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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV Korruptionsvorbeugung

Vollzitat: VwV Korruptionsvorbeugung vom 21. Mai 2002 (SächsABl. S. 635), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 13. Dezember 2013 (SächsABl. SDr. S. S 802)

Verwaltungsvorschrift

der Sächsischen Staatsregierung
zur Korruptionsvorbeugung in der staatlichen Verwaltung des Freistaates Sachsen
(VwV Korruptionsvorbeugung)

Vom 21. Mai 2002 1

1.
Anwendungsbereich und Anwendungsempfehlung
 
a)
Diese Verwaltungsvorschrift gilt für alle Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen, soweit sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.
 
b)
Die Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift wird den der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie den Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung empfohlen.
2.
Korruption
 
Korruption bezeichnet den Missbrauch einer amtlichen Funktion zur Erlangung eines persönlichen Vorteils oder eines Vorteils für Dritte bei Eintritt eines unmittelbaren oder mittelbaren Schadens für die Allgemeinheit. Korruption meint ebenfalls die Verleitung eines Amtsträgers zu einem solchen Missbrauch. Korruption ist in der Regel strafbar und zieht dienst- oder arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich.
3.
Korruptionsgefährdete Bereiche
 
a)
In den Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen sollen die korruptionsgefährdeten Bereiche festgestellt werden. Korruptionsgefahr besteht insbesondere bei den Aufgaben, die mit zahlreichen Außenkontakten zu Bürgern und der Wirtschaft verbunden sind. Dazu können insbesondere folgende Aufgabengebiete gerechnet werden:
 
 
aa)
Vergabe von Aufträgen,
 
 
bb)
Vergabe von Fördermitteln,
 
 
cc)
Erteilung von Genehmigungen und Konzessionen,
 
 
dd)
Kontrolltätigkeiten mit häufigen Außenkontakten,
 
 
ee)
Festsetzung von Gebühren und anderen Abgaben,
 
 
ff)
Erlass von Verwaltungsakten, die für den Antragsteller von besonderer Bedeutung sind.
 
b)
Erforderlichenfalls sind die einzelnen Aufgabengebiete im Hinblick auf mögliche Korruptionsgefahren einer Risikoanalyse zu unterziehen. Im Rahmen dieser Risikoanalyse sind unter anderem die Arbeitsabläufe, die Handlungs- und Entscheidungsspielräume, die Dienst- und Fachaufsicht sowie interne Kontrollen zu berücksichtigen. Es können die Dienstposten- oder Stellenbeschreibungen und die Aufgabenkataloge herangezogen sowie Gespräche mit Beschäftigten geführt werden.
4.
Ansprechpartner für Anti-Korruption
 
a)
Ansprechpartner für Anti-Korruption ist in der Regel der Dienststellenleiter. Sofern es aufgrund der Größe und der Aufgaben der Behörde sachgerecht erscheint, kann ein Ansprechpartner für Anti-Korruption benannt werden. An diesen können sich Mitarbeiter, die einen Korruptionsverdacht haben oder selbst in eine Korruptionssituation geraten sind, ohne Einhaltung des Dienstweges wenden. Der Ansprechpartner für Anti-Korruption berät ferner Mitarbeiter und Behördenleitung in Fragen der Korruptionsvorbeugung. Die Behörde hat den Ansprechpartner zur Durchführung seiner Aufgaben, insbesondere bei korruptionsverdächtigen Vorfällen, rechtzeitig und umfassend zu informieren.
 
b)
Den Ansprechpartnern für Anti-Korruption sind geeignete Schulungen anzubieten. Werden dem Ansprechpartner Tatsachen bekannt, die bei Beamten den Verdacht eines Dienstvergehens (§ 24 Abs. 1 der Disziplinarordnung für den Freistaat Sachsen [SächsDO] vom 28. Februar 1994 [SächsGVBl. S. 333], zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. November 2001 [SächsGVBl. S. 693]), bei Angestellten denjenigen einer Arbeitspflichtverletzung (§ 8 des Bundesangestelltentarifvertrages – Ost [BAT-O]) rechtfertigen, unterrichtet er die Behördenleitung, die die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen veranlasst. Der Ansprechpartner ist nicht berechtigt, über ihm bekannt gewordene straf- oder disziplinarrechtlich relevante Korruptionssituationen Stillschweigen zu bewahren. Er wird in Disziplinarverfahren wegen Korruption nicht als Vorermittlungs- oder Untersuchungsführer tätig.
 
c)
Im Bedarfsfall können Organisationseinheiten mit Aufgaben der Korruptionsvorbeugung befristet oder auf Dauer betraut werden. Diese Organisationseinheiten erstellen Risikoanalysen, prüfen und kontrollieren stichprobenartig laufende oder abgeschlossene Vorgänge und empfehlen dem Organisationsreferat oder der betroffenen Organisationseinheit geeignete Änderungen.
5.
Verhalten bei Auftreten eines Korruptionsverdachts
 
a)
Die Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen wirken bei der Korruptionsvorbeugung und -bekämpfung zusammen. Liegt ein konkreter Korruptionsverdacht vor, ist der Dienstvorgesetzte oder die für den jeweiligen Geschäftsbereich zuständige oberste Landesbehörde unverzüglich zu unterrichten. Besteht ein konkreter strafrechtlich relevanter Korruptionsverdacht, hat der Dienstvorgesetzte, gegebenenfalls nach Rücksprache mit der vorgesetzten Behörde, diesen Verdacht unmittelbar den Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft und Polizei) zu melden. Dabei ist für eine frühzeitige und umfassende Information Sorge zu tragen.
 
b)
Alle Behörden und Einrichtungen haben die Strafverfolgungsbehörden auf deren Ersuchen hin in ihrer Ermittlungsarbeit, insbesondere bei der Vorbereitung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen zu unterstützen (§ 161 der Strafprozeßordnung [StPO]).
 
c)
Bei verwaltungsinternen Ermittlungen ist darauf zu achten, dass spätere Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden nicht gefährdet werden. Nach Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden obliegt diesen die weitere Aufklärung des Sachverhalts in strafrechtlicher Hinsicht. Die Zuständigkeit für dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahmen bleibt unberührt.
 
d)
Soweit Geheimnisträger betroffen sind, haben die zuständigen Dienstvorgesetzten auch die Geheimschutzbeauftragten zu informieren.
 
e)
Die zuständigen Vorgesetzten haben in Korruptionsfällen umgehend die zur Vermeidung eines drohenden Schadens erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Die rechtzeitige Geltendmachung von Schadensersatz und Entschädigungsansprüchen sowie die Prüfung disziplinar- und arbeitsrechtlicher Folgen sind sicherzustellen.
6.
Dienst- und Fachaufsicht
Zur Korruptionsvorbeugung ist insbesondere in den korruptionsgefährdeten Arbeitsbereichen eine intensivierte Dienst- und Fachaufsicht sowie die Wahrnehmung von Informations- und Beteiligungsrechten durch den Vorgesetzten angezeigt. Bei korruptionsgefährdeten Aufgaben soll grundsätzlich das Vier-Augen-Prinzip angewendet werden, so dass die Vorgänge regelmäßig von mehreren Mitarbeitern bearbeitet oder vom Vorgesetzten kontrolliert werden. Darüber hinaus sollen in korruptionsgefährdeten Aufgabengebieten regelmäßige und stichprobenartige Vorgangskontrollen erfolgen, um die Vollständigkeit der Akten, die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Entscheidungsfindung, insbesondere der Ermessensausübung, zu kontrollieren. Bei der Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht ist auf Indikatoren für korruptes Verhalten Acht zu geben.
7.
Sensibilisierung
Bei Dienstantritt oder Aufnahme der Beschäftigung sind die Bediensteten über den Unrechtsgehalt der Korruption und ihre dienst- und strafrechtlichen Folgen zu belehren. Ihnen ist ein Abdruck dieser Verwaltungsvorschrift und der Hinweise des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken durch die Beschäftigten des Freistaates Sachsen vom 4. Juli 1996 (SächsABl. S. 832), verlängert durch Verwaltungsvorschrift vom 1. Dezember 2001 (SächsABl. S. 1219), gegen eine Empfangsbestätigung auszuhändigen. In Dienstbesprechungen und Mitarbeitergesprächen ist auf die Korruptionsgefahr und typische Erscheinungsformen der Korruption regelmäßig hinzuweisen.
8.
Aus- und Fortbildung
Die Korruptionsvorbeugung ist zum Gegenstand der Aus- und Fortbildung zu machen.
9.
Personalauswahl und Rotation
 
a)
In korruptionsgefährdeten Bereichen ist bei der Auswahl des Personals besondere Sorgfalt anzuwenden.
 
b)
Durch die Begrenzung von Verwendungszeiten in korruptionsgefährdeten Bereichen soll dem Entstehen von korruptionsbegünstigenden engen Beziehungen zwischen Mitarbeitern von Behörden und Bürgern entgegengewirkt werden. Für die Dienstposten mit besonderer Korruptionsgefahr sind die Verwendungszeiten zu begrenzen. Die Dauer der Verwendungszeiten richtet sich nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes und der Qualifikation des vorhandenen Personals.
10.
Vergabeverfahren
 
a)
Zur Korruptionsprävention sind auch die vergaberechtlichen Vorschriften der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB), der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) und der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) einzuhalten. Der Prüfung der Zuverlässigkeit in Vergabeverfahren ist ein besonderer Stellenwert beizumessen. Bei der Verwendung von Antikorruptionsklauseln ist die Möglichkeit der Androhung von Vertragsstrafen angemessen zu berücksichtigen. Die Vertragsstrafe sollte fünf Prozent der Angebotssumme betragen. Kommunale Auftraggeber, die sich zur Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift entschließen, sollten sich bei der Gestaltung von Vergaben nach den Hinweisen zur Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich gemäß der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 23. September 2000 (SächsABl. S. 794) richten.
 
b)
Wirken private Unternehmen, zum Beispiel Architekten- oder Ingenieurbüros, bei der öffentlichen Vergabe von Aufträgen mit, sind die einzelnen Beschäftigten dieser Unternehmen auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten.
 
c)
Legen Indizien den Verdacht auf Preisabsprachen nahe, muss das Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit, Landeskartellbehörde, Referat 15, möglichst rasch eingeschaltet werden. Eine Verzögerung der Vergabe ist zu vermeiden, damit absprachebeteiligte Bieter dadurch nicht gewarnt werden und die beweiskräftigen Unterlagen vorzeitig beseitigen. Die Landeskartellbehörde hat zu prüfen, ob Indizien für eine Straftat nach § 298 des Strafgesetzbuches (StGB) oder für eine Ordnungswidrigkeit nach § 130 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorliegen und entscheidet über das weitere Vorgehen.
11.
In-Kraft-Treten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

 

Dresden, den 21. Mai 2002

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Georg Milbradt

Der Staatsminister des Innern
Horst Rasch

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2002 Nr. 24, S. 635
    Fsn-Nr.: 20-V02.1

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 14. Juni 2002

    Fassung gültig bis: 31. Dezember 2015