Gesetz
über die Rechtsstellung und die Befugnisse des Sonderausschusses zur Untersuchung von Amts- und Machtmißbrauch infolge der SED-Herrschaft als Untersuchungsausschuß
Vom 11. Juni 1991
Der Sächsische Landtag hat am 23. Mai 1991 das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird.
§ 1
Rechtsstellung und Befugnisse des Sonderausschusses
(1) Der durch die Beschlüsse des 1. Sächsischen Landtags vom 27. Oktober 1990 (Plenarprotokoll 1/1, S. 29) und vom 21. März 1991 (Plenarprotokoll 1/13, S. 647) eingesetzte Sonderausschuß des 1. Sächsischen Landtags zur Untersuchung von Amts- und Machtmißbrauch infolge der SED-Herrschaft (ständiger Ausschuß) ist im Umfang seines Auftrags gemäß Abschnitt II der Drucksache 1/213 (Anlage zu diesem Gesetz) ein Untersuchungsausschuß im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Sächsischen Landtags vom 12. Februar 1991 (Untersuchungsausschußgesetz [SächsGVBl. S. 29]).
(2) Der Sonderausschuß hat das Recht und auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder die Pflicht, eine im Rahmen seines Auftrags liegende Angelegenheit zum Gegenstand seiner Untersuchung zu machen. Der Antrag muß bei seiner Einreichung die notwendigen Unterschriften der Ausschußmitglieder tragen. Über einen Minderheitenantrag muß der Sonderausschuß auf Verlangen der Antragsteller innerhalb von zwei Wochen nach der Einreichung beschließen.
(3) In dem durch die Absätze 1 und 2 in Verbindung mit den entsprechenden Beschlüssen gezogenen Rahmen gelten §§ 3 Abs. 1 und 2, 4 Abs. 1 Satz 1 und §§ 5 bis 24 des Untersuchungsausschußgesetzes mit den Maßgaben, daß
- 1.
- der Sonderausschuß die Entscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 trifft,
- 2.
- § 6 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 keine Anwendung findet,
- 3.
- in Abweichung von § 10 Abs. 2 Satz 1 die Teilnahme von Mitgliedern der Staatsregierung und ihrer Beauftragten durch Beschluß des Sonderausschusses geregelt wird,
- 4.
- der Sonderausschuß die Entscheidungen nach § 22 Abs. 1 Sätze 2 und 3 trifft,
- 5.
- in § 22 Abs. 1 Satz 4 auf ein Fünftel der Mitglieder des Sonderausschusses abzustellen ist und dabei § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3 des vorliegenden Gesetzes entsprechend gelten.
§ 2
Verfassungsgesetz
Dieses Gesetz ist Verfassungsgesetz im Sinne des § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Sächsischen Landtags und der Sächsischen Landesregierung vom 27. Oktober 1990 (SächsGVBl. S. 1).
§ 3
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Anlage
(zu § 1 Abs. 1)
Drucksache 1/213, Abschnitt II
„Dem Sonderausschuß werden über die Überprüfungen der Abgeordneten und Mitarbeiter des Landtages und der Mitglieder der Staatsregierung auf Zusammenarbeit mit dem ehemaligen MfS/AfNS hinaus folgende Aufgaben zugewiesen:
- 1.
- Exemplarisch an geeigneten Sachbereichen und an Einzelfällen zu untersuchen
- a)
- die politische und moralische Verantwortlichkeit für Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte unter der SED-Herrschaft,
- b)
- die politische und rechtliche Ordnung während der SED-Herrschaft hinsichtlich strukturellen Unrechts,
- c)
- inwieweit dem Volk materieller und anderer Schaden aus den zu a) und b) beschriebenen Verhältnissen sowie aus der Verzahnung der Parteien und Massenorganisationen mit Staat und Wirtschaft entstanden ist.
- Dabei ist zu klären, ab welcher konkreten Position in Partei- und Staatsapparat, Wirtschaft, Massenorganisationen und Kampfgruppen Mitarbeiter als derart in das System der strukturellen Gewalt eingebunden betrachtet werden müssen, daß sie in der Regel als für die Auswirkungen dieses Systems mitverantwortlich angesehen werden müssen.
- 2.
- Dem Landtag über die zu 1) gefundenen Ergebnisse mindestens jährlich zu berichten.“
Dresden, den 11. Juni 1991
Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf
Der Staatsminister der Justiz
Steffen Heitmann