Gemeinsame Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums
für Soziales, Gesundheit und Familie
und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
zur gesundheitlichen Betreuung von Asylbewerbern durch die Gesundheitsämter im Freistaat Sachsen
Vom 25. Mai 1992
Die nachfolgende Anweisung enthält Festlegungen über die gesundheitliche Betreuung der Asylbewerber durch die Gesundheitsämter und daraus sich ergebende Verpflichtungen der Zentralen Landesanlaufstelle für Asylbewerber (ZASt), der anderen staatlichen Wohnheime (Sammelunterkünfte) für ausländische Flüchtlinge – beide Institutionen nachstehend als zuständige Stellen bezeichnet – und der Ausländerbehörden.
Aus Gründen des öffentlichen Gesundheitsschutzes wird folgendes festgelegt:
- 1.
- Ärztliche Untersuchung
- 1.1.
- Allgemeines
Jeder Asylbewerber, der in den Freistaat Sachsen einreist, hat sich einer Gesundheitskontrolle durch das zuständige Gesundheitsamt zu unterziehen (§ 62 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
Die Erstuntersuchung obliegt dem für den Sitz der Zentralen Landesanlaufstelle für Asylbewerber zuständigen Gesundheitsamt. - 1.2.
- Aufforderung zur Untersuchung
Der Asylbewerber wird unmittelbar nach seiner Einreise in Sachsen von der Zentralen Landesanlaufstelle für Asylbewerber aufgefordert, sich innerhalb von 48 Stunden vom zuständigen Gesundheitsamt untersuchen zu lassen. Sie teilt dazu dem zuständigen Gesundheitsamt Name, Geburtsdatum, Anschrift und Herkunftsland des Asylbewerbers schriftlich (vorab telefonisch) mit und übersendet bereits vorhandene amtsärztliche Untersuchungsergebnisse in einem verschlossenen Umschlag.
Dem Asylbewerber werden ein Merkblatt über Zweck und Umfang der Untersuchung nach dem Muster der Anlage 1 und bereits ein Fragebogen zur Anamneseerhebung nach dem Muster der Anlage 2 in der jeweiligen Landessprache übergeben. Die Fragen hat der Asylbewerber vor der Arztvorstellung mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten. Der ausgefüllte Fragebogen ist dem Arzt mit der Aufforderung zur Untersuchung zu übergeben. - 1.3.
- Untersuchung
- 1.3.1.
- Die ärztliche Untersuchung erfolgt zum Ausschluß des Vorliegens von übertragbaren Krankheiten, von Ausscheidertum und von akut behandlungsbedürftigen Krankheiten und umfaßt folgende Leistungen:
- Anamneseerhebung:
Erhebung der Eigen-, Familien- und Sozialanamnese unter Nutzung des Fragebogens, insbesondere zur Erfassung des Risikoprofils - Allgemeinärztliche Untersuchung zur Erhebung des Ganzkörperstatus
- Röntgen-Untersuchung der Lunge zum Ausschluß einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose der Atmungsorgane ab 16. Lebensjahr
Tuberkulintestung bei Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres und bei Asylbewerbern, bei denen eine Röntgenuntersuchung nicht angebracht ist (zum Beispiel Schwangere) - klinisch-chemische Laboruntersuchungen
Urin; Eiweiß, Glucose, Sediment
Blut; kleines Blutbild (Haemoglobin, Leucozyten) - serologische Untersuchung ab 14. Lebensjahr auf
• Lues
• Hepatitis Bs-Antigen
• HIV - Stuhluntersuchung
zum Ausschluß weiterer übertragbarer Krankheiten, insbesondere auf Typhus, Paratyphus, Cholera (nur bei epidemischer und/oder klinischer Indikation), Enteritis infectiosa (speziell Salmonellen), Shigellen-Ruhr und Helminthosen (Wurmeier) - Sofern Anhaltspunkte vorliegen, ist die Untersuchung auf das Bestehen weiterer in § 3 Abs. 1 und 2 des Bundesseuchengesetzes aufgeführten Krankheiten sowie auf Suchtkrankheiten auszudehnen.
- Anamneseerhebung:
- 1.3.2.
- Bei Asylbewerbern, die aus einem anderen Bundesland nach Sachsen kommen, sind nur die Untersuchungen durchzuführen, die im Einreiseland noch nicht durchgeführt worden sind. Bei fehlenden Untersuchungsdokumenten bzw. im Zweifelsfall sind Kontrollunersuchungen durchzuführen.
- 1.3.3.
- Bei Änderung des Aufenthaltsortes innerhalb von Sachsen sind von dem jeweils örtlich zuständigen Gesundheitsamt nur die noch nicht durchgeführten Untersuchungen sowie die im Einzelfall erforderlichen Kontrolluntersuchungen vorzunehmen.
- 1.4.
- Dokumentation
Die Untersuchungsergebnisse sind auf dem für Sachsen verbindlichen Untersuchungsbogen für Asylbewerber nach dem Muster der Anlage 3 zu dokumentieren. Bei Änderung des Aufenthaltsortes des Asylbewerbers ist der Untersuchungsbogen nach Abforderung durch die zuständige Unterbringungsbehörde oder das Gesundheitsamt an das für den neuen Aufenthaltsort zuständige Gesundheitsamt weiterzuleiten.
Eine Durchschrift des Untersuchungsbogens verbleibt jeweils bei dem abgebenden Gesundheitsamt.
Der mit der laut 1.3. festgelegten Untersuchung befaßte Arzt des Gesundheitsamtes stellt dem Asylbewerber nach Vorliegen und Bewertung aller klinischen und paraklinischen Untersuchungsergebnisse eine ärztliche Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 4 aus, die der zuständigen Unterbringungsbehörde vorzulegen ist. - 1.5.
- Weitere Informationspflichten
- 1.5.1.
- Sind aufgrund der Untersuchungsergebnisse im Einzelfall Maßnahmen, insbesondere seuchenhygienischer Art, zu treffen, hat das Gesundheitsamt unverzüglich die Zentrale Ausländerbehörde bzw. die Unterbringungsbehörde zu unterrichten und notwendige Maßnahmen zu veranlassen. Erfolgte zwischenzeitlich (zwischen Untersuchung und Befund) eine Änderung des Aufenthaltsortes, ist das nunmehr zuständige Gesundheitsamt umgehend zu informieren.
- 1.5.2.
- Beim Auftreten meldepflichtiger übertragbarer Krankheiten ist nach dem Bundes-Seuchengesetz zu verfahren. Bezüglich der Verpflichtung zur Meldung wird auf die §§ 4 und 5 des Bundes-Seuchengesetzes verwiesen.
- 2.
- Gesundheitliche Beratung
- 2.1.
- Allgemeines
Asylbewerber sind entsprechend ihrer konkreten Situation vom zuständigen Gesundheitsamt im Rahmen der vorbeugenden Gesundheitshilfe zu beraten, insbesondere gilt das für die Beratung in Krankheitsfällen, für die Beratung zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, für die Mütter- und Kinderberatung und für die Beratung Behinderter. - 2.2.
- Schutzimpfungen bei Asylbewerbern
Asylbewerber sind von den Gesundheitsämtern aufzuklären, welche Schutzimpfungen zweckmäßigerweise bei Erwachsenen und besonders bei Kindern durchgeführt werden sollen. Dabei wird generell auf die in Sachsen öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen verwiesen.
Aufgrund der besonderen Risikosituation der Asylbewerber ist insbesondere die BCG-Schutzimpfung für Neugeborene zu empfehlen.
Die Impfungen sind den Asylbewerbern von den Gesundheitsämtern kostenlos anzubieten.
- 3.
- Hygienische Überwachung von Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften
Die zentralen Unterkunftsobjekte für Asylbewerber, die Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber in kommunaler, karitativer oder privater Trägerschaft werden mindestens einmal jährlich durch einen Arzt des Gesundheitsamtes besichtigt. Wenn die hygienischen Verhältnisse es erfordern, hat das Gesundheitsamt weitere Besichtigungen durchzuführen. Dabei ist insbesondere die hygienisch einwandfreie Beschaffenheit der Wohnräume zu überprüfen. Besonderes Augenmerk gilt ferner der Hygiene in Gemeinschaftsküchen, der ordnungsgemäßen Lagerung von Lebensmitteln, der Abfallbeseitigung und den Gemeinschaftstoiletten. Erforderliche seuchenhygienische Maßnahmen sind bei der Leitung der Einrichtung zu veranlassen. Die Regierungspräsidien als höhere Unterbringungsbehörden teilen den Gesundheitsämtern die in deren Zuständigkeitsbereich bestehenden und neu eingerichteten Wohnheime mit.
- 4.
- Anfallende Kosten
- Alle unmittelbaren und mittelbaren Kosten, die im Rahmen von Untersuchungen und Maßnahmen nach Nummer 1.3.1. dieser Vorschrift anfallen, sind von der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) zu tragen.
- 5.
- Inkrafttreten
Diese gemeinsame Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Dresden, den 25. Mai 1992
Der Sächsische Staatsminister
für Soziales, Gesundheit und Familie
Dr. Hans Geisler
Der Staatsminister des Innern
Heinz Eggert
Anlage 1
Merkblatt für Asylbewerber
über die ärztliche Untersuchung durch die Gesundheitsämter
Asylbewerber, die nach Sachsen einreisen, werden vom Gesundheitsamt ärztlich untersucht. Durch die Untersuchung sollen Krankheiten, insbesondere übertragbare Krankheiten, möglichst rasch erkannt und behandelt und Maßnahmen gegen eine Weiterverbreitung ergriffen werden. Die Untersuchung dient damit in erster Linie Ihrem eigenen Interesse, aber auch dem Interesse der Personen, die mit Ihnen in einer Wohngemeinschaft leben.
Die Untersuchung umfaßt eine allgemeine körperliche Untersuchung, eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs, ferner eine Blutuntersuchung auf Lues (Syphilis), auf Virushepatitis und eine Untersuchung auf AIDS-Antikörper.
Soweit der Arzt des Gesundheitsamts Anhaltspunkte für andere Krankheiten feststellt, werden auch Untersuchungen auf solche weiteren Krankheiten durchgeführt, z. B. Stuhluntersuchungen auf Darmkrankheiten und Parasiten.
Wenn es zur Verhinderung der Weiterverbreitung einer übertragbaren Krankheit erforderlich ist, darf das Gesundheitsamt die Untersuchungsergebnisse an andere Stellen weitergeben, insbesondere, wenn Sie Ihren Wohnsitz wechseln, an ein anderes Gesundheitsamt.
In anderen Fällen werden Untersuchungsergebnisse an andere Stellen nur weitergeleitet, wenn Sie damit einverstanden sind. Das Gesundheitsamt geht von Ihrem Einverständnis zur Unterrichtung eines anderen Gesundheitsamtes (zum Beispiel bei Wohnsitzwechsel) aus, wenn eine behandlungsbedürftige Krankheit festgestellt wurde oder wenn noch ergänzende Untersuchungen zur Abklärung Ihres Gesundheitszustandes erforderlich sind. Diese Unterrichtung liegt in Ihrem Interesse.