

(2) § 12 Abs. 2 gilt entsprechend.

§ 67
(aufgehoben)

§ 68
(aufgehoben)

§ 69
Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch

(1) 1Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt kann der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen, insbesondere den Einsatz geeigneter technischer Verfahren und technischer Mittel, zum Nachweis des Konsums von Suchtmitteln anordnen, um deren Gebrauch festzustellen. 2Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein. 3Abweichend von Satz 2 sind Speicheltests unter Nutzung eines Mundschleimhautabstrichs zulässig. 4Die den Gefangenen entnommenen Körperzellen dürfen nur für Zwecke der der Entnahme zugrundeliegenden Maßnahme verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.

(2) Verweigern Gefangene die Mitwirkung an Maßnahmen nach Absatz 1 ohne hinreichenden Grund, ist davon auszugehen, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist.

(3) Wird verbotener Suchtmittelgebrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahmen den Gefangenen auferlegt werden.

§ 69a
(aufgehoben)

§ 70
Festnahmerecht

1Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden. 2Führt die Verfolgung oder die von der Anstalt veranlasste Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, so sind die weiteren Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zu überlassen.

§ 71
Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Gefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

1.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2.
die Beobachtung der Gefangenen, auch mit optisch-technischen Hilfsmitteln in dafür vorgesehenen Hafträumen,
3.
die Trennung von allen anderen Gefangenen (Absonderung),
4.
die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung.

(3) 1Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung in der Anstalt anders nicht vermieden oder behoben werden kann. 2Maßnahmen nach Absatz 2 Nummer 1 und 3 sind darüber hinaus auch zulässig, wenn Gefangene bei anderen Personen auf Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3a des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes vom 16. Oktober 1992 (SächsGVBl. S. 459), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 890) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, hinwirken.

(4) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person der Gefangenen liegenden Gefahr unerlässlich ist.

(5) 1In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. 2Im Interesse der Gefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. 3Eine Fesselung, durch die die Bewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird (Fixierung), ist nur zulässig, soweit und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr aus medizinischen Gründen unerlässlich ist. 4Für die Fixierung ist ein Gurtsystem zu verwenden. 5Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

(6) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn eine Fluchtgefahr besteht, die das nach Absatz 1 erforderliche Maß nicht erreicht.

§ 72
(aufgehoben)

§ 73
(aufgehoben)

§ 74
Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren

(1) 1Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. 2Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete der Anstalt diese Maßnahmen vorläufig anordnen. 3Die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen. 4Eine nicht nur kurzfristige Fixierung ist auf Antrag des Anstaltsleiters nur aufgrund vorheriger richterlicher Anordnung zulässig. 5Vor der Anordnung der Fixierung ist eine ärztliche Stellungnahme einzuholen, welche die medizinische Notwendigkeit der Fixierung feststellt. 6Bei Gefahr im Verzug können der Anstaltsleiter oder andere Bedienstete der Anstalt die Fixierung vorläufig anordnen; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich einzuholen. 7Wurde die Fixierung vor der richterlichen Entscheidung beendet, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(2) 1Wird ein Gefangener ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet sein seelischer Zustand den Anlass der Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. 2Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(3) 1Die Entscheidung wird dem Gefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst. 2Dies gilt nicht für die Fälle des § 71 Abs. 6. 3Bei einer Fixierung sind die Anordnung und die dafür maßgeblichen Gründe sowie der Verlauf, die Art der Überwachung und die Beendigung zu dokumentieren.

(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.

(5) 1Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 71 Abs. 2 Nr. 3, 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde und auf Antrag des Gefangenen seinem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als 48 Stunden aufrechterhalten werden. 2Eine Fixierung ist unverzüglich mitzuteilen. 3Dem Verteidiger des Gefangenen ist die Fixierung auch ohne Antrag des Gefangenen unverzüglich mitzuteilen. 4Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum von jeweils mehr als 20 Tagen Gesamtdauer innerhalb von zwölf Monaten bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. 5Der Aufsichtsbehörde und auf Antrag des Gefangenen seinem Verteidiger ist die Beobachtung mit optisch-technischen Hilfsmitteln nach § 71 Absatz 2 Nummer 2 unverzüglich mitzuteilen, wenn diese länger als 24 Stunden aufrechterhalten wird.

(6) 1Während der Absonderung, der Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum und der Fixierung sind die Gefangenen in besonderem Maße zu betreuen. 2Sind die Gefangenen über die Absonderung oder die Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum hinaus gefesselt oder sind sie fixiert, sind sie durch einen für diese Maßnahmen besonders geschulten Bediensteten ständig und in unmittelbarem Sichtkontakt zu beobachten.

(7) 1Nach Beendigung der Fixierung sind die Gefangenen in für sie verständlicher Weise auf ihr Recht hinzuweisen, die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Maßnahme gerichtlich überprüfen zu lassen. 2Der Hinweis ist zu dokumentieren.

§ 75
Ärztliche Überwachung

(1) 1Sind Gefangene nach § 71 Abs. 2 Nr. 5 in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder nach § 71 Abs. 2 Nr. 6 gefesselt, sucht sie der Arzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. 2Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transports sowie bei Bewegungen innerhalb der Anstalt.

(2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, sobald die Gefangenen länger als 24 Stunden abgesondert sind.

(3) Während einer Fixierung ist der Gefangene durch einen Arzt zu überwachen.

§ 76
(aufgehoben)

Teil 10
Unmittelbarer Zwang

§ 77
Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln.

(4) Waffen sind die durch die Aufsichtsbehörde zugelassenen Hiebwaffen und Reizstoffe.

§ 78
Allgemeine Voraussetzungen

(1) 1Soweit es zur Durchführung von Vollzugs- oder Sicherungsmaßnahmen erforderlich ist, dürfen Bedienstete unmittelbaren Zwang anwenden. 2Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 3Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 79
(aufgehoben)

§ 80
Androhung

1Unmittelbarer Zwang ist anzudrohen. 2Die Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

Teil 11
Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen

§ 81
Erzieherische Maßnahmen

(1) 1Verstöße der Gefangenen gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. 2Daneben können Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Gefangenen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen (erzieherische Maßnahmen). 3Als erzieherische Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht:

1.
die Erteilung von Weisungen und Auflagen,
2.
die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs und
3.
die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaft oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zur Dauer einer Woche.

(2) Der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.

(3) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in Zusammenhang stehen.

§ 82
Disziplinarmaßnahmen

(1) 1Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn erzieherische Maßnahmen nach § 81 nicht ausreichen, um dem Gefangenen das Unrecht seiner Handlung zu verdeutlichen. 2Zu berücksichtigen ist ferner eine aus demselben Anlass angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme.

(2) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn die Gefangenen rechtswidrig und schuldhaft

1.
andere Personen verbal oder tätlich angreifen,
2.
Lebensmittel oder fremde Sachen zerstören oder beschädigen,
3.
in sonstiger Weise gegen Strafgesetze verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen,
4.
verbotene Gegenstände in die Anstalt einbringen, sich an deren Einbringung beteiligen, sie besitzen oder weitergeben,
5.
unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe konsumieren,
6.
entweichen oder zu entweichen versuchen,
7.
sich übertragenen Aufgaben entziehen oder
8.
wiederholt oder schwerwiegend gegen sonstige Pflichten verstoßen, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, und dadurch das geordnete Zusammenleben in der Anstalt stören.

(3) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

1.
die Beschränkung oder der Entzug des Fernsehempfangs bis zu zwei Monaten,
2.
die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs bis zu zwei Monaten,
3.
die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaft oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu zwei Monaten,
4.
die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu zwei Monaten sowie
5.
die disziplinarische Trennung bis zu zwei Wochen.

(4) Eine disziplinarische Trennung darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(5) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(6) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 83
Vollstreckung der Disziplinarmaßnahmen,
Aussetzung zur Bewährung

(1) 1Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. 2Soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist, soll die Vollstreckung ausgesetzt werden.

(2) 1Für die Dauer der disziplinarischen Trennung werden die Gefangenen getrennt von anderen Gefangenen untergebracht. 2Sie können in einem besonderen Haftraum untergebracht werden. 3Dieser muss den Anforderungen entsprechen, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. 4Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Gefangenen zur Teilnahme an Maßnahmen außerhalb des Raumes, in dem die disziplinarische Trennung vollstreckt wird, und die Befugnisse zur Ausstattung des Haftraums mit eigenen Gegenständen, zum Fernsehempfang und zum Einkauf. 5Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs sind nicht zugelassen. 6Die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst und auf Aufenthalt im Freien bleiben unberührt.

(3) 1Bevor eine disziplinarische Trennung vollstreckt wird, ist ein Arzt zu hören. 2Während der disziplinarischen Trennung stehen die Gefangenen unter ärztlicher Aufsicht. 3Die Vollstreckung unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der Gefangenen gefährdet würde.

(4) Die Verhängung einer disziplinarischen Trennung ist der Aufsichtsbehörde und auf Antrag der Gefangenen ihrem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen, wenn diese länger als 48 Stunden vollstreckt wird.

(5) 1Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. 2Die Aussetzung zur Bewährung kann mit Auflagen oder Weisungen verbunden werden. 3Sie kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Gefangenen die ihr zugrundeliegenden Erwartungen nicht erfüllen.

(6) Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt oder entzogen, wird der vorenthaltene Betrag dem Eigengeld gutgeschrieben.

§ 84
Disziplinarbefugnis

(1) 1Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. 2Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist die aufnehmende Anstalt zuständig.

(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen den Anstaltsleiter richtet.

(3) 1Disziplinarmaßnahmen, die gegen einen Gefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. 2§ 83 Absatz 5 gilt entsprechend.

§ 85
Verfahren

(1) 1Der Sachverhalt ist zu klären. 2Hierbei sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. 3Der betroffene Gefangene wird gehört. 4Er wird darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihm zur Last gelegt werden. 5Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht sich zu äußern. 6Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung des Gefangenen wird vermerkt.

(2) Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.

(3) 1Bei schweren Verfehlungen soll sich der Anstaltsleiter vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die an der Erziehung des Gefangenen mitwirken. 2Die Personensorgeberechtigten und der Verteidiger sind zu benachrichtigen.

(4) Vor der Anordnung von schwerwiegenden Disziplinarmaßnahmen gegen einen Gefangenen, der sich in ärztlicher Behandlung befindet, oder gegen eine Schwangere oder eine stillende Mutter ist ein Arzt zu hören.

(5) 1Vor der Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme erhalten die Gefangenen Gelegenheit, sich zu dem Ergebnis der Ermittlungen und der beabsichtigten Disziplinarmaßnahme zu äußern. 2Die Entscheidung wird dem Gefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

Teil 12
Aufhebung von Maßnahmen

§ 86
Aufhebung von Maßnahmen

(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs richtet sich nach den Absätzen 2 bis 4, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.

(2) Rechtswidrige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft zurückgenommen werden.

(3) Rechtmäßige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn

1.
aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten versagt oder die Anordnungen hätten unterlassen werden können,
2.
die Maßnahmen missbraucht werden oder
3.
Weisungen nicht befolgt werden.

(4) 1Begünstigende Maßnahmen dürfen nach Absatz 2 oder 3 nur aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. 2Davon ist insbesondere auszugehen, wenn eine Maßnahme unerlässlich ist, um die Sicherheit in der Anstalt zu gewährleisten.

(5) Der gerichtliche Rechtsschutz bleibt unberührt.

§ 87
Beschwerderecht

(1) Der Gefangene erhält Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden.

(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass jeder Gefangene sich in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an diese wenden kann.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Teil 13
Kriminologische Forschung

§ 88
Evaluation, kriminologische Forschung

(1) Behandlungsprogramme für die Gefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.

(2) Der Vollzug, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien sowie die Behandlungsprogramme und deren Wirkungen auf das Vollzugsziel, soll regelmäßig durch den kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch eine andere Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden.

Teil 14
Aufbau der Jugendstrafvollzugsanstalt

§ 89
Jugendstrafvollzugsanstalt

(1) 1Die Jugendstrafe wird in Jugendstrafvollzugsanstalten, Teilanstalten oder in getrennten Abteilungen einer Anstalt des Erwachsenenvollzugs (Anstalt) vollzogen. 2Lässt die geringe Anzahl der Gefangenen eine getrennte Unterbringung organisatorisch nicht zu, können Gefangene ausnahmsweise gemeinsam mit nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten untergebracht werden, sofern dadurch das Vollzugsziel nicht gefährdet wird. 3Gemeinsame Aus-, Fortbildungs-, Behandlungs- und Erziehungsmaßnahmen von nach Jugendstrafrecht und nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten sind zulässig. 4Die Gefangenen sind vor schädlichen Einflüssen zu schützen. 5In jedem Fall erfolgt der Vollzug nach diesem Gesetz.

(2) Haft- und Funktionsräume sind zweckentsprechend auszustatten.

(3) Die Abteilungen der Anstalt sollen in Wohngruppen gegliedert sein, zu denen neben den Hafträumen weitere Räume zur gemeinsamen Nutzung gehören.

(4) Es sind Abteilungen für Gefangene vorzusehen, die sich erstmals im Vollzug befinden.

(5) 1Das Staatsministerium der Justiz bestimmt die für den Jugendstrafvollzug in freien Formen zugelassenen Einrichtungen sowie seine nähere Ausgestaltung. 2Während der Unterbringung im Jugendstrafvollzug in freien Formen besteht das Vollzugsverhältnis der Gefangenen zur Jugendstrafvollzugsanstalt fort.

§ 90
Festsetzung der Belegungsfähigkeit,
Verbot der Überbelegung

(1) 1Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung gewährleistet ist. 2Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Aus- und Weiterbildung, Arbeit sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische Maßnahmen und Besuche zur Verfügung steht.

(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Gefangenen als zugelassen belegt werden.

(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

§ 91
Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung, Arbeitsbetriebe

(1) 1Die erforderlichen Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung, arbeitstherapeutischen Beschäftigung und die notwendigen Betriebe für die Arbeit sind vorzusehen. 2Sie sind den Verhältnissen außerhalb der Anstalt anzugleichen.

(2) 1Bildung und Beschäftigung können auch in geeigneten privaten Einrichtungen und Betrieben erfolgen. 2Die technische und fachliche Leitung kann Angehörigen dieser Einrichtungen und Betriebe übertragen werden.

§ 92
Anstaltsleitung

(1) 1Der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Anstalt nach außen. 2Er kann einzelne Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen. 3Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.

(2) 1Für jede Anstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. 2Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.

§ 93
Bedienstete

(1) 1Die Aufgaben der Anstalten werden von Beamten wahrgenommen. 2Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Anstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.

(2) 1Die Anstalten werden mit dem für das Erreichen des Vollzugsziels erforderlichen Personal, unter anderem Sozialarbeitern, Psychologen und Pädagogen, ausgestattet. 2Es muss für die erzieherische Gestaltung des Vollzugs geeignet und qualifiziert sein. 3Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten.

(3) 1Für die Betreuung von Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist besonders qualifiziertes Personal vorzusehen und eine fachübergreifende Zusammenarbeit zu gewährleisten. 2Soweit erforderlich, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.

§ 94
Seelsorger

(1) Die Seelsorger werden im Benehmen mit der Aufsichtsbehörde von der jeweiligen Religionsgemeinschaft bestellt.

(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters darf der Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.

§ 95
Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.

(2) 1Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), das zuletzt durch Artikel 1a des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, besitzen. 2Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 96
Sozialtherapeutische Abteilung

In jeder Jugendstrafvollzugsanstalt soll eine sozialtherapeutische Abteilung eingerichtet werden.

§ 97
Mitverantwortung der Gefangenen

(1) Die Gefangenen sollen an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse beteiligt werden, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für die Mitwirkung der Gefangenen eignen.

(2) Die dafür zu schaffenden Gremien sind nach demokratischen Regeln zu wählen.

(3) 1Mitglieder der Gremien können sich mit Vorschlägen, namentlich zu sozialen Belangen, an den Anstaltsleiter wenden. 2Ausgenommen sind Angelegenheiten, die die Sicherheit oder das Personal betreffen.

(4) Näheres regelt die Aufsichtsbehörde.

§ 98
Hausordnung

1Der Anstaltsleiter erlässt zur Gestaltung und Organisation des Vollzugsalltags eine Hausordnung. 2Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung vorbehalten.

Teil 15
Aufsicht, Beirat

§ 99
Aufsichtsbehörde

(1) Aufsichtsbehörde für die Anstalten ist das Staatsministerium der Justiz.

(2) Es kann sich Entscheidungen über Verlegungen vorbehalten oder sie einer zentralen Stelle übertragen.

§ 100
Vollstreckungsplan

1Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalt in einem Vollstreckungsplan. 2Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.

§ 101
Beirat

(1) 1Bei der Anstalt ist ein Beirat zu bilden. 2Dem Beirat gehören zwei Abgeordnete des Landtages und mindestens ein Vertreter der Kommune oder des Landkreises, in dem die jeweilige Anstalt belegen ist, sowie weitere Personen des öffentlichen Lebens an. 3Die Mitglieder werden von der Aufsichtsbehörde ernannt. 4Dies gilt nicht für die Mitglieder des Landtages, die von diesem benannt werden. 5Bedienstete der Anstalt dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein. 6Die Amtszeit der Mitglieder des Beirats endet mit der Konstituierung des nach Ablauf der Legislaturperiode des Landtags neu zu besetzenden Beirats.

(2) 1Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der Gefangenen beratend mit. 2Sie fördern das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen. 3Sie sind ebenso Ansprechpartner für den Personalrat.

(3) 1Die Mitglieder des Beirats können insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. 2Sie können sich über die Unterbringung, Beschäftigung, berufliche Bildung, Verpflegung, ärztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt besichtigen. 3Sie können die Gefangenen in ihren Räumen aufsuchen. 4Unterhaltung und Schriftwechsel werden nicht überwacht.

(4) 1Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. 2Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

(5) Näheres regelt die Aufsichtsbehörde.

Teil 16
Schlussbestimmungen

§ 102
Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die nachfolgenden Grundrechte aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und aus der Verfassung des Freistaates Sachsen eingeschränkt:

1.
das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
2.
die Freiheit der Person nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
3.
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
4.
das Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 27 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie
5.
das Recht der Freizügigkeit nach Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.

§ 103
Verhältnis zum Bundesrecht

1Dieses Gesetz ersetzt im Freistaat Sachsen § 176 des Strafvollzugsgesetzes. 2Die Regelung über die entsprechende Geltung der Regelungen des Pfändungsschutzes (§ 176 Abs. 4 des Strafvollzugsgesetzes, soweit darin auf § 51 Abs. 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes verwiesen wird) gilt fort.

§ 104
Berichtspflicht

Das Staatsministerium der Justiz berichtet dem Sächsischen Landtag in zweijährigem Abstand zur Lage des Jugendstrafvollzugs in Sachsen.

§ 105
Übergangsbestimmungen

(1) Bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 57 Abs. 3 Satz 3 gilt die Strafvollzugsvergütungsordnung vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57), die durch Artikel 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2894) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, für die Anwendung des § 57 fort.

(2) 1Bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits gebildetes Überbrückungsgeld kann bis zu der sich nach § 62 Abs. 1 Satz 1 ergebenden Höhe nur nach § 62 Abs. 2 und 3 verwendet werden. 2Gefangene, die bereits Überbrückungsgeld in darüber hinaus gehender Höhe gebildet haben, können bis zum 31. Dezember 2008 verlangen, dass der übersteigende Betrag ihrem Eigengeld gutgeschrieben wird.

(3) Für einen bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und des Strafarrests im Freistaat Sachsen sowie zur Änderung weiterer Gesetze bereits erworbenen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit gilt § 58 Abs. 3 bis 8 in der am 31. Mai 2013 geltenden Fassung fort.

§ 106
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.

Dresden, den 12. Dezember 2007

Der Landtagspräsident
Erich Iltgen

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Georg Milbradt

Der Staatsminister der Justiz
Geert Mackenroth