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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Historische Fassung war gültig vom 01.01.2002 bis 30.06.2003

Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über die Einführung der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug

Vollzitat: Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über die Einführung der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug vom 25. März 1994 (SächsJMBl. S. 42), die zuletzt durch die Verwaltungsvorschrift vom 19. August 2004 (SächsJMBl. S. 90) geändert worden ist, zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 2011 (SächsABl. SDr. S. S 1679)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz
über die Einführung der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug
(VVJug)

Vom 25. März 1994

[Geändert durch VwV vom 9. Januar 1998 (n.v), durch VwV vom 10. Juni 1999 (n.v.) und durch Ziffer III der VwV vom 11. Dezember 2001 (SächsJMBl. 2002 S. 2, 13)]

Die bundeseinheitlich mit Wirkung vom 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug (VVJug) werden einschließlich der ab 1. Januar 1989 und ab 1. März 1994 geltenden Änderungen in der folgenden Fassung mit Wirkung vom 1. April 1994 in Kraft gesetzt:

1.
Aufnahmeverfahren

(1) Während des Aufnahmeverfahrens sollen andere Gefangene nicht zugegen sein.

(2) Der Gefangene wird über seine Rechte und Pflichten unterrichtet.

(3) Nach der Aufnahme wird der Gefangene alsbald ärztlich untersucht und dem Leiter der Anstalt oder der Aufnahmeabteilung vorgestellt.

(4) Durch die ärztliche Untersuchung soll der Gesundheitszustand des Gefangenen einschließlich der Körpergröße, des Körpergewichts und des Zustandes des Gebisses festgestellt werden; insbesondere ist zu prüfen, ob der Gefangene vollzugstauglich, ob er ärztlicher Behandlung bedürftig, ob er seines Zustandes wegen anderen gefährlich, ob und in welchem Umfang er arbeitsfähig und zur Teilnahme am Sport tauglich ist und ob gesundheitliche Bedenken gegen die Einzelunterbringung bestehen. Das Ergebnis der Untersuchung ist schriftlich niederzulegen.

2.
Persönlichkeitserforschung. Beteiligung des Gefangenen

(1) Nach dem Aufnahmeverfahren wird damit begonnen, die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse des Gefangenen zu erforschen.

(2) Die Untersuchung erstreckt sich auf die Umstände, deren Kenntnis für einen planvollen Erziehungsvollzug und für die Eingliederung des Gefangenen nach seiner Entlassung notwendig ist.

(3) Die Planung des Vollzuges wird mit dem Gefangenen erörtert.

3.
Vollzugsplan

(1) Auf Grund der Persönlichkeitserforschung (Nr. 2) wird ein Vollzugsplan erstellt.

(2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Erziehungsmaßnahmen:

  1.
die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
  2.
die Zuweisung zu Wohngruppen und Erziehungsgruppen,
  3.
eine schulische Aus- oder Weiterbildung,
  4.
Maßnahmen der beruflichen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung,
  5.
die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung,
  6.
den Arbeitseinsatz,
  7.
besondere Hilfs- und Erziehungsmaßnahmen,
  8.
Teilnahme an Sport und Freizeit,
  9.
Gestaltung der Außenkontakte,
10.
Lockerungen des Vollzuges und Urlaub,
11.
notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

(3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen.

(4) Der Vollzugsplan wird dem Vollstreckungsleiter bekannt gegeben.

4.
Verlegung. Überstellung

(1) Der Gefangene kann abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug der Jugendstrafe zuständige Anstalt verlegt werden,

1.
wenn die Erziehung des Gefangenen oder seine Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert wird oder
2.
wenn dies aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist.

(2) Der Gefangene darf aus wichtigem Grund in eine andere Vollzugsanstalt überstellt werden.

(3) Wichtige Gründe für eine Überstellung sind namentlich

a)
Besuchszusammenführung, wenn ein Besuch in der zuständigen Anstalt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist;
b)
Ausführung und Ausgang am Ort oder in Ortsnähe einer anderen Anstalt;
c)
Vorführung und Ausantwortung am Ort oder in Ortsnähe einer anderen Anstalt;
d)
Begutachtung und ärztliche Untersuchungen;
e)
Teilnahme an befristeten schulischen oder beruflichen Maßnahmen.

(4) Überstellungen sind nur im Einvernehmen mit der aufnehmenden Anstalt zulässig. Dies gilt nicht bei Vorführungen und Ausantwortungen.

(5) Auf begründeten Antrag darf der Gefangene einer Polizeibehörde befristet ausgeantwortet werden.

5.
Offener Vollzug

Ein Gefangener kann in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges untergebracht werden, wenn er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und eine Erprobung verantwortet werden kann.

6.
Lockerungen des Vollzuges

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene

1.
außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder
2.
für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf.

Lockerungen des Vollzuges werden nur zum Aufenthalt innerhalb des Geltungsbereichs des Jugendgerichtsgesetzes gewährt.

(2) Außenbeschäftigung, Freigang und Ausgang dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn eine Erprobung verantwortet werden kann.

(3) Bei der Außenbeschäftigung wird der Gefangene entweder ständig und unmittelbar oder ständig oder in unregelmäßigen Zeitabständen durch einen Vollzugsbediensteten beaufsichtigt.

(4) Freigang kann auch in der Weise angeordnet werden, daß ein Dritter schriftlich verpflichtet wird, die Anstalt unverzüglich zu benachrichtigen, wenn der Gefangene nicht rechtzeitig erscheint, sich ohne Erlaubnis entfernt oder sonst ein besonderer Anlaß (z.B. Erkrankung, Trunkenheit) hierzu besteht.

(5) Die Anstalt überprüft das Verhalten des Gefangenen während des Freiganges in unregelmäßigen Abständen.

(6) Der Anstaltsleiter überträgt die Ausführung des Gefangenen besonders geeigneten Bediensteten.

(7) Vor der Außenbeschäftigung und der Ausführung erteilt er den Bediensteten die nach Lage des Falles erforderlichen Weisungen.

(8) Außenbeschäftigung, Freigang und Ausgang sind ausgeschlossen bei Gefangenen,

a)
gegen die während des laufenden Freiheitsentzuges eine Strafe vollzogen wurde oder zu vollziehen ist, welche wegen in § 74 a Abs. 1 GVG genannter Straftaten von dem Jugendgericht oder gemäß § 74 a GVG i.V.m. § 103 Abs. 2 Satz 2 JGG von der Strafkammer oder gemäß § 120 Abs. 1 und 2 GVG vom Oberlandesgericht im ersten Rechtszug verhängt worden ist,
b)
gegen die Untersuchungs-, Auslieferungs- oder Abschiebungshaft angeordnet ist,
c)
gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung für den Geltungsbereich des Jugendgerichtsgesetzes besteht und die aus der Haft abgeschoben werden sollen,
d)
gegen die eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung oder eine sonstige Unterbringung gerichtlich angeordnet und noch nicht vollzogen ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 Buchstaben a, c und d sind Ausnahmen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig. In den Fällen des Buchstabens a ist die Vollstreckungsbehörde, in den Fällen des Buchstabens d das zuständige Gericht zu hören. In den Fällen des Buchstabens c bedürfen Ausnahmen des Benehmens mit der zuständigen Ausländerbehörde.

(10) Die Lockerungen nach Absatz 8 sind nur zulässig, wenn der Gefangene für diese Maßnahmen geeignet ist, insbesondere eine Erprobung verantwortet werden kann. Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, ob der Gefangene durch sein Verhalten im Vollzug die Bereitschaft gezeigt hat, an der Erreichung des Erziehungszieles mitzuwirken.

(11) Ungeeignet für eine Lockerung nach Absatz 8 sind in der Regel namentlich Gefangene,

a)
die erheblich suchtgefährdet sind,
b)
die während des laufenden Freiheitsentzuges einen Ausbruch unternommen oder sich an einer Gefangenenmeuterei beteiligt haben,
c)
bei denen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß sie während des letzten Urlaubs oder Ausgangs eine strafbare Handlung begangen haben,
d)
gegen die ein Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist,
e)
bei denen zu befürchten ist, daß sie einen negativen Einfluß ausüben werden, insbesondere die Erreichung des Erziehungszieles bei anderen Gefangenen gefährden würden.

(12) Ausnahmen von Absatz 11 können zugelassen werden, wenn besondere Umstände vorliegen; die Gründe hierfür sind aktenkundig zu machen. In den Fällen des Buchstabens d ist die zuständige Behörde zu hören.

(13) Bei Gefangenen, gegen die während des laufenden Freiheitsentzuges eine Strafe wegen grober Gewalttätigkeiten gegen Personen, wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Handels mit Stoffen im Sinne des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln vollzogen wurde oder zu vollziehen ist oder die im Vollzug in den begründeten Verdacht des Handels mit diesen Stoffen oder des Einbringens dieser Stoffe gekommen sind, bedarf die Frage, ob eine Lockerung des Vollzuges zu verantworten ist, besonders gründlicher Prüfung. Dies gilt entsprechend bei Gefangenen, die während des laufenden Freiheitsentzuges entwichen sind, eine Flucht versucht haben oder aus dem letzten Urlaub oder Ausgang nicht freiwillig zurückgekehrt sind bzw. bei Gefangenen, über die Erkenntnisse vorliegen, daß sie der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind.

(14) Die Anordnung einer Lockerung ist aufzuheben, wenn der Gefangene seine Zustimmung zu dieser Maßnahme zurücknimmt.

7.
Ausführung aus besonderen Gründen

(1) Ein Gefangener darf auch ohne seine Zustimmung ausgeführt werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist.

(2) Nr. 6 Abs. 6 und 7 sowie Nr. 30 Abs. 5 und 6 sind zu beachten.

8.
Urlaub aus der Haft

(1) Ein Gefangener kann bis zu einundzwanzig Kalendertagen in einem Jahr aus der Haft beurlaubt werden. Nr. 6 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Gefangenen, die sich für den offenen Vollzug eignen, aus besonderen Gründen aber in einer geschlossenen Anstalt untergebracht sind, kann nach den für den offenen Vollzug geltenden Vorschriften Urlaub erteilt werden.

(3) Durch den Urlaub wird die Vollstreckung der Jugendstrafe nicht unterbrochen.

(4) Urlaub wird nur an einen Ort innerhalb des Geltungsbereichs des Jugendgerichtsgesetzes gewährt.

(5) Der Urlaub kann aufgeteilt werden. Urlaubstage sind alle Kalendertage, auf die sich der Urlaub erstreckt; der Tag, an dem der Gefangene den Urlaub antritt, wird nicht mitgerechnet.

(6) Urlaubsjahr ist das Vollstreckungsjahr. Der Urlaub ist nicht in das nächste Jahr übertragbar. Dies gilt nicht, wenn der Urlaub aus Gründen, die die Vollzugsbehörde zu vertreten hat, nicht rechtzeitig gewährt werden konnte. Auf jeden angefangenen Kalendermonat der voraussichtlichen Vollzugsdauer entfallen im Rahmen der Höchstdauer (Abs. 1 Satz 1) in der Regel nicht mehr als zwei Tage Urlaub. Für Zeiten, in denen der Gefangene für eine Beurlaubung nicht geeignet ist, soll ihm Urlaub in der Regel nicht gewährt werden.

(7) Vom Urlaub ausgeschlossen sind Gefangene,

a)
gegen die während des laufenden Freiheitsentzuges eine Strafe vollzogen wurde oder zu vollziehen ist, welche wegen in § 74 a Abs. 1 GVG genannter Straftaten von dem Jugendgericht oder gemäß § 74 a GVG i.V.m. § 103 Abs. 2 Satz 2 JGG von der Strafkammer oder gemäß § 120 Abs. 1 und 2 GVG vom Oberlandesgericht im ersten Rechtszug verhängt worden ist,
b)
gegen die Untersuchungs-, Auslieferungs- oder Abschiebungshaft angeordnet ist,
c)
gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung für den Geltungsbereich des Jugendgerichtsgesetzes besteht und die aus der Haft abgeschoben werden sollen,
d)
gegen die eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung oder eine sonstige Unterbringung gerichtlich angeordnet und noch nicht vollzogen ist.

(8) In den Fällen des Absatzes 7 Buchstaben a, c und d sind Ausnahmen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig. In den Fällen des Buchstabens a ist die Vollstreckungsbehörde, in den Fällen des Buchstabens d das zuständige Gericht zu hören. In den Fällen des Buchstabens c bedürfen Ausnahmen des Benehmens mit der zuständigen Ausländerbehörde.

(9) Der Urlaub darf nur gewährt werden, wenn der Gefangene für diese Maßnahme geeignet ist, insbesondere eine Erprobung verantwortet werden kann. Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, ob der Gefangene durch sein Verhalten im Vollzug die Bereitschaft gezeigt hat, an der Erreichung des Erziehungszieles mitzuwirken.

(10) Ungeeignet sind in der Regel namentlich Gefangene,

a)
die sich im geschlossenen Vollzug befinden und gegen die bis zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt noch mehr als achtzehn Monate Jugendstrafe zu vollziehen sind,
b)
die erheblich suchtgefährdet sind,
c)
die während des laufenden Freiheitsentzuges einen Ausbruch unternommen oder sich an einer Gefangenenmeuterei beteiligt haben,
d)
bei denen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß sie während des letzten Urlaubs oder Ausgangs eine strafbare Handlung begangen haben,
e)
gegen die ein Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist.

(11) Ausnahmen von Absatz 10 können zugelassen werden, wenn besondere Umstände vorliegen; die Gründe hierfür sind aktenkundig zu machen. In den Fällen des Buchstabens e ist die zuständige Behörde zu hören.

(12) Bei Gefangenen, gegen die während des laufenden Freiheitsentzuges eine Strafe wegen grober Gewalttätigkeiten gegen Personen, wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Handels mit Stoffen im Sinne des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln vollzogen wurde oder zu vollziehen ist oder die im Vollzug in den begründeten Verdacht des Handels mit diesen Stoffen oder des Einbringens dieser Stoffe gekommen sind, bedarf die Frage, ob eine Beurlaubung zu verantworten ist, besonders gründlicher Prüfung. Dies gilt entsprechend bei Gefangenen, die während des laufenden Freiheitsentzuges entwichen sind, eine Flucht versucht haben oder aus dem letzten Urlaub oder Ausgang nicht freiwillig zurückgekehrt sind bzw. bei Gefangenen, über die Erkenntnisse vorliegen, daß sie der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind.

(13) Der Gefangene darf in der Regel nicht in eine soziale Umgebung oder zu Personen beurlaubt werden, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte zu befürchten ist, daß sie seiner Eingliederung entgegenwirken.

(14) Der Gefangene hat seine Urlaubsanschrift anzugeben.

(15) Reisekosten, Lebensunterhalt und andere Aufwendungen während des Urlaubs hat der Gefangene aus Mitteln des Haus- oder Eigengeldes zu tragen. Nr. 43 Abs. 3 gilt entsprechend. Soweit die eigenen Mittel des Gefangenen nicht ausreichen, kann eine Beihilfe für die Urlaubszeit aus staatlichen Mitteln gewährt werden.

(16) Für Art und Umfang einer Beihilfe für die Urlaubszeit gilt Nr. 66 Abs. 1 und 2 entsprechend.

(17) Urlaub wird nur auf Antrag gewährt. Der Antrag soll einen Monat vor Urlaubsbeginn schriftlich gestellt werden.

(18) Die Gründe für die Ablehnung des Antrags sind aktenkundig zu machen und dem Gefangenen bekanntzugeben.

(19) Der beurlaubte Gefangene erhält einen Urlaubsschein. In dem Urlaubsschein sind Weisungen, soweit erforderlich, aufzuführen.

(20) Vor Antritt des Urlaubs ist der Gefangene namentlich über die Voraussetzungen des Widerrufs und der Rücknahme des Urlaubs sowie die Bedeutung der ihm erteilten Weisungen zu belehren.

9.
Weisungen, Aufhebung von Lockerungen und Urlaub

(1) Der Anstaltsleiter erteilt dem Gefangenen für Lockerungen und Urlaub die nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen Weisungen.

(2) Der Gefangene kann namentlich angewiesen werden,

a)
Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt oder bestimmte Verrichtungen außerhalb der Anstalt beziehen,
b)
sich zu festgesetzten Zeiten bei einer bestimmten Stelle oder Person zu melden,
c)
mit bestimmten Personen oder mit Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu verkehren,
d)
bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen, zu benutzen oder verwahren zu lassen,
e)
alkoholische oder andere berauschende Getränke und Stoffe sowie bestimmte Lokale oder Bezirke zu meiden.

(3) Der Anstaltsleiter kann Lockerungen und Urlaub widerrufen, wenn

1.
er aufgrund nachträglich eingetretener Umstände berechtigt wäre, die Maßnahmen zu versagen,
2.
der Gefangene die Maßnahmen mißbraucht oder
3.
der Gefangene Weisungen nicht nachkommt.

Er kann Lockerungen und Urlaub mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen, wenn die Voraussetzungen für ihre Bewilligung nicht vorgelegen haben.

(4) Für das Vorliegen der in Absatz 3 genannten Voraussetzungen müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte gegeben sein.

(5) Widerruf und Rücknahme werden wirksam, wenn die Entscheidung dem Gefangenen mündlich, fernmündlich oder schriftlich bekanntgemacht oder unter der Urlaubsanschrift zugegangen ist. Dem Gefangenen ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ist dies vor der Entscheidung über den Widerruf oder die Rücknahme nicht möglich oder untunlich, so ist die Anhörung nach Wegfall des Hindernisses unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Gründe für den Widerruf und die Rücknahme sind aktenkundig zu machen und dem Gefangenen auf Verlangen bekanntzugeben.

(7) Fahndungsmaßnahmen können bereits vor der Wirksamkeit des Widerrufs oder der Rücknahme eingeleitet und durchgeführt werden.

10.
Entlassungsvorbereitung

(1) Um die Entlassung vorzubereiten, soll der Vollzug gelockert werden (Nr. 6).

(2) Der Gefangene kann in eine offene Anstalt oder Abteilung (Nr. 5) verlegt werden, wenn dies der Vorbereitung der Entlassung dient.

(3) Innerhalb von drei Monaten vor der Entlassung kann zu deren Vorbereitung Sonderurlaub bis zu einer Woche gewährt werden. Nr. 6 Abs. 2, Nr. 8 Abs. 3 und Nr. 9 gelten entsprechend.

4) Freigängern (Nr. 6 Abs. 1 Ziff. 1) kann innerhalb von neun Monaten vor der Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Tagen im Monat gewährt werden. Nr. 6 Abs. 2, Nr. 8 Abs. 3 und Nr. 9 gelten entsprechend. Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung.

(5) Die Entlassungsvorbereitungen sind auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung in die Freiheit abzustellen.

(6) Sonderurlaub im Sinne des Absatzes 3 kann auch im Wiederholungsfalle nur bis zu einer Gesamtdauer von einer Woche gewährt werden. Dies gilt auch, wenn die Entlassung zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt als bei der Bewilligung des Urlaubs angenommen wurde.

(7) Sonderurlaub nach Absatz 4 kann auch einem Gefangenen gewährt werden, der zum Freigang zugelassen ist, ohne ihn auszuüben.

11.
Entlassungszeitpunkt

(1) Der Gefangene soll am letzten Tag seiner Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag entlassen werden.

(2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 2. Januar, so kann der Gefangene an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies nach der Länge der Strafzeit vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen.

(3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tagen vorverlegt werden, wenn dringende Gründe dafür vorliegen, daß der Gefangene zu seiner Eingliederung hierauf angewiesen ist.

(4) Absätze 1 bis 3 gelten auch, wenn

a)
der Gefangene auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung oder auf Grund einer Gnadenmaßnahme vorzeitig zu entlassen ist,
b)
eine Strafe oder eine Ersatzfreiheitsstrafe infolge der Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes überhaupt nicht vollzogen wird.

(5) Soweit es auf die Länge der Strafzeit ankommt, ist die Vorverlegung der Entlassung vertretbar, wenn sich der Gefangene zum Zeitpunkt der beabsichtigten Entlassung wenigstens einen Monat ununterbrochen im Vollzug befindet.

12.
Unterbringung während der Arbeit und Freizeit

(1) Die Gefangenen arbeiten gemeinsam. Dasselbe gilt für Unterricht, Berufsausbildung, berufliche Fortbildung, Umschulung sowie arbeitstherapeutische und sonstige Beschäftigung während der Arbeitszeit.

(2) Während der Freizeit können die Gefangenen sich in der Gemeinschaft mit den anderen aufhalten. Für die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen kann der Anstaltsleiter mit Rücksicht auf die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt besondere Regelungen treffen.

(3) Die gemeinschaftliche Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit kann eingeschränkt werden,

1.
wenn ein schädlicher Einfluß auf andere Gefangene zu befürchten ist,
2.
wenn der Gefangene nach Nr. 2 untersucht wird, aber nicht länger als zwei Monate,
3.
wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert oder
4.
wenn der Gefangene zustimmt.

(4) Die gemeinschaftliche Unterbringung kann ferner eingeschränkt werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist.

(5) Abweichend davon kann die gemeinschaftliche Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit auch eingeschränkt werden, wenn und solange die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern.

13.
Unterbringung während der Ruhezeit

(1) Gefangene werden während der Ruhezeit allein in ihren Hafträumen untergebracht. Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig, sofern ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit eines Gefangenen besteht.

(2) Im offenen Vollzug dürfen Gefangene während der Ruhezeit gemeinsam untergebracht werden, wenn eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist. Im geschlossenen Vollzug ist eine gemeinschaftliche Unterbringung zur Ruhezeit außer in den Fällen des Absatzes 1 nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.

(3) Abweichend davon dürfen Gefangene während der Ruhezeit auch gemeinsam untergebracht werden, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern.

14.
Ausstattung des Haftraums durch den Gefangenen und sein persönlicher Besitz

(1) Der Gefangene darf seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Lichtbilder nahestehender Personen und Erinnerungsstücke von persönlichem Wert werden ihm belassen.

(2) Vorkehrungen und Gegenstände, die die Übersichtlichkeit des Haftraumes behindern oder in anderer Weise Sicherheit und Ordnung der Anstalt oder das Erziehungsziel gefährden, können ausgeschlossen werden.

15.
Kleidung

(1) Der Gefangene trägt Anstaltskleidung. Für die Freizeit erhält er eine besondere Oberbekleidung.

(2) Der Anstaltsleiter gestattet dem Gefangenen bei einer Ausführung eigene Kleidung zu tragen, wenn zu erwarten ist, daß er nicht entweichen wird. Er kann dies auch sonst gestatten, sofern der Gefangene für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt.

(3) In bestimmten Anstalten oder Abteilungen einer Anstalt kann der Anstaltsleiter mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde das Tragen eigener Kleidung allgemein zulassen.

16.
Anstaltsverpflegung

(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Dem Gefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) Der Gefangene erhält Anstaltsverpflegung, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Verpflegung ist für alle Gefangenen gleich, wenn nicht der Anstaltsarzt aus gesundheitlichen Gründen anderes verordnet hat oder mit Rücksicht auf religiöse Speisegebote eine andere Verpflegung angebracht ist.

(3) Die Anstaltsverpflegung soll eine vollwertige Ernährung der Gefangenen nach den Erkenntnissen der modernen Ernährungslehre gewährleisten.

(4) Unterliegt ein Gefangener religiösen Speisegeboten, sollen auf seinen Antrag Bestandteile der Anstaltsverpflegung, die er nicht verzehren darf, gegen andere Nahrungsmittel ausgetauscht werden.

(5) Während der hohen Glaubensfeste anderer als christlicher Religionsgemeinschaften, bei denen besondere Speisegebote zu beachten sind, können die betreffenden Gefangenen auf ihren Antrag und auf ihre Kosten auch von Glaubensgenossen verpflegt werden, sofern wichtige Belange des Vollzuges nicht entgegenstehen.

17.
Einkauf

(1) Der Gefangene kann sich von seinem Hausgeld (Nr. 41) oder von seinem Taschengeld (Nr. 40) aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und Genußmittel sowie Mittel zur Körperpflege kaufen. Die Anstalt soll für ein Angebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt.

(2) Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, können vom Einkauf ausgeschlossen werden. Auf ärztliche Anordnung kann dem Gefangenen der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genußmittel ganz oder teilweise untersagt werden, wenn zu befürchten ist, daß sie seine Gesundheit ernsthaft gefährden. In Krankenhäusern und Krankenabteilungen kann der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genußmittel auf ärztliche Anordnung allgemein untersagt oder eingeschränkt werden.

(3) Verfügt der Gefangene ohne eigenes Verschulden nicht über Haus- oder Taschengeld, wird ihm gestattet, in angemessenem Umfang vom Eigengeld einzukaufen.

(4) Die Bemessung des Betrages für den Einkauf nach Absatz 3 richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dabei sind insbesondere die Höhe des dem Gefangenen bisher zur Verfügung stehenden Hausgeldes, die Höhe des noch anzusparenden Überbrückungsgeldes, besondere persönliche Bedürfnisse (z.B. wegen Krankheit oder Behinderung) und der Wert der beim Zugang belassenen oder ihm von Dritten zugewendeten Nahrungs- und Genußmittel zu berücksichtigen.

(5) Können hinreichende Feststellungen nach Absatz 4 nicht getroffen werden, so wird dem Gefangenen gestattet, im Monat einen Betrag bis zum sechsfachen, nach sechs Monaten bis zum zehnfachen Tagessatz der Eckvergütung (Nr. 38 Abs. 1) aus seinem Eigengeld zu verwenden.

(6) Der Einkauf alkoholhaltiger Getränke ist nicht gestattet. Der Einkauf von Tabakwaren, Kaffee und Tee kann beschränkt werden.

(7) Für den Einkauf sonstiger Gegenstände, deren Besitz in der Anstalt gestattet ist, kann der Gefangene sein Hausgeld, sein Taschengeld und sein Eigengeld verwenden. Der Einkauf aus seinem Eigengeld kann aus erzieherischen Gründen ausgeschlossen oder der Höhe nach beschränkt werden.

(8) Nr. 74 Abs. 2 Satz 3 bleibt unberührt.

18.
Grundsatz

(1) Der Gefangene hat das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen dieser Vorschriften zu verkehren. Der Verkehr mit Personen, von denen ein günstiger Einfluß erwartet werden kann, ist zu fördern.

19.
Recht auf Besuch

(1) Der Gefangene darf regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens eine Stunde im Monat. Das weitere regelt die Hausordnung.

(2) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erziehung oder Eingliederung des Gefangenen fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht vom Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung des Gefangenen aufgeschoben werden können.

(3) Aus Gründen der Sicherheit kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, daß sich der Besucher durchsuchen läßt.

(4) Jeder Besucher muß sich über seine Person ausweisen. Hiervon kann abgesehen werden, wenn der Besucher bereits bekannt ist.

(5) Der Besuch kann davon abhängig gemacht werden, daß der Besucher für die Dauer des Besuches seinen Ausweis bei der Anstalt hinterlegt.

(6) Der Besucher wird in geeigneter Weise unterrichtet, wie er sich bei dem Besuch zu verhalten hat.

(7) Vor dem Besuch eines kranken Gefangenen, der in einer Krankenabteilung oder in einem Anstaltskrankenhaus untergebracht ist, ist der Arzt zu hören. Ärztliche Bedenken gegen einen Besuch sind dem Besucher mitzuteilen. Besuche im Krankenhaus bedürfen der Zustimmung des Arztes.

(8) Für den Besuchsverkehr eines Gefangenen, der eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, mit der diplomatischen oder konsularische Vertretung des Heimatstaates gelten die Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (Nr. 136 RiVASt).

(9) Am Besuchstage sollen nach Möglichkeit Bedienstete den Erziehungsberechtigten zu Gesprächen und Auskünften zur Verfügung stehen.

20.
Besuchsverbot

Der Anstaltsleiter kann Besuche untersagen,

1.
wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
2.
bei Besuchern, die nicht Angehörige des Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuches sind, wenn zu befürchten ist, daß sie einen schädlichen Einfluß auf den Gefangenen haben oder seine Eingliederung behindern würden,
3.
bei minderjährigen Gefangenen, wenn ein Erziehungsberechtigter nicht einverstanden ist.

21.
Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten, Notaren, Beiständen
und Vertretern der Jugendhilfe

(1) Besuche von Verteidigern und Beiständen (§ 69 JGG) sowie von Rechtsanwälten oder Notaren in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. Nr. 19 Abs. 3 gilt entsprechend. Eine inhaltliche Überprüfung der vom Verteidiger mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig. Auf Nr. 24 Abs. 1 Satz 2 und 3 wird verwiesen.

(2) Der Verteidiger muß sich als solcher gegenüber der Anstalt durch die Vollmacht des Gefangenen oder die Bestellungsanordnung des Gerichts ausweisen. Rechtsanwälte und Notare haben nachzuweisen, daß sie den Gefangenen in einer ihn betreffenden Rechtssache besuchen wollen.

(3) Rechtsanwälte, Notare, Rechtsbeistände und Rechtsreferendare haben ihre Eigenschaft auf Verlangen nachzuweisen.

(4) Der Beistand muß sich als solcher durch die Bestellungsurkunde des Gerichts ausweisen. Nr. 19 Abs. 3 gilt entsprechend.

(5) Für Vertreter der Jugendgerichtshilfe (§ 38 JGG) und der Bewährungshilfe gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend. Sie haben sich auszuweisen. Nr. 19 Abs. 3 gilt entsprechend.

22.
Überwachung der Besuche

(1) Die Besuche dürfen aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überwacht werden. Die Unterhaltung ist nur dann zu überwachen, wenn es aus diesen Gründen geboten ist.

(2) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn Besucher oder Gefangene gegen diese Vorschriften oder die auf Grund dieser Vorschriften getroffenen Anordnungen trotz Abmahnung verstoßen. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerläßlich ist, den Besuch sofort abzubrechen. Ein Besuch darf auch abgebrochen werden, wenn von dem Besucher ein schädlicher Einfluß auf den Gefangenen ausgeübt wird.

(3) Besuche von Verteidigern, Beiständen, Vertretern der Jugendgerichtshilfe und Bewährungshelfern werden nicht überwacht.

(4) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch des Verteidigers übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sowie für die bei dem Besuch eines Rechtsanwalts oder Notars zur Erledigung einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen; bei dem Besuch eines Rechtsanwaltes oder Notars kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von der Erlaubnis abhängig gemacht werden. Auf Nr. 24 Abs. 1 Satz 2 und 3 wird verwiesen.

23.
Recht auf Schriftwechsel

(1) Der Gefangene hat das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen.

(2) Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen,

1.
wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
2.
bei Personen, die nicht Angehörige des Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuches sind, wenn zu befürchten ist, daß der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluß auf den Gefangenen haben oder seine Eingliederung behindern würde,
3.
bei minderjährigen Gefangenen, wenn ein Erziehungsberechtigter nicht einverstanden ist.

(3) Für den Schriftverkehr eines Gefangenen, der eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, mit der diplomatischen oder konsularischen Vertretung des Heimatstaates gelten die Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (Nr. 135 RiVASt).

(4) Die Kosten des Schriftverkehrs trägt der Gefangene. Kann der Gefangene sie nicht aufbringen, kann die Anstalt sie in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

24.
Überwachung des Schriftwechsels

(1) Der Schriftwechsel des Gefangenen mit seinem Verteidiger wird nicht überwacht. Liegt dem Vollzug der Jugendstrafe eine Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches zugrunde, gelten § 148 Abs. 2, § 148 a der Strafprozeßordnung entsprechend. Dies gilt auch, wenn gegen einen Gefangenen im Anschluß an die dem Vollzug der Jugendstrafe zugrunde liegende Verurteilung eine Jugend- oder Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches zu vollstrecken ist.

(2) Nicht überwacht werden ferner Schreiben des Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschrift dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben, sowie an die Europäische Kommission für Menschenrechte.

(3) Der übrige Schriftwechsel darf aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überwacht werden.

(4) Der Verteidiger muß sich als solcher gegenüber der Anstalt durch die Vollmacht des Gefangenen oder die Bestellungsanordnung des Gerichts ausweisen. Verteidigerpost muß deutlich sichtbar gekennzeichnet sein.

(5) Als Verteidigerpost gekennzeichnete eingehende Schreiben von Personen, bei denen die Verteidigereigenschaft nicht nachgewiesen ist, werden in der Regel ungeöffnet an den Absender zurückgesandt mit dem Hinweis, daß der Nachweis der Verteidigereigenschaft fehlt. Mit Einverständnis des Gefangenen kann das Schreiben geöffnet und nach Überprüfung ausgehändigt werden.

(6) Soweit der Schriftwechsel überwacht werden darf, bestimmt der Anstaltsleiter Art und Umfang der Überwachung. Er darf mit der Überwachung einzelne andere Bedienstete beauftragen. Schreiben in fremder Sprache werden, soweit nötig, übersetzt.

(7) Soweit der Schriftwechsel überwacht wird, hat der Gefangene seine Schreiben in offenem Umschlag in der Anstalt abzugeben.

(8) Der überwachende Bedienstete darf in den Schreiben weder Randbemerkungen anbringen noch Stellen durchstreichen oder unkenntlich machen. Ein Sichtvermerk ist zulässig.

(9) Die Kosten für die Übersetzung von Schreiben, die in fremder Sprache abgefaßt sind, trägt in der Regel die Staatskasse.

(10) Für den Beistand gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend. Der Beistand muß sich als solcher gegenüber der Anstalt durch die Bestellungsanordnung des Gerichts ausweisen. Die Post des Beistands muß deutlich gekennzeichnet sein.

25.
Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung

(1) Der Gefangene hat Absendung und Empfang seiner Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.

(2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(3) Der Gefangene hat eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird; er kann sie verschlossen zu seiner Habe geben.

26.
Anhalten von Schreiben

(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten,

1.
wenn das Erziehungsziel oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
2.
wenn die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
3.
wenn sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,
4.
wenn sie grobe Beleidigungen enthalten,
5.
wenn sie die Eingliederung eines anderen Gefangenen gefährden können oder
6.
wenn sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefaßt sind.

(2) Ist ein Schreiben angehalten worden, wird das dem Gefangenen mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, behördlich verwahrt.

(3) Schreiben, deren Überwachung nach Nr. 24 Abs. 1 und 10 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

(4) Dem Gefangenen sind die Gründe für das Anhalten mitzuteilen. Der unbedenkliche Inhalt eines angehaltenen Schreibens kann ihm bekanntgegeben werden.

(5) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn der Gefangene auf der Absendung besteht.

(6) Ein Begleitschreiben darf nur Angaben enthalten, die der Richtigstellung dienen. Der Gefangene ist über die Absicht, ein Begleitschreiben beizufügen, zu unterrichten.

27.
Ferngespräche und Telegramme

(1) Dem Gefangenen kann gestattet werden, Ferngespräche zu führen oder Telegramme aufzugeben. Im übrigen gelten für Ferngespräche die Vorschriften über den Besuch und für Telegramme die Vorschriften über den Schriftwechsel entsprechend.

(2) Die Kosten trägt der Gefangene. Ist er dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

28.
Pakete

(1) Der Gefangene darf dreimal jährlich in angemessenen Abständen ein Paket mit Nahrungs- und Genußmitteln empfangen. Der Empfang weiterer Pakete oder solcher mit anderem Inhalt bedarf der Erlaubnis der Vollzugsbehörde. Für den Ausschluß von Gegenständen gilt Nr. 17 Abs. 2 entsprechend.

(2) Pakete sind in Gegenwart des Gefangenen zu öffnen. Ausgeschlossene Gegenstände können zu seiner Habe genommen oder dem Absender zurückgesandt werden. Nicht ausgehändigte Gegenstände, durch die bei der Versendung oder Aufbewahrung Personen verletzt oder Sachschäden verursacht werden können, dürfen vernichtet werden. Die hiernach getroffenen Maßnahmen werden dem Gefangenen eröffnet.

(3) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerläßlich ist.

(4) Dem Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Die Vollzugsbehörde kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüfen.

(5) Der Empfang eine Paketes ist zugelassen zu Weihnachten, zu Ostern und zu einem von dem Gefangenen zu wählenden weiteren Zeitpunkt (z.B. Geburtstag).

(6) Einem Gefangenen, der nicht einer christlichen Religionsgemeinschaft angehört, kann anstelle des Weihnachts- und des Osterpaketes der Empfang je eines Paketes aus Anlaß eines hohen Feiertages seines Glaubens gestattet werden.

(7) Ein Paket darf Alkohol und andere berauschende Mittel in jeder Form sowie Medikamente und Tabletten nicht enthalten.

(8) In den Fällen einer ärztlichen Anordnung nach Nr. 17 darf der Inhalt des Paketes nur nach Anhörung des Arztes ausgehändigt werden.

(9) Die Erlaubnis zum Empfang sonstiger Pakete kann namentlich für die Zusendung von Unterrichts- und Fortbildungsmitteln, Entlassungskleidung und Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung erteilt werden.

(10) Jedes Paket soll ein Inhaltsverzeichnis enthalten und den Absender erkennen lassen. Die Verwendung einer von der Anstalt ausgegebenen Paketmarke kann vorgeschrieben werden.

(11) Das Paket soll innerhalb eines Zeitraumes von zwei Wochen vor oder nach den in Absatz 5 genannten Zeitpunkten eingehen.

(12) Die Anstalt kann die Annahme eines Paketes, das zur Unzeit (Absatz 11) oder mit Übergewicht eingeht oder dessen Empfang nicht zugelassen ist – gegebenenfalls bereits auf dem Postamt – , verweigern. Sie teilt dem Gefangenen die Annahmeverweigerung und den Grund dafür mit.

(13) Absatz 12 gilt nicht für ein Paket, das einem ausländischen Gefangenen nicht aus dem Geltungsbereich des Jugendgerichtsgesetzes zugesandt wird. Wird das Höchstgewicht überschritten oder ist das Paket nicht zugelassen, kann der Mehrinhalt oder der Inhalt dem Gefangenen ausgehändigt werden, wenn dieser mit der Zuführung eines dem Wert entsprechenden, von der Anstalt festgesetzten Betrages aus dem Hausgeld zum Überbrückungsgeld oder Eigengeld einverstanden ist. Andernfalls ist der Mehrinhalt oder der Inhalt des Paketes zur Habe des Gefangenen zu nehmen, soweit er nicht mit dessen Zustimmung anderweitig verwendet oder soweit nicht nach Nr. 74 Abs. 3 verfahren wird.

(14) Ein Gefangener, der kein Paket erhält, darf zum Ausgleich Nahrungs- und Genußmittel einkaufen. Für den Ersatzeinkauf darf ein Betrag bis zum zwölffachen, bei Weihnachtspaketen bis zum fünfzehnfachen Tagessatz der Eckvergütung (Nr. 38 Abs. 1) aus dem Eigengeld verwendet werden. Nr. 74 Abs. 2 Satz 3 bleibt unberührt.

(15) Geht für einen Gefangenen nach dem Ersatzeinkauf in dem in Absatz 11 bestimmten Zeitraum ein Paket ein, ist es ihm auszuhändigen, wenn er mit der Zuführung des gleichen Betrages, den er für den Ersatzeinkauf verwendet hat, aus dem Hausgeld zum Überbrückungsgeld oder Eigengeld einverstanden ist. Andernfalls ist das Paket zurückzusenden. Absatz 13 bleibt unberührt.

(16) Der Paketinhalt wird auf verbotene Gegenstände durchsucht. Liegt ein Inhaltsverzeichnis bei, ist die Vollzähligkeit zu prüfen; Abweichungen sind auf dem Verzeichnis zu vermerken.

(17) Der Gefangene hat den Empfang des Paketes schriftlich zu bestätigen.

(18) Die Kosten des Paketverkehrs trägt grundsätzlich der Gefangene. Ist er dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

(19) Der Gefangene soll alsbald nach der Aufnahme durch Aushändigung eines Merkblattes über die Möglichkeit, Pakete zu empfangen und zu versenden, unterrichtet werden.

29.
Verwertung von Kenntnissen

(1) Kenntnisse aus der Überwachung der Besuche oder des Schriftwechsels dürfen nur verwertet werden,

1.
soweit dies notwendig ist, um die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu wahren oder Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verhüten, zu unterbinden oder zu verfolgen oder
2.
soweit dies aus Gründen der Erziehung geboten ist; der Gefangene soll gehört werden.

(2) Die Kenntnisse dürfen nur den zuständigen Vollzugsbediensteten sowie den zuständigen Gerichten und den Behörden mitgeteilt werden, die zuständig sind, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verhüten, zu unterbinden oder zu verfolgen.


30.
Urlaub, Ausgang und Ausführung aus wichtigem Anlaß

(1) Aus wichtigem Anlaß kann der Anstaltsleiter dem Gefangenen Ausgang gewähren oder ihn bis zu sieben Tagen beurlauben; der Urlaub aus anderem wichtigen Anlaß als wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder wegen des Todes eines Angehörigen darf sieben Tage im Jahr nicht übersteigen. Nr. 6 Abs. 2, Nr. 8 Abs. 3 und Nr. 9 gelten entsprechend.

(2) Der Urlaub nach Absatz 1 wird nicht auf den regelmäßigen Urlaub angerechnet.

(3) Kann Ausgang oder Urlaub nicht gewährt werden, weil eine Erprobung nicht verantwortet werden kann (Nr. 6 Abs. 2), so kann der Anstaltsleiter den Gefangenen ausführen lassen. Die Aufwendungen hierfür hat der Gefangene zu tragen. Der Anspruch ist nicht geltend zu machen, wenn dies die Erziehung oder die Eingliederung behindern würde.

(4) Nr. 6 Abs. 3 bis Abs. 14, Nr. 8 Abs. 4 bis Abs. 20 und Nr. 9 Abs. 2 und Abs. 4 bis Abs. 7 gelten sinngemäß.

(5)     Bei einer Ausführung entscheidet der Anstaltsleiter über die nach Lage des Falles erforderlichen besonderen Sicherungsmaßnahmen.

(6) Eine Ausführung unterbleibt, wenn trotz Anordnung angemessener besonderer Sicherungsmaßnahmen zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die Ausführung zu Straftaten mißbrauchen werde. Dies gilt nicht, wenn die Ausführung zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib oder Leben des Gefangenen unerläßlich ist.

31.
Gerichtliche Termine

(1) Der Anstaltsleiter kann einem Gefangenen zur Teilnahme an einem gerichtlichen Termin Ausgang oder Urlaub erteilen, wenn anzunehmen ist, daß er der Ladung folgt und wenn eine Erprobung verantwortet werden kann. Nr. 8 Abs. 4 und Nr. 9 gelten entsprechend.

(2) Wenn ein Gefangener zu einem gerichtlichen Termin geladen ist und Ausgang oder Urlaub nicht gewährt wird, läßt der Anstaltsleiter ihn mit seiner Zustimmung zu dem Termin ausführen, sofern wegen Entweichungs- oder Mißbrauchsgefahr keine überwiegenden Gründe entgegenstehen. Auf Ersuchen eines Gerichts läßt er den Gefangenen vorführen, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt.

(3) Die Vollzugsbehörde unterrichtet das Gericht über das Veranlaßte.

(4) Beantragt der Gefangene unter Vorlage einer Ladung die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin, so entscheidet der Anstaltsleiter, ob er dem Gefangenen hierfür Ausgang oder Urlaub erteilt oder ihn ausführen läßt.

(5) Eine Pflicht des Anstaltsleiters, das Gericht über seine Entscheidung zu unterrichten, besteht nicht.

(6) Ersucht das Gericht die Anstalt, einen Gefangenen an einem gerichtlichen Termin teilnehmen zu lassen, so klärt der Anstaltsleiter, ob der Gefangene der Ladung Folge leisten will. Bejahendenfalls prüft der Anstaltsleiter, ob er dem Gefangenen Ausgang oder Urlaub erteilt oder ihn ausführen läßt.

(7) Der Anstaltsleiter unterrichtet das Gericht, und zwar auch dann, wenn der Gefangene die Teilnahme an dem Termin ablehnt.

(8) Wird der Gefangene auf seinen Antrag oder überwiegend in seinem Interesse ausgeführt, so werden ihm in der Regel die Kosten auferlegt.

(9) Erläßt das Gericht einen Vorführungsbefehl und ersucht es die Anstalt um Vorführung, so läßt der Anstaltsleiter den Gefangenen zu dem gerichtlichen Termin vorführen.

(10) Vor der Vorführung erteilt der Anstaltsleiter die nach Lage des Falles erforderlichen Weisungen und entscheidet über besondere Sicherungsmaßnahmen.

(11) Im Benehmen mit dem Richter, der die Dienstaufsicht bei dem Amtsgericht führt, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, setzt der Anstaltsleiter die Zeit fest, in der dem Gefangenen Gelegenheit gegeben wird, in der Anstalt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeführt zu werden.

32.
Berufliche Bildung, Arbeit

(1) Geeigneten Gefangenen soll Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung, Umschulung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden.

(2) Die Vollzugsbehörde soll dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen.

(3) Kann einem arbeitsfähigen Gefangenen keine wirtschaftlich ergiebige Arbeit oder die Teilnahme an Maßnahmen nach Absatz 1 zugewiesen werden, wird ihm eine angemessene Beschäftigung zugeteilt.

(4) Ist ein Gefangener zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, soll er arbeitstherapeutisch beschäftigt werden.

(5) Eine Beschäftigung ist angemessen im Sinne des Absatzes 3, wenn ihr Ergebnis wirtschaftlich verwertbar ist und in einem vertretbaren Verhältnis zum Aufwand steht.

(6) Soweit es die Art der Arbeit oder der angemessenen Beschäftigung zuläßt, wird für jede Verrichtung die Anforderung ermittelt und festgesetzt, die der Gefangene zu leisten hat. Dabei ist von der Leistung auszugehen, die von einem freien Arbeitnehmer nach ausreichender Einarbeitung und Übung ohne Gesundheitsstörung auf die Dauer erreicht und erwartet werden kann. Die besonderen Verhältnisse des Vollzuges sind angemessen zu berücksichtigen.

(7) Die Soll-Leistung wird überprüft und gegebenenfalls neu festgesetzt, wenn sie von der Mehrzahl der Gefangenen um mehr als vierzig vom Hundert überschritten wird oder sich die Festsetzung als zu hoch erwiesen hat. Sie ist auch zu überprüfen und gegebenenfalls neu festzusetzen, wenn dies durch eine Änderung der Arbeitsmethoden, technische Verbesserungen oder ähnliches begründet ist.

(8) Die Arbeitszeit des Gefangenen soll sich nach der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im öffentlichen Dienst richten. In dringenden Fällen darf die regelmäßige Arbeitszeit der Gefangenen bis zu der für freie Arbeitnehmer zugelassenen Höchstdauer überschritten werden.

(9) An Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, in der Regel auch an Samstagen, ruht die Arbeit, soweit nicht unaufschiebbare Arbeiten ausgeführt werden müssen.

(10) Mehrarbeit und Arbeit nach Absatz 9 sollen möglichst durch Freistellung von der Arbeit an anderen Arbeitstagen ausgeglichen werden.

(11) Gefangene, die nach den Vorschriften ihres Glaubensbekenntnisses an bestimmten Tagen nicht arbeiten dürfen, können an diesen Tagen auf ihren Wunsch von der Arbeit befreit werden. Sie können dafür an allgemein arbeitsfreien Tagen zu unaufschiebbaren Arbeiten herangezogen werden.

(12) Ein Gefangener kann zu Tätigkeiten für die Vollzugsanstalt herangezogen werden, wenn er hierfür geeignet ist und Unzuträglichkeiten nicht zu erwarten sind. Arbeiten, die Einblick in die persönlichen Verhältnisse von Bediensteten, Gefangenen oder Dritten oder in Personal-, Gerichts- oder Verwaltungsakten ermöglichen, dürfen einem Gefangenen nicht übertragen werden.

(13) § 62 Jugendarbeitsschutzgesetz ist zu beachten.

33.
Unterricht

(1) Dem Unterricht kommt im Jugendstrafvollzug besondere Bedeutung zu.

(2) Schulpflichtige Gefangene erhalten Hauptschul-, Sonderschul- und Berufsschulunterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften.

(3) An dem Hauptschul- und Sonderschulunterricht können auch nicht schulpflichtige Gefangene teilnehmen.

(4) Daneben soll nach Möglichkeit Unterricht zur Erlangung anderer staatlich anerkannter Schulabschlüsse, zur Förderung besonderer Begabungen und individueller Interessen sowie lebenskundlicher Unterricht und berufsbildender Unterricht auf Einzelgebieten erteilt werden.

(5) Bei der beruflichen Ausbildung oder Umschulung ist berufsbildender Unterricht vorzusehen; dies gilt auch für die berufliche Fortbildung, soweit die Art der Maßnahme es erfordert.

(6) Der Unterricht findet in der Regel während der Arbeitszeit statt; dies gilt nicht für den Unterricht in Lebenskunde und zur Förderung besonderer Begabungen und individueller Interessen.

34.
Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung

(1) Dem Gefangenen kann gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung oder Umschulung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn dies im Rahmen des Vollzugsplanes dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern und nicht überwiegende Gründe des Vollzuges entgegenstehen. Nr. 6 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 und Nr. 9 bleiben unberührt.

(2) Dem Gefangenen kann gestattet werden, sich selbst zu beschäftigen.

(3) Die Vollzugsbehörde kann verlangen, daß ihr das Entgelt zur Gutschrift für den Gefangenen überwiesen wird.

(4) Gefangene, denen das Eingehen eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt gestattet ist, sollen von anderen Gefangenen getrennt gehalten werden.

(5) Zwischen dem Gefangenen und seinem Arbeitgeber oder Ausbildenden ist ein schriftlicher Vertrag (Arbeitsvertrag, Berufsausbildungsvertrag oder ähnliches) abzuschließen. In dem Vertrag ist insbesondere festzulegen, daß das Beschäftigungsverhältnis ohne Kündigung endet, wenn die dem Gefangenen nach Absatz 1 erteilte Erlaubnis endet, und daß die Bezüge aus dem Beschäftigungsverhältnis während des Freiheitsentzuges mit befreiender Wirkung nur auf das mit der Anstalt vereinbarte Konto gezahlt werden können. Die Anstalt stellt sicher, daß mit Zuwendungen auf Grund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen entsprechend verfahren wird.

(6) Die Bezüge des Gefangenen werden in nachstehender Rangfolge für folgende Zwecke verwendet:

a)
Auslagen des Gefangenen für Fahrtkosten, Arbeitskleidung, Verpflegung außerhalb der Anstalt und andere im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung notwendige Aufwendungen,
b)
Hausgeld und Überbrückungsgeld,
c)
Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht des Gefangenen auf dessen Antrag,
d)
Haftkostenbeitrag,
e)
Erfüllung sonstiger Verbindlichkeiten des Gefangenen auf dessen Antrag,
f)
Eigengeld des Gefangenen.

(7) Der Gefangene ist anzuhalten, seine Unterhaltspflichten zu erfüllen, den durch die Straftat verursachten Schaden wiedergutzumachen und seine sonstigen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ist der Anstalt bekannt, daß Angehörige oder andere Personen, denen der Gefangene unterhaltspflichtig ist, Sozialhilfe erhalten, wird der Träger der Sozialhilfe von dem Beschäftigungsverhältnis und der Höhe der Bezüge unterrichtet. Auf die Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung soll der Gefangene hingewiesen werden.

(8) Die Rechte des gesetzlichen Vertreters sind zu beachten.

(9) Selbstbeschäftigung soll regelmäßig nur gestattet werden, wenn sie aus wichtigem Grunde geboten erscheint und im Rahmen des Vollzugsplanes insbesondere dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. Selbstbeschäftigung darf nicht gestattet werden, wenn überwiegende Gründe des Vollzuges entgegenstehen.

(10) Selbstbeschäftigung wird in der Regel nur gestattet, wenn sich der Gefangene die nötigen Gegenstände aus eigenen Mitteln beschaffen kann; bei Selbstbeschäftigung innerhalb der Anstalt vermittelt die Anstalt die Beschaffung der Gegenstände.

(11) Für die Rechtsbeziehung zwischen dem Gefangenen und einem Dritten sowie für die Bezüge aus der Selbstbeschäftigung gelten Absätze 5 bis 7 entsprechend. § 50 Abs. 3 StVollzG in der Fassung des § 199 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG bleibt unberührt.

(12) Der Gefangene ist anzuhalten, seiner Steuerpflicht nachzukommen. Erfüllt der Gefangene seine Anzeigepflicht nicht, so ist die Erlaubnis zur Selbstbeschäftigung zu widerrufen.

35.
Zeugnisse

Aus dem Abschlußzeugnis über eine ausbildende oder weiterbildende Maßnahme darf die Gefangenschaft eines Teilnehmers nicht erkennbar sein.

36.
Arbeitspflicht

Der Gefangene ist verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung er auf Grund seines körperlichen Zustandes in der Lage ist. Er kann jährlich bis zu drei Monaten zu Hilfstätigkeiten in der Anstalt verpflichtet werden, mit seiner Zustimmung auch darüber hinaus. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für werdende und stillende Mütter, soweit gesetzliche Beschäftigungsverbote zum Schutze erwerbstätiger Mütter bestehen.

37.
Freistellung von der Arbeit

(1) Hat der Gefangene ein Jahr lang zugewiesene Tätigkeit nach Nr. 32 oder Hilfstätigkeiten nach Nr. 36 Satz 2 ausgeübt, so kann er beanspruchen, 18 Werktage von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. Zeiten, in denen der Gefangene infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war, werden auf das Jahr bis zu sechs Wochen jährlich angerechnet.

(2) Der Anspruch besteht, sobald der Gefangene innerhalb eines zu einem beliebigen Zeitpunkt beginnenden Zeitraumes von einem Jahr seine Arbeitspflicht erfüllt hat.

(3) Auf die Zeit der Freistellung wird Urlaub aus der Haft (Nrn. 8,30) angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt und nicht wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder des Todes eines Angehörigen erteilt worden ist.

(4) Urlaubsregelungen der Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Jugendstrafvollzugs bleiben unberührt.

(5) Auf das Jahr (Abs. 1 und 2) werden ferner angerechnet

a)
Zeiten, in denen der Gefangene Verletztengeld nach §§ 560, 66 Abs. 2 RVO erhalten hat,
b)
Zeiten, in denen der Gefangene aus anderen als Krankheitsgründen eine Tätigkeit nach Absatz 1 nicht ausgeübt hat, in der Regel bis zu drei Wochen jährlich, wenn dies angemessen erscheint,
c)
Zeiten einer Freistellung von der Arbeitspflicht und Urlaub aus der Haft, der nach Absatz 3 anzurechnen ist.

(6) Als Werktage (Abs. 1 Satz 1) gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Erkrankt ein Gefangener während der Freistellung von der Arbeitspflicht, werden die Tage der Arbeitsunfähigkeit auf die Zeit der Freistellung nicht angerechnet.

(7) Die Freistellung kann nur innerhalb eines Jahres nach Vorliegen der Voraussetzungen in Anspruch genommen werden. Eine erneute Freistellung kann frühestens ein Jahr nach Vorliegen der Voraussetzungen für die vorhergehende Freistellung und in der Regel frühestens drei Monate nach der letzten Freistellung in Anspruch genommen werden.

(8) Die Freistellung von der Arbeitspflicht ist von dem Gefangenen mindestens einen Monat vorher schriftlich zu beantragen.

(9) Bei der Festsetzung des Zeitpunkts der Freistellung sind die betrieblichen Belange, besondere erzieherische Maßnahmen, der Stand einer Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme und die Möglichkeiten der Vollzugsgestaltung während der Freistellungszeit zu berücksichtigen.

(10) Der Gefangene erhält für die Zeit der Freistellung seine zuletzt gezahlten Bezüge weiter. Der Berechnung der Bezüge ist der Durchschnitt der letzten drei abgerechneten Monate vor der Freistellung zugrundezulegen.

(11) Für Gefangene, die nach Nr. 36 Satz 3 nicht zur Arbeit verpflichtet sind, gelten die Absätze 1 bis 10 entsprechend.

38.
Arbeitsentgelt

(1) Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind fünf vom Hundert des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ohne Auszubildende des vorvergangenen Kalenderjahres zugrundezulegen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(2) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung des Gefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. Fünfundsiebzig vom Hundert der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Leistungen des Gefangenen den Mindestanforderungen nicht genügen.

(3) Das Arbeitsentgelt ist dem Gefangenen schriftlich bekanntzugeben.

(4) Verrichtet ein Gefangener während eines Abrechnungszeitraumes Tätigkeiten, die verschiedenen Vergütungsstufen zuzuordnen sind, so ist das Arbeitsentgelt aus der Vergütungsstufe zu ermitteln, die dem überwiegenden Teil der Tätigkeiten entspricht. Dies gilt nicht, wenn der Gefangene in verschiedenen Betrieben arbeitet.

(5) Verrichtet ein Gefangener nicht nur vorübergehend eine anders bewertete Tätigkeit, so ist er mit Beginn des nächsten Abrechnungszeitraumes in die entsprechende Vergütungsstufe umzugruppieren.

(6) Das Arbeitsentgelt wird in der Form des Zeitlohnes oder des Leistungslohnes ermittelt. Das Arbeitsentgelt eines noch nicht achtzehn Jahre alten Gefangenen wird in der Form des Zeitlohnes ermittelt.

(7) Zeiten einer Einarbeitung können im Zeitlohn vergütet werden.

(8) Im Zeitlohn kann der Satz der jeweiligen Vergütungsstufe unterschritten werden, wenn der Gefangene den Anforderungen der jeweiligen Vergütungsstufe nicht genügt.

Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(9) Für eine sonstige zugewiesene Beschäftigung wird ein Arbeitsentgelt gewährt, wenn ihr Ergebnis wirtschaftlich verwertbar ist und in einem vertretbaren Verhältnis zum Aufwand steht.

(10) Neben dem Arbeitsentgelt können Leistungen für betriebliche Verbesserungsvorschläge gewährt werden. Der Anstaltsleiter entscheidet, ob eine Leistung für einen betrieblichen Verbesserungsvorschlag als Hausgeld, Überbrückungsgeld oder Eigengeld gutgeschrieben wird.

39.
Ausbildungsbeihilfe

(1) Nimmt der Gefangene an einer Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung, Umschulung oder an einem Unterricht teil und ist er zu diesem Zweck von seiner Arbeitspflicht freigestellt, so erhält er eine Ausbildungsbeihilfe, soweit ihm keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die freien Personen aus solchem Anlaß gewährt werden. Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes wird nicht berührt.

(2) Für die Bemessung der Ausbildungsbeihilfe gilt Nr. 38 Abs. 1 und 2 entsprechend.

(3) Nimmt der Gefangene während der Arbeitszeit stunden- oder tageweise am Unterricht oder an anderen zugewiesenen Maßnahmen gemäß Nr. 32 Abs. 1 teil, so erhält er in Höhe des ihm dadurch entgehenden Arbeitsentgelts eine Ausbildungsbeihilfe.

(4) Als Berufsfindungsmaßnahme kann auch die Teilnahme eines Gefangenen an einem Einweisungsverfahren in einer zentralen Einweisungseinrichtung in Betracht kommen.

40.
Taschengeld

(1) Das Taschengeld nach § 176 Abs. 3 StVollzG in der Fassung des § 199 Abs. 2 Nr. 5 StVollzG wird nur auf Antrag gewährt.

(2) Das Taschengeld beträgt fünfundzwanzig vom Hundert der Eckvergütung (Nr. 38 Abs. 1). Bei der Berechnung des Taschengeldes werden Hausgeld und Eigengeld berücksichtigt. Ein Geldbetrag, der für einen Gefangenen statt eines Paketes im Sinne von Nr. 28 Abs. 1 Satz 1 zum eigenen Einkauf von Nahrungs- und Genußmitteln eingezahlt wird, bleibt bis zu dem für den Ersatzeinkauf festgesetzten Höchstbetrag bei der Berechnung des Taschengeldes für den laufenden und längstens den folgenden Monat unberücksichtigt.

(3) Bedürftig ist ein Gefangener, soweit ihm im laufenden Monat aus Hausgeld und Eigengeld nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes zur Verfügung steht.

41.
Hausgeld

(1) Der Gefangene darf von seinen Bezügen drei Siebtel monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld (Nr. 40) für den Einkauf (Nr. 17) oder anderweitig verwenden.

(2) Für Gefangene, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (Nr. 34 Abs. 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (Nr. 34 Abs. 2), wird aus ihren Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt.

(3) Über Beträge, die als Ersatz für entgangene, in § 176 StVollzG oder in diesen Vorschriften geregelte Zuwendungen gewährt werden (z.B. Zeugenentschädigung, Verletztengeld), kann der Gefangene wie über die Zuwendungen verfügen, an deren Stelle sie treten.

42.
Haftkostenbeitrag

(1) Ist in den Fällen des § 50 Abs. 2 und 3 in der Fassung des § 199 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG dem Gefangenen ganz oder teilweise die Selbstverpflegung gestattet, so ermäßigt sich der Haftkostenbeitrag entsprechend. Gleiches gilt für den nicht auf die Kost entfallenden Anteil des Haftkostenbeitrages, wenn mehrere Gefangene in einem Haftraum untergebracht sind. Der nicht auf die Kost entfallende Anteil des Haftkostenbeitrages ist auch dann zu erheben , wenn sich Gefangene wegen Urlaubs oder aus sonstigen Gründen vorübergehend nicht in der Anstalt aufhalten.

(2) Während der Teilnahme an Maßnahmen der Ausbildung oder Weiterbildung wird von der Erhebung eines Haftkostenbeitrages nach § 50 Abs. 2 und 3 in der Fassung des § 199 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG abgesehen, wenn die Gewährung von Bezügen nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen (z.B. Arbeitsförderungsgesetz) hiervon abhängig gemacht wird.

43.
Überbrückungsgeld

(1) Das Arbeitsentgelt und die Ausbildungsbeihilfe werden dem Überbrückungsgeld zugeführt, soweit sie dem Gefangenen nicht als Hausgeld zur Verfügung stehen und das Überbrückungsgeld noch nicht die angemessene Höhe (§ 51 Abs. 1 StVollzG) erreicht hat. Bei Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen, ist der Anteil der Bezüge zu bestimmen, der gemäß Satz 1 dem Überbrückungsgeld zuzuführen ist; der Anteil soll bei Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen, den Betrag des Hausgeldes nicht unterschreiten.

(2) Die angemessene Höhe des Überbrückungsgeldes wird von der Landesjustizverwaltung festgesetzt. Sie soll das Zweifache der nach § 22 Bundessozialhilfegesetz jeweils festgesetzten monatlichen Mindestbeträge der Regelsätze für den Gefangenen und seine Unterhaltsberechtigten nicht unterschreiten. Der Anstaltsleiter kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles einen höheren Betrag festsetzen.

(3) Der Anstaltsleiter soll die Inanspruchnahme des Überbrückungsgeldes nach § 51 Abs. 3 StVollzG nur gestatten, wenn zu erwarten ist, daß dem Gefangenen bei der Entlassung in die Freiheit ein Überbrückungsgeld in angemessener Höhe zur Verfügung steht.

(4) Ausgaben, die der Eingliederung dienen, sind insbesondere Aufwendungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes und einer Unterkunft nach der Entlassung.

44.
Seelsorge

(1) Dem Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf seinen Wunsch ist ihm zu helfen, mit einem Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Der Gefangene darf grundlegende religiöse Schriften besitzen. Sie dürfen ihm nur bei grobem Mißbrauch entzogen werden.

(3) Dem Gefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfange zu belassen.

45.
Religiöse Veranstaltungen

(1) Der Gefangene hat das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen seines Bekenntnisses teilzunehmen.

(2) Zu dem Gottesdienst oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft wird der Gefangene zugelassen, wenn deren Seelsorger zustimmt.

(3) Der Gefangene kann von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.

46.
Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die Nrn. 44 und 45 entsprechend.

47.
Allgemeine Regeln für die Gesundheitsfürsorge

(1) Für die körperliche und geistige Gesundheit des Gefangenen ist zu sorgen.
Nr. 85 Abs. 10 bis 12 bleibt unberührt.

(2) Der Gefangene hat die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstützen.

(3) Für die Anstalten gelten die allgemeinen Vorschriften für die gesundheitsbehördliche Überwachung.

(4) Der Anstaltsarzt achtet auf Vorgänge und Umstände, von denen Gefahren für die Gesundheit von Personen in der Anstalt ausgehen können. Jeder Bedienstete, der eine Gefahr für die gesundheitlichen Verhältnisse zu erkennen glaubt, ist verpflichtet, dieses unverzüglich zu melden.

(5) Der Anstaltsarzt hat nach den Vorschriften des Bundesseuchengesetzes meldepflichtige übertragbare Krankheiten dem zuständigen Gesundheitsamt anzuzeigen und den Gefangenen, soweit es erforderlich ist, abzusondern. Kranke, bei denen zur Zeit der Entlassung noch Ansteckungsgefahr besteht oder deren Behandlung noch nicht abgeschlossen ist, werden dem zuständigen Gesundheitsamt unverzüglich gemeldet. Gegebenenfalls ist zu veranlassen, daß sie in die zuständige öffentliche Krankenanstalt gebracht werden.

(6) Die Rechte des Erziehungsberechtigten sind zu beachten.

48.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten

(1) Weibliche Gefangene haben für ihre Kinder, die mit ihnen in der Vollzugsanstalt untergebracht sind, bis zur Vollendung des vierten Lebensjahres Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die eine normale körperliche oder geistige Entwicklung des Kindes in besonderem Maße gefährden.

(2) Die weiblichen Gefangenen sind auf die Möglichkeit von Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten hinzuweisen. Die Maßnahmen werden auf Antrag durchgeführt.

49.
Krankenpflege

(1) Der Gefangene erhält Krankenpflege vom Beginn der Krankheit an; sie umfaßt insbesondere

1.
ärztliche und zahnärztliche Behandlung,
2.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heilmitteln und Brillen,
3.
Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel,
4.
Zuschüsse zu den Kosten für Zahnersatz und Zahnkronen oder Übernahme der gesamten Kosten,
5.
Belastungsproben und Arbeitstherapie, soweit die Belange des Vollzuges dem nicht entgegenstehen.

(2) Einen Gefangenen, der sich krank meldet, einen Unfall erleidet, einen Selbstmordversuch begeht oder sich selbst beschädigt, sowie einen Gefangenen, dessen Aussehen oder Verhalten den Verdacht nahelegt, daß er körperlich oder geistig erkrankt oder suchtgefährdet ist, zeigt der die Feststellung treffende Bedienstete schriftlich, notfalls mündlich voraus, dem Anstaltsarzt an. Wenn ärztliche Hilfe nicht sofort erforderlich erscheint, untersucht der Arzt den krankgemeldeten Gefangenen in der nächsten Sprechstunde.

(3) Der Arzt stellt fest, ob der Gefangene als krank zu führen ist, ob er bettlägerig krank ist, in welchem Umfange er arbeitsfähig ist, ob er einer besonderen Unterbringung oder speziellen Behandlung bedarf, oder ob er vollzugsuntauglich ist.

(4) Kann der Anstaltsarzt nicht erreicht werden, so wird in dringenden Fällen ein anderer Arzt herbeigerufen.

(5) Hält es der Anstaltsarzt nach Art oder Schwere des Falles für erforderlich, zieht er einen anderen Arzt oder Facharzt hinzu.

(6) Der Anstaltsleiter kann nach Anhören des Anstaltsarztes dem Gefangenen ausnahmsweise gestatten, auf eigene Kosten einen beratenden Arzt hinzuziehen. Die Erlaubnis soll nur erteilt werden, wenn der Gefangene den in Aussicht genommenen Arzt und den Anstaltsarzt untereinander von der ärztlichen Schweigepflicht entbindet. Bei der Wahl des Zeitpunktes und der Bestimmung der Häufigkeit ärztlicher Bemühungen ist auf die besonderen räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse in der Anstalt Rücksicht zu nehmen.

(7) Die ärztlichen Verordnungen sind genau zu befolgen. Es ist darauf zu achten, daß Arzneimittel nicht mißbraucht werden. Für die Einhaltung der ärztlichen Einnahmevorschrift ist der Gefangene in der Regel selbst verantwortlich. Bei Gefangenen mit Persönlichkeitsstörungen und für die Einahme stark wirkender Arzneimittel kann angeordnet werden, daß Arzneimittel in Gegenwart eines Bediensteten einzunehmen sind. Bei Mißbrauchsgefahr ist darauf zu achten, daß der Gefangene das Arzneimittel tatsächlich einnimmt, nach Möglichkeit durch Verabreichen in aufgelöstem Zustand.

(8) Gifte und andere stark wirkende Arzneimittel hat der Arzt ständig unter sicherem Verschluß aufzubewahren. Alle anderen Arzneimittel sind so sicher unterzubringen, daß sie Unbefugten nicht zugänglich sind.

(9) Es dürfen nur durch die Anstalt beschaffte Arzneimittel verwendet werden, es sei denn, der Anstaltsarzt läßt Ausnahmen zu. Diese Bestimmung gilt nicht für ärztlich verordnete Arzneimittel, die von Gefangenen beschafft werden, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen.

50.
Art und Umfang der Leistungen

Für die Art der Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten sowie für den Umfang der Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Krankenpflege gelten die entsprechenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und die auf Grund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen.

51.
Krankenpflege im Urlaub

(1) Während eines Urlaubs (Nr. 8) oder Ausgangs (Nr. 6) hat der Gefangene gegen die Vollzugsbehörde nur einen Anspruch auf ärztliche Behandlung und Pflege in der für ihn zuständigen Vollzugsanstalt.

(2) Dem Gefangenen kann in der nächstgelegenen Vollzugsanstalt ambulante Krankenpflege gewährt werden, wenn eine Rückkehr in die zuständige Anstalt nicht zumutbar ist.

52.
Ausstattung mit Hilfsmitteln

Der Gefangene hat Anspruch auf Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen, sofern dies nicht mit Rücksicht auf die Kürze des Freiheitsentzuges ungerechtfertigt ist. Der Anspruch umfaßt auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel, soweit die Belange des Vollzuges dem nicht entgegenstehen.

53.
Zuschüsse zu Zahnersatz und Zahnkronen

Die Landesjustizverwaltungen bestimmen durch allgemeine Verwaltungsvorschriften die Höhe der Zuschüsse zu den Kosten für Zahnersatz und Zahnkronen. Sie können bestimmen, daß die gesamten Kosten übernommen werden.

54.
Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung

Mit Zustimmung des Gefangenen und des Erziehungsberechtigten soll die Vollzugsbehörde ärztliche Behandlung, namentlich Operationen oder prothetische Maßnahmen durchführen lassen, die seine soziale Eingliederung fördern. Der Gefangene ist an den Kosten zu beteiligen, wenn dies nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gerechtfertigt ist und der Zweck der Behandlung dadurch nicht in Frage gestellt wird. Hierauf sind der Gefangene und der gesetzliche Vertreter vor Durchführung der Maßnahme hinzuweisen.

55.
Aufenthalt im Freien

Ist ein Gefangener nicht im Freien tätig, so hat er sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten, wenn die Witterung dies zu der festgesetzten Zeit zuläßt. Dabei ist ihm Gelegenheit zu geben, am Sport teilzunehmen.

56.
Verlegung

(1) Ein kranker Gefangener kann in ein Anstaltskrankenhaus oder in eine für seine Pflege besser geeignete Vollzugsanstalt verlegt werden.

(2) Kann die Krankheit eines Gefangenen in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht möglich, den Gefangenen rechtzeitig in ein Anstaltskrankenhaus zu verlegen, ist dieser in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen.

(3) In einem Krankenhaus außerhalb des Vollzuges ist eine Bewachung durch Vollzugsbedienstete bei Fortdauer der Strafvollstreckung nur dann erforderlich, wenn eine Flucht auf Grund der Persönlichkeit des Gefangenen oder der besonderen Umstände zu befürchten ist. Wenn auf eine Bewachung ausschließlich im Hinblick auf den Krankheitszustand verzichtet wurde, ist das Krankenhaus zu ersuchen, der Vollzugsanstalt eine Besserung des Befindens mitzuteilen, die eine Flucht möglich erscheinen läßt.

(4) Kann die sachgemäße Behandlung oder Beobachtung eines Gefangenen nur in einem Krankenhaus außerhalb des Vollzuges, das die gebotene Fortdauer der Bewachung nicht zuläßt, durchgeführt werden, so sind bei der Entscheidung über eine Verlegung des Gefangenen die Dringlichkeit der Krankenhausunterbringung und die Entweichungsgefahr sowie die Gefahr für die öffentliche Sicherheit gegeneinander abzuwägen. Eine nicht unverzüglich erforderliche stationäre Behandlung ist danach unter Umständen aufzuschieben.

57.
Benachrichtigung bei Erkrankung oder Todesfall

(1) Wird ein Gefangener schwer krank, so ist ein Angehöriger, eine Person seines Vertrauens oder der gesetzliche Vertreter unverzüglich zu benachrichtigen. Dasselbe gilt, wenn ein Gefangener stirbt.

(2) Dem Wunsche des Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

(3) Der Tod des Gefangenen wird der Aufsichtsbehörde angezeigt.

(4) Das Guthaben des verstorbenen Gefangenen bei der Anstaltszahlstelle und seine Habe werden an den Berechtigten ausgehändigt.

58.
Freizeitbeschäftigung

(1) Der Gefangene erhält Gelegenheit, sich in seiner Freizeit zu beschäftigen. Er soll Gelegenheit erhalten, am Unterricht einschließlich Sport, an Fernunterricht, Lehrgängen und sonstigen Veranstaltungen der Weiterbildung, an Freizeitgruppen, Gruppengesprächen sowie an Sportveranstaltungen teilzunehmen und eine Bücherei zu benutzen. Der Gefangene soll zur Teilnahme angehalten werden; aus erzieherischen Gründen kann er hierzu verpflichtet werden.

(2) Sofern der Gefangene aus der Freizeitbeschäftigung Einkünfte erzielt, gilt Nr. 34 Abs. 7 Satz 1, Abs. 12 Satz 1 entsprechend.

59.
Zeitungen und Zeitschriften

(1) Der Gefangene darf Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen.

(2) Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist oder die dem Erziehungsziel zuwiderlaufen. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen können dem Gefangenen vorenthalten werden, wenn sie das Erziehungsziel oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würden.

(3) Zeitungen und Zeitschriften können durch die Anstalt, den Gefangenen oder einen Dritten bestellt werden. Sie dürfen in der Regel nur über den Postzeitungsdienst oder im Abonnement bezogen werden.

(4) Der Gefangene kann für den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften sein Hausgeld, sein Taschengeld und sein Eigengeld verwenden.

(5) Die Weitergabe von Zeitungen und Zeitschriften oder von Teilen und Ausschnitten an andere Gefangene ist unzulässig, es sei denn, daß dies der Anstaltsleiter gestattet.

(6) Gebrauchte Zeitungen und Zeitschriften werden anderweitig verwertet oder vernichtet; sie sind auf Antrag des Gefangenen zur Habe zu nehmen, falls dieser ein berechtigtes Interesse an der weiteren Aufbewahrung hat.

(7) Der Gefangene hat die Abbestellung, Umbestellung oder Nachsendung von Zeitungen und Zeitschriften selbst zu veranlassen. Die Anstalt ist zur Nachsendung nicht verpflichtet. Gehen für einen entlassenen oder in eine andere Anstalt verlegten Gefangenen Zeitungen oder Zeitschriften ein, hat der Gefangene der Verwertung oder Vernichtung durch die Anstalt nicht zugestimmt und ist auch eine Nachsendung nicht beabsichtigt, so soll die Anstalt die Annahme verweigern.

(8) Werden Zeitungen oder Zeitschriften vom Bezug ausgeschlossen oder einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften vorenthalten, so wird dies dem Gefangenen mitgeteilt.

60.
Hörfunk und Fernsehen

(1) Der Gefangene kann am Hörfunkprogramm der Anstalt sowie am gemeinschaftlichen Fernsehempfang teilnehmen. Die Sendungen sind so auszuwählen, daß Wünsche und Bedürfnisse nach staatsbürgerlicher Information, Bildung und Unterhaltung angemessen berücksichtigt werden. Der Hörfunk- und Fernsehempfang kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Gefangenen untersagt werden, wenn dies zur Erreichung des Erziehungszieles sowie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerläßlich ist.

(2) Eigene Hörfunkgeräte werden unter den Voraussetzungen der Nr. 61, eigene Fernsehgeräte nur in begründeten Ausnahmefällen und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zugelassen.

(3) Der Anstaltsleiter kann anordnen, daß das Hörfunkgerät nur mit Kopfhörer betrieben und daß es während der Ruhezeit aus dem Haftraum entfernt wird.

(4) Ein Hörfunkgerät darf nur ausgehändigt werden, wenn feststeht, daß es den geltenden Bestimmungen und Auflagen entspricht und keine unzulässigen Gegenstände enthält. Die dazu erforderliche Überprüfung und etwa notwendige Änderungen werden durch die Anstalt auf Kosten des Gefangenen veranlaßt.

(5) Zur Verhinderung eines Mißbrauchs kann der Anstaltsleiter die Verplombung des Gerätes anordnen.

(6) Reparaturen sind nur durch Vermittlung der Anstalt zulässig.

(7) Der Gefangene hat die notwendigen Anzeigen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Hörfunkgerätes selbst vorzunehmen und für die Entrichtung der Hörfunkgebühr zu sorgen, sofern er nicht von der Gebührenpflicht befreit ist. Hierauf ist er hinzuweisen.

(8) Der Gefangene darf das Hörfunkgerät ohne abweichende Erlaubnis nur in seinem Haftraum betreiben.

(9) Die Kosten für die Beschaffung, die Überprüfung, eine notwendige Änderung, die Reparatur und den Betrieb des Hörfunkgerätes darf der Gefangene aus seinem Hausgeld, seinem Taschengeld und seinem Eigengeld bestreiten.

61.
Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung

(1) Der Gefangene darf in angemessenem Umfange Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen.

(2) Dies gilt nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands

1.
mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre oder
2.
das Erziehungsziel oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde.

(3) Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.

62.
Soziale Hilfe

(1) Die Anstalt hilft dem Gefangenen, seine persönlichen Schwierigkeiten zu lösen.

(2) Die Hilfe soll darauf gerichtet sein, den Gefangenen in die Lage zu versetzen, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regeln.

63.
Hilfe bei der Aufnahme

(1) Bei der Aufnahme wird dem Gefangenen geholfen, die notwendigen Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige zu veranlassen und seine Habe außerhalb der Anstalt sicherzustellen.

(2) Der Gefangene ist über die Aufrechterhaltung einer Sozialversicherung zu beraten.

64.
Hilfe während des Vollzuges

Der Gefangene wird in dem Bemühen unterstützt, seine Rechte und Pflichten wahrzunehmen, namentlich sein Wahlrecht auszuüben sowie für Unterhaltsberechtigte zu sorgen und einen durch seine Straftat verursachten Schaden zu regeln.

65.
Hilfe zur Entlassung

(1) Um die Entlassung vorzubereiten, ist der Gefangene bei der Ordnung seiner persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu beraten. Die Beratung erstreckt sich auch auf die Benennung der für Sozialleistungen zuständigen Stellen. Dem Gefangenen ist zu helfen, Arbeit, Unterkunft und persönlichen Beistand für die Zeit nach der Entlassung zu finden.

(2) Wird der Gefangene bei der Entlassung einem Bewährungshelfer unterstellt, so hat die Anstalt unverzüglich mit den zuständigen Stellen Verbindung aufzunehmen, um die Betreuungsmaßnahmen für den Gefangenen abzustimmen.

66.
Entlassungsbeihilfe

(1) Der Gefangene erhält, soweit eigene Mittel nicht ausreichen, von der Anstalt eine Beihilfe zu den Reisekosten sowie eine Überbrückungsbeihilfe und erforderlichenfalls ausreichende Kleidung.

(2) Bei der Bemessung der Höhe der Überbrückungsbeihilfe sind die Dauer des Freiheitsentzuges, der persönliche Arbeitseinsatz des Gefangenen und die Wirtschaftlichkeit seiner Verfügungen über Eigengeld und Hausgeld während der Strafzeit zu berücksichtigen. § 51 Abs. 2 Satz 2 und 3 StVollzG gilt entsprechend. Die Überbrückungsbeihilfe kann ganz oder teilweise auch dem Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(3) Reisekosten sind die zum Erreichen des Entlassungsziels notwendigen Aufwendungen für die Fahrt.

(4) Die Höhe der Reisekosten bestimmt sich grundsätzlich nach dem Tarif für die billigste Wagenklasse des in Betracht kommenden öffentlichen Verkehrsmittels.

(5) Dem Gefangenen ist möglichst ein Gutschein für eine Fahrkarte auszuhändigen.

(6) Der Gefangene erhält auf Wunsch Reiseverpflegung, wenn er das Entlassungsziel erst nach mehr als vier Stunden erreichen kann.

(7) Die Überbrückungsbeihilfe soll den Gefangenen in die Lage versetzen, ohne Inanspruchnahme fremder Hilfe seinen notwendigen Lebensunterhalt (Unterkunft, Verpflegung u.ä.) zu bestreiten, bis er ihn aus seiner Arbeit oder aus Zuwendungen auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen (z.B. Arbeitsförderungsgesetz) decken kann. Bei der Bemessung soll von den Leistungen ausgegangen werden, die das Bundessozialhilfegesetz für vergleichbare Fälle vorsieht.

(8) Der Gefangene soll in seiner eigenen Kleidung entlassen werden. Die Bekleidungsstücke werden, soweit erforderlich, auf Kosten des Gefangenen, bei Mittellosigkeit auf Kosten der Anstalt, gereinigt und instandgesetzt.

(9) Entspricht die Kleidung nicht den billigerweise zu stellenden Anforderungen oder ist sie so mangelhaft, daß sich eine Herrichtung nicht lohnt, ist der Gefangene anzuhalten, sich rechtzeitig von seinen Angehörigen oder Dritten ausreichende Bekleidungsstücke übersenden zu lassen oder sie durch Vermittlung der Anstalt aus eigenen Mitteln zu kaufen.

(10) Können Bekleidungsstücke auf diesem Wege nicht beschafft werden, werden sie von der Anstalt zur Verfügung gestellt.

(11) Für die Ausstattung mit den zur Körperpflege notwendigen Gegenständen, mit Koffern u.ä. gelten die Absätze 8 bis 10 entsprechend.

67.
Mutterschaftshilfe

(1) Bei einer Schwangeren oder einer Gefangenen, die unlängst entbunden hat, ist auf ihren Zustand Rücksicht zu nehmen. Die Vorschriften des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter über die Gestaltung des Arbeitsplatzes sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die Gefangene hat während der Schwangerschaft und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung und auf Hebammenhilfe in der Vollzugsanstalt. Zur ärztlichen Betreuung während der Schwangerschaft gehören insbesondere Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft sowie Vorsorgeuntersuchungen einschließlich der laborärztlichen Untersuchungen.

(3) Zur Entbindung ist die Schwangere in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen. Ist dies aus besonderen Gründen nicht angezeigt, so ist die Entbindung in einer Vollzugsanstalt mit Entbindungsabteilung vorzunehmen. Bei der Entbindung wird Hilfe durch eine Hebamme und, falls erforderlich, durch einen Arzt gewährt.

(4) Nr. 56 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

68.
Arznei-, Verband- und Heilmittel

Bei Schwangerschaftsbeschwerden und im Zusammenhang mit der Entbindung werden Arznei-, Verband- und Heilmittel geleistet.

69.
Art und Umfang der Mutterschaftshilfe

Die Nrn. 50, 51 und 56 gelten für die Leistungen der Mutterschaftshilfe entsprechend.

70.
Geburtsanzeige

In der Anzeige der Geburt an den Standesbeamten dürfen die Anstalt als Geburtsstätte des Kindes, das Verhältnis des Anzeigenden zur Anstalt und die Gefangenschaft der Mutter nicht vermerkt sein.

71.
Mütter mit Kindern

(1) Ist das Kind einer Gefangenen noch nicht schulpflichtig, so kann es mit Zustimmung des Inhabers des Aufenthaltsbestimmungsrechts in der Vollzugsanstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter befindet, wenn dies seinem Wohle entspricht. Ist das Jugendamt nicht Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts, so ist es vor der Unterbringung zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten des für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind gefährdet würde.

72.
Sicherheit und Ordnung

(1) Das Verantwortungsbewußtsein des Gefangenen für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt ist zu wecken und zu fördern.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die dem Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, daß sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und den Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

73.
Verhaltensvorschriften

(1) Der Gefangene hat sich nach der Tageseinteilung der Anstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu richten. Er darf durch sein Verhalten gegenüber Vollzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht stören.

(2) Der Gefangene hat die Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen, auch wenn er sich durch sie beschwert fühlt. Einen ihm zugewiesenen Bereich darf er nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(3) Seinen Haftraum und die ihm von der Anstalt überlassenen Sachen hat er in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Der Gefangene hat Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

74.
Persönlicher Gewahrsam, Eigengeld

(1) Der Gefangene darf nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der Vollzugsbehörde oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden. Ohne Zustimmung darf er Sachen von geringem Wert von einem anderen Gefangenen annehmen; die Vollzugsbehörde kann Annahme und Gewahrsam auch dieser Sachen von ihrer Zustimmung abhängig machen.

(2) Eingebrachte Sachen, die der Gefangene nicht in Gewahrsam haben darf, sind für ihn aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Geld wird ihm als Eigengeld gutgeschrieben. Dem Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, seine Sachen, die er während des Vollzuges und für seine Entlassung nicht benötigt, abzusenden oder über sein Eigengeld zu verfügen, soweit dieses nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist oder erzieherische Gründe nicht entgegenstehen.

(3) Weigert sich ein Gefangener, eingebrachtes Gut, dessen Aufbewahrung nach Art und Umfang nicht möglich ist, aus der Anstalt zu verbringen, so ist die Vollzugsbehörde berechtigt, diese Gegenstände auf Kosten des Gefangenen aus der Anstalt entfernen zu lassen.

(4) Die zu verwahrenden Sachen sind in ein Verzeichnis einzutragen. Davon kann, außer bei Wertsachen und wichtigen Schriftstücken (z. B. Personalpapiere, Versicherungsunterlagen), abgesehen werden, wenn die Habe verschlossen verwahrt und der Verschluß nur in Gegenwart des Gefangenen oder eines weiteren Bediensteten geöffnet wird. Die verwahrten Sachen werden vor Verwechslung, Verlust und Verderb geschützt. Wertsachen sind von den übrigen Sachen getrennt besonders sicher zu verwahren. Kleidungsstücke und Wäsche werden, soweit erforderlich, gereinigt und desinfiziert.

(5) Eingebrachte Sachen, deren Aushändigung bei der Entlassung oder deren Absendung durch den Gefangenen nicht vertretbar erscheint (z. B. Waffen, Diebeswerkzeug), werden der zuständigen Behörde angezeigt. Trifft sie keine Verfügung, so werden die Sachen bei der Entlassung dem Gefangenen ausgehändigt oder dem Erziehungsberechtigten übersandt. Absatz 6 bleibt unberührt.

(6) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln, werden von der Vollzugsbehörde in Verwahrung genommen.

(7) Eigengeld, das für einen Gefangenen zu einer bestimmten Verwendung eingezahlt wird, wird nicht als Überbrückungsgeld behandelt, wenn der Verwendungszweck der Eingliederung oder Erziehung des Gefangenen dient. Ein Geldbetrag im Sinne von Nr. 40 Abs. 2 Satz 3 wird bis zu dem für den Ersatzeinkauf festgesetzten Höchstbetrag ebenfalls nicht als Überbrückungsgeld behandelt.

75.
Durchsuchung

(1) Der Gefangene, seine Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Bei der Durchsuchung männlicher Gefangener dürfen nur Männer, bei der Durchsuchung weiblicher Gefangener nur Frauen anwesend sein. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzuge oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie muß in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) Der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, daß Gefangene bei der Aufnahme nach Absatz 2 und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt zu durchsuchen sind.

(4) In geschlossenen Anstalten haben sich die Vollzugsbediensteten durch unvermutete Durchsuchungen laufend davon zu überzeugen, daß die Räume, die von den Gefangenen benutzt werden, und ihre Einrichtungsgegenstände unbeschädigt sind, daß nichts vorhanden ist, was die Sicherheit oder Ordnung gefährden könnte, vor allem, daß keine Vorbereitungen zu Angriffen oder Flucht getroffen werden. Diese Räume sind in kurzen Zeitabständen zu durchsuchen. Bei gefährlichen und fluchtverdächtigen Gefangenen kann eine tägliche Durchsuchung angeordnet werden. Türen, Tore, Gitter und Schlösser sind regelmäßig und besonders sorgfältig zu überprüfen.

(5) Gefährliche, fluchtverdächtige und solche Gefangene, bei denen die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht, sind ebenso wie ihre Sachen häufiger zu durchsuchen. Bei Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung kann davon abgesehen werden, wenn dies nicht das geeignete Mittel ist, um der Gefahr zu begegnen.

76.
Sichere Unterbringung

(1) Ein Gefangener kann in eine andere Jugendstrafanstalt verlegt werden, die zu seiner sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße Fluchtgefahr gegeben ist oder sonst sein Verhalten oder sein Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt darstellt.

(2) Die Verlegung bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde, wenn der Gefangene in eine nach dem Vollstreckungsplan nicht zuständige Anstalt verlegt werden soll.

77.
Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Zur Sicherung des Vollzuges sind als erkennungsdienstliche Maßnahmen zulässig

1.
die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
2.
die Aufnahme von Lichtbildern,
3.
die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale,
4.
Messungen.

(2) Die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen werden zu den Gefangenenpersonalakten genommen. Sie können auch in kriminalpolizeilichen Sammlungen verwahrt werden.

(3) Personen, die auf Grund des Absatzes 1 erkennungsdienstlich behandelt worden sind, können nach der Entlassung aus dem Vollzug verlangen, daß die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen vernichtet werden, sobald die Vollstreckung der richterlichen Entscheidung, die dem Vollzug zugrunde gelegen hat, abgeschlossen ist. Sie sind über dieses Recht spätestens bei der Entlassung zu belehren.

78.
Nacheile

(1) Entweicht ein Gefangener, ist er unverzüglich und nachdrücklich zu verfolgen. Reichen die Mittel, die der Anstalt zur Verfügung stehen, nicht aus, so ist die Hilfe der Polizei und gegebenenfalls anderer Stellen in Anspruch zu nehmen. Führt die unmittelbare Verfolgung oder die von der Anstalt veranlaßte Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, so sind weitere Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zu überlassen.

(2) Die Entweichung und die Maßnahmen, die zur Wiederergreifung des Entwichenen getroffen worden sind, zeigt der Anstaltsleiter unverzüglich – in der Regel fernmündlich voraus – der Aufsichtsbehörde an. Der Anstaltsleiter unterrichtet die Aufsichtsbehörde auch über die Wiederergreifung oder die freiwillige Rückkehr eines entwichenen Gefangenen.

(3) Der Hergang der Entweichung ist festzustellen. Die Ermittlungen müssen sich darauf erstrecken, ob der Entwichene Helfer hatte und ob die Flucht auf pflichtwidriges Verhalten von Bediensteten oder auf Mängel von Anstaltseinrichtungen zurückzuführen ist. Der Anstaltsleiter berichtet der Aufsichtsbehörde schriftlich über das Ergebnis der Ermittlungen und die getroffenen Maßnahmen.

79.
Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen einen Gefangenen können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach seinem Verhalten oder auf Grund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

1.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2.
die Beobachtung bei Nacht,
3.
die Absonderung von anderen Gefangenen,
4.
der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung.

(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn aus anderen Gründen als denen des Absatzes 1 in erhöhtem Maße Fluchtgefahr besteht.

(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur soweit aufrechterhalten werden, als es ihr Zweck erfordert.

(6) Mehrere besondere Sicherungsmaßnahmen können nebeneinander angeordnet werden, wenn die Gefahr anders nicht abgewendet werden kann.

(7) Es ist in angemessenen Abständen zu überprüfen, ob und in welchem Umfang die besonderen Sicherungsmaßnahmen aufrechterhalten werden müssen.

(8) Die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum und die Fesselung sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden.

80.
Einzelhaft

(1) Die unausgesetzte Absonderung eines Gefangenen (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person des Gefangenen liegen, unerläßlich ist.

(2) Einzelhaft von mehr als drei Monaten Gesamtdauer in einem Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, daß der Gefangene am Gottesdienst oder an der Freistunde teilnimmt.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 ist der Aufsichtsbehörde so rechtzeitig zu berichten, daß eine Entscheidung vor Ablauf der Frist möglich ist.

81.
Fesselung

(1) In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse des Gefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

(2) Der gefesselte Gefangene wird während des Aufenthalts im Freien von nicht gefesselten Gefangenen getrennt gehalten.

(3) Zur Einnahme der Mahlzeiten und zur Verrichtung der Notdurft werden Handfesseln, nötigenfalls nach Anlegen von Fußfesseln, abgenommen oder so gelockert, daß der Gefangene nicht behindert ist.

82.
Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzuge können auch andere Bedienstete der Anstalt diese Maßnahme vorläufig anordnen. Die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.

(2) Wird ein Gefangener ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet sein seelischer Zustand den Anlaß der Maßnahme, ist vorher der Arzt zu hören. Ist dies wegen Gefahr im Verzuge nicht möglich, wird seine Stellungnahme unverzüglich eingeholt.

83.
Ärztliche Überwachung

(1) Ist ein Gefangener in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt (Nr. 79 Abs. 2 Ziff. 5 und 6), so sucht ihn der Anstaltsarzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes (Nr. 79 Abs. 4).

(2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, solange einem Gefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen wird. Das gleiche gilt in den Fällen von Nr. 80 Abs. 2 Satz 1.

(3) Der Anstaltsarzt ist von der Fesselung eines Gefangenen innerhalb der Anstalt oder der Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum unverzüglich zu unterrichten.

(4) Ist der Arzt nicht anwesend, sucht ein im Sanitätsdienst erfahrener Bediensteter den Gefangenen auf.

(5) Jeder Besuch und der erhobene Befund sind zu vermerken.

84.
Ersatz von Aufwendungen

(1) Soweit der Gefangene verpflichtet ist, der Vollzugsbehörde Aufwendungen zu ersetzen, die er durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder Verletzung eines anderen Gefangenen verursacht hat, ist von der Geltendmachung dieser Forderung abzusehen, wenn hierdurch die Erziehung des Gefangenen oder seine Eingliederung behindert würde.

(2) Bestehen Zweifel an der Verantwortlichkeit des Gefangenen, ist hierzu eine Stellungnahme des Anstaltsarztes einzuholen. Dies gilt insbesondere bei Gefangenen, die sich eine Selbstverletzung zugefügt haben.

(3) Wird der Gefangene in eine andere Anstalt verlegt, ist dieser die Forderung zur weiteren Einziehung mitzuteilen. Wird der Gefangene in eine Anstalt eines anderen Landes verlegt, ist die aufnehmende Anstalt um die weitere Einziehung der Forderung im Wege der Amtshilfe zu ersuchen.

85.
Unmittelbarer Zwang

(1) Bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang (§ 178 i.V.m. §§ 94 bis 101 StVollzG) sind folgende Vorschriften zu beachten:

(2) Den bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang Verletzten ist Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen, sobald die Lage es zuläßt. Diese Verpflichtung geht den Pflichten nach den Absätzen 3 und 4 vor.

(3) Ist jemand durch Anwendung unmittelbaren Zwanges oder durch sonstige Gewaltanwendung getötet oder erheblich verletzt worden, so sind am Ort des Vorfalls nach Möglichkeit keine Veränderungen vorzunehmen. Das gleiche gilt bei jeder Verletzung, die durch den Gebrauch einer Schußwaffe in Anwendung unmittelbaren Zwanges oder bei sonstiger Gewaltanwendung verursacht worden ist.

(4) Jeder Fall der Anwendung unmittelbaren Zwanges ist dem Anstaltsleiter unverzüglich zu melden und aktenkundig zu machen. Über jeden Gebrauch von Waffen (§ 95 Abs. 4 StVollzG) ist der Aufsichtsbehörde zu berichten.

(5) Ist der Zweck einer Zwangsmaßnahme erreicht oder kann er nicht erreicht werden, so ist ihr Vollzug einzustellen.

(6) Werden mehrere Vollzugsbedienstete gemeinsam tätig, so ist nur der den Einsatz Leitende befugt, unmittelbaren Zwang anzuordnen oder einzuschränken. Ist ein den Einsatz leitender Bediensteter nicht bestimmt oder fällt er aus, ohne daß ein Vertreter bestellt ist, tritt der anwesende dienstranghöchste, bei gleichem Dienstrang der dienstältere und bei gleichem Dienstalter der der Geburt nach älteste Vollzugsbedienstete an seine Stelle. Ist dies in dringender Lage nicht sofort feststellbar, darf jeder, der hiernach in Betracht kommenden Vollzugsbediensteten die Führung einstweilen übernehmen. Die Übernahme der Führung ist bekanntzugeben.

(7) Das Recht höherer Vorgesetzter, unmittelbaren Zwang anzuordnen oder einzuschränken, bleibt unberührt.

(8) Wer sich nicht am Ort des Geschehens befindet, darf eine Anordnung über unmittelbaren Zwang nur treffen, wenn er sich ein genaues Bild von den am Ort des Geschehens herrschenden Verhältnissen verschafft hat, so daß ein Irrtum über die Voraussetzungen nicht zu befürchten ist. Ändern sich zwischen der Anordnung und ihrer Ausführung die tatsächlichen Verhältnisse und kann der Anordnende vor der Ausführung nicht mehr verständigt werden, so entscheidet der örtlich leitende Bedienstete über die Anwendung unmittelbaren Zwanges. Der Anordnende ist unverzüglich zu verständigen.

(9) Der Gebrauch von Waffen darf nur am Ort des Geschehens angeordnet werden.

(10) Erklärungen des Gefangenen, die im Zusammenhang mit ärztlichen Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können, sollen schriftlich festgehalten und von dem Gefangenen unterzeichnet werden. Verweigert der Gefangene seine Unterschrift, wird dies ebenfalls aktenkundig gemacht. Mündliche Willensbekundungen sollen in Gegenwart von Zeugen aufgenommen und in einem Vermerk festgehalten werden, der von dem oder den Zeugen zu unterzeichnen ist. Die schriftliche Erklärung oder der Vermerk über die mündliche Äußerung ist zu den Gesundheitsakten und zu den Gefangenenpersonalakten zu nehmen.

(11) Der Anstaltsarzt belehrt den Gefangenen in Anwesenheit eines Zeugen über die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahmen und die Möglichkeit einer zwangsweisen Behandlung sowie über die gesundheitlichen Folgen einer Nichtbehandlung. Die Belehrung ist aktenkundig zu machen.

(12) Ein Gefangener, der beharrlich die Aufnahme von Nahrung verweigert, wird ärztlich beobachtet.

86.
Pflichtverstöße

(1) Verstößt ein Gefangener gegen Pflichten, die ihm im Vollzug auferlegt sind, kann unmittelbar auf die Pflichtverletzung eine Maßnahme angeordnet werden, die geeignet ist, ihm sein Fehlverhalten bewußt zu machen. Als Maßnahmen kommen namentlich in Betracht die Erteilung von Weisungen und Auflagen sowie beschränkende Anordnungen in Bezug auf die Freizeitbeschäftigung (Nr. 58) bis zur Dauer von einer Woche.

(2) Reichen bei schuldhaften Pflichtverstößen Maßnahmen nach Absatz 1 nicht aus, kann der Anstaltsleiter gegen den Gefangenen Disziplinarmaßnahmen anordnen.

(3) Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

87.
Arten der Disziplinarmaßnahmen

(1) Die zulässigen Disziplinarmaßnahmen sind:

1.
der Verweis,
2.
die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten,
3.
die Beschränkung oder der Entzug des Lesestoffs bis zu zwei Wochen sowie des Hörfunk- und Fernsehempfangs bis zu drei Monaten; der gleichzeitige Entzug jedoch nur bis zu zwei Wochen,
4.
die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit oder der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu drei Monaten,
5.
die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,
6.
der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der im Strafvollzugsgesetz geregelten Bezüge,
7.
die Beschränkung des Verkehrs mit Personen außerhalb der Anstalt auf dringende Fälle bis zu drei Monaten,
8.
Arrest bis zu zwei Wochen.

(2) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(3) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(4) Die Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 3 bis 7 sollen möglichst nur angeordnet werden, wenn die Verfehlung mit den zu beschränkenden oder zu entziehenden Befugnissen im Zusammenhang steht. Dies gilt nicht bei einer Verbindung mit Arrest.

88.
Vollzug der Disziplinarmaßnahmen. Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.

(2) Eine Disziplinarmaßnahme kann ganz oder teilweise bis zu drei Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden.

(3) Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt oder entzogen, ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen.

(4) Wird der Verkehr des Gefangenen0mit Personen außerhalb der Anstalt eingeschränkt, ist ihm Gelegenheit zu geben, dies einer Person, mit der er im Schriftwechsel steht oder die ihn zu besuchen pflegt, mitzuteilen. Der Schriftwechsel mit den in Nr. 24 Abs. 1 und 9 genannten Empfängern, mit Gerichten und Justizbehörden in der Bundesrepublik sowie mit Rechtsanwälten und Notaren in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache bleibt unbeschränkt.

(5) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Der Gefangene kann in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muß, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse des Gefangenen aus den Nrn. 14, 15, 17, 32, 33, 59 bis 61.

(6) Die Bewährungszeit (Absatz 2) kann vor ihrem Ablauf verkürzt oder bis zur zulässigen Höchstfrist verlängert werden.

(7) Die Aussetzung zur Bewährung kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn der Gefangene die ihr zugrundeliegenden Erwartungen nicht erfüllt.

(8) Wird die Aussetzung zur Bewährung nicht widerrufen, darf die Disziplinarmaßnahme nach Ablauf der Bewährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden.

89.
Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Wege in eine andere Anstalt zum Zwecke der Verlegung ist der Leiter der Bestimmungsanstalt zuständig.

(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung des Gefangenen gegen den Anstaltsleiter richtet.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen einen Gefangenen in einer anderen Vollzugsanstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. Nr. 88 Abs. 2 bleibt unberührt.

(4) Zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ist der Leiter der Anstalt zuständig, der der Gefangene zur Zeit der Verfehlung angehört. Für die nachfolgenden Entscheidungen ist der Leiter der Anstalt zuständig, in der sich der Gefangene zu diesem Zeitpunkt aufhält.

90.
Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Der Gefangene wird gehört. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung des Gefangenen wird vermerkt.

(2) Bei schweren Verstößen soll der Anstaltsleiter sich vor der Entscheidung in einer Konferenz mit Personen besprechen, die bei der Erziehung des Gefangenen mitwirken. Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen einen Gefangenen, der sich in ärztlicher Behandlung befindet, oder gegen eine Schwangere oder eine stillende Mutter ist der Anstaltsarzt zu hören.

(3) Die Entscheidung wird dem Gefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefaßt.

(4) Der Gefangene wird darüber unterrichtet, welche Verfehlung ihm zur Last gelegt wird.

(5) Es sind sowohl die belastenden als auch die entlastenden Umstände zu ermitteln. Die Ermittlungen erstrecken sich erforderlichenfalls auch auf die Frage der Verantwortlichkeit des Gefangenen; insoweit ist der Anstaltsarzt zu hören.

(6) Vor der Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme erhält der Gefangene Gelegenheit, sich zu dem Ergebnis der Ermittlungen zu äußern.

(7) Mehrere Verfehlungen eines Gefangenen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.

(8) Der Anstaltsleiter kann mit der Durchführung der Ermittlungen und der Anhörung des Gefangenen einen anderen Bediensteten beauftragen, jedoch nicht den, gegen den sich die Verfehlung richtet.

91.
Mitwirkung des Arztes

(1) Bevor der Arrest vollzogen wird, ist der Arzt zu hören. Während des Arrestes steht der Gefangene unter ärztlicher Aufsicht.

(2) Der Vollzug des Arrestes unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit des Gefangenen gefährdet würde.

(3) Das Ergebnis der ärztlichen Beurteilung ist aktenkundig zu machen.

92.
Beschwerderecht

(1) Der Gefangene erhält Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.

(2) Besichtigt ein Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, daß ein Gefangener sich in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an ihn wenden kann.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

(4) Der Gefangene kann sich jederzeit schriftlich an den Anstaltsleiter wenden.

(5) Sprechstunden von angemessener Dauer sind mindestens einmal wöchentlich einzurichten. Das Nähere regelt die Hausordnung.

(6) Dem Vertreter der Aufsichtsbehörde ist bei Besichtigungen (Nr. 98 Abs. 3 und 4) unaufgefordert eine Liste der Gefangenen vorzulegen, die sich für eine Anhörung nach Absatz 2 haben vormerken lassen.

(7) Eingaben, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden, die nach Form oder Inhalt nicht den im Verkehr mit Behörden üblichen Anforderungen entsprechen oder bloße Wiederholungen enthalten, brauchen nicht beschieden zu werden. Der Gefangene ist entsprechend zu unterrichten. Eine Überprüfung des Vorbringens von Amts wegen bleibt unberührt.

(8) Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Anordnungen und Maßnahmen des Anstaltsleiters, denen nicht abgeholfen wird, sind unverzüglich der Aufsichtsbehörde vorzulegen.

(9) Beschwerden, die an eine offenbar unzuständige oder nicht ohne weiteres zuständige Vollzugsbehörde gerichtet sind, leitet der Anstaltsleiter an die zuständige Vollzugsbehörde weiter.

93.
Strafvollstreckung und Untersuchungshaft

Wird Untersuchungshaft zum Zwecke der Strafvollstreckung unterbrochen oder wird gegen einen Gefangenen in anderer Sache Untersuchungshaft angeordnet, so sind Nrn. 92 und 93 der Untersuchungshaftvollzugsordnung zu beachten.

94.
Trennung

Weibliche Gefangene sind getrennt von männlichen Gefangenen unterzubringen.

95.
Arbeitsbeschaffung, Gelegenheit zur beruflichen Bildung

(1) Die Vollzugsbehörde soll im Zusammenwirken mit den Vereinigungen und Stellen des Arbeits- und Wirtschaftslebens dafür sorgen, daß jeder arbeitsfähige Gefangene wirtschaftlich ergiebige Arbeit ausüben kann, und dazu beitragen, daß er beruflich gefördert, beraten und vermittelt wird.

(2) Die Vollzugsbehörde stellt durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicher, daß die Bundesanstalt für Arbeit die ihr obliegenden Aufgaben wie Berufsberatung, Arbeitsberatung und Arbeitsvermittlung durchführen kann.

96.
Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur beruflichen Bildung

(1) In den Anstalten sind die notwendigen Betriebe für die nach Nr. 32 Abs. 2 zuzuweisenden Arbeiten vorzusehen sowie die erforderlichen Einrichtungen zur beruflichen Bildung (Nr. 32 Abs. 1) und arbeitstherapeutischen Beschäftigung (Nr. 32 Abs. 4).

(2) Die in Absatz 1 genannten Betriebe und sonstigen Einrichtungen sind den Verhältnissen außerhalb der Anstalten anzugleichen. Die Jugendarbeitsschutz-, Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften sind zu beachten.

(3) Die berufliche Bildung und die arbeitstherapeutische Beschäftigung können auch in geeigneten Einrichtungen privater Unternehmen erfolgen.

(4) In den von privaten Unternehmen unterhaltenen Betrieben und sonstigen Einrichtungen kann die technische und fachliche Leitung Angehörigen dieser Unternehmen übertragen werden.

(5) Der Tätigkeitsbereich der Angehörigen von Unternehmerbetrieben in den Anstalten wird in einer Anweisung festgelegt; das Personal wird auf die Einhaltung dieser Anweisung verpflichtet.

97.
Vollzugsgemeinschaften

Für Jugendstrafanstalten können die Länder Vollzugsgemeinschaften bilden.

98.
Aufsichtsbehörden

(1) Die Landesjustizverwaltungen führen die Aufsicht über die Jugendstrafanstalten. Sie können Aufsichtsbefugnisse auf Justizvollzugsämter übertragen.

(2) An der Aufsicht über das Arbeitswesen sowie über die Sozialarbeit, die Weiterbildung, die Gesundheitsfürsorge und die sonstige fachlich begründete Erziehung der Gefangenen sind eigene Fachkräfte zu beteiligen; soweit die Aufsichtsbehörde nicht über eigene Fachkräfte verfügt, ist fachliche Beratung sicherzustellen.

(3) Die Aufsichtsbehörde sucht alle Anstalten so häufig auf, daß sie stets über den gesamten Vollzug unterrichtet bleibt.

(4) Die Landesjustizverwaltungen regeln den Besuch von Anstalten durch anstaltsfremde Personen sowie den Verkehr von Gefangenen mit Vertretern von Publikationsorganen (Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen).

99.
Vollstreckungsplan

(1) Die Landesjustizverwaltung regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Jugendstrafanstalten in einem Vollstreckungsplan.

(2) Im Vollstreckungsplan soll auch festgelegt werden, welche Anstalten und Abteilungen Einrichtungen des offenen Vollzugs sind.

100.
Zuständigkeit für Verlegungen

Die Landesjustizverwaltung kann sich Entscheidungen über Verlegungen vorbehalten oder sie einer zentralen Stelle übertragen.

101.
Zusammenarbeit

(1) Alle im Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, die Aufgaben des Vollzuges zu erfüllen.

(2) Mit dem Vollstreckungsleiter und den Behörden und Stellen der Entlassenenfürsorge, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, den Jugendämtern, den Arbeitsämtern, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfseinrichtungen anderer Behörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege ist eng zusammenzuarbeiten. Die Vollzugsbehörden sollen mit Personen und Vereinen, deren Einfluß die Eingliederung des Gefangenen fördern kann, zusammenarbeiten.

(3) Der Vollstreckungsleiter hält mit dem Anstaltsleiter und den Beamten der Jugendstrafanstalt Fühlung und nimmt an Vollzugsangelegenheiten von größerer Bedeutung beratend teil.

102.
Vollzugsbedienstete

Die Aufgaben der Jugendstrafanstalten werden von Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Jugendstrafanstalten sowie nebenamtlich oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.

103.
Anstaltsleiter, Vollzugsleiter

(1) Für jede Jugendstrafanstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen.

(2) Der Anstaltsleiter vertritt die Anstalt nach außen. Er ist Vollzugsleiter und trägt die Verantwortung für den Vollzug.

(3) Die Aufsichtsbehörde bestimmt den Vertreter des Anstaltsleiters.

(4) Der Anstaltsleiter legt schriftlich fest, welche Bediensteten in seinem Auftrag Entscheidungen treffen können.

(5) Der Anstaltsleiter kann in fachlichen Angelegenheiten des Dienstes der Seelsorger, Ärzte, Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeiter, die sich seiner Beurteilung entziehen, Auskunft verlangen und Anregungen geben.

(6) Die Durchführung von Maßnahmen der in Absatz 5 genannten Fachkräfte, die nach seiner Überzeugung die Sicherheit der Anstalt, die Ordnung der Verwaltung oder die zweckmäßige Erziehung der Gefangenen gefährden, kann der Anstaltsleiter bis zur Entscheidung der Aufsichtsbehörde aussetzen, wenn eine Aussprache zwischen den Beteiligten zu keiner Einigung führt.

(7) Der Anstaltsleiter berichtet unverzüglich der Aufsichtsbehörde über außerordentliche Vorkommnisse und über Angelegenheiten, die Anlaß zu allgemeiner Regelung geben können.

104.
Seelsorge

(1) Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters dürfen die Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorger von außen zuziehen.

105.
Ärztliche Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Ärzte sicherzustellen. Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlich oder vertraglich verpflichteten Ärzten übertragen werden.

(2) Die Pflege der Kranken soll von Personen ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange Personen im Sinne von Satz 1 nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

106.
Konferenzen

(1) Zur Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplanes und zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen im Vollzug führt der Anstaltsleiter Konferenzen mit an der Erziehung maßgeblich Beteiligten durch.

(2) Weitere Dienstbesprechungen auch mit den anderen Vollzugsbediensteten der Anstalt finden in regelmäßigen Abständen statt.

107.
Gefangenenmitverantwortung

Den Gefangenen soll ermöglicht werden, an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse teilzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für ihre Mitwirkung eignen.

108.
Hausordnung

(1) Der Anstaltsleiter erläßt eine Hausordnung. Sie bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

(2) In die Hausordnung sind namentlich die Anordnungen aufzunehmen über

1.
die Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,
2.
die Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie
3.
die Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.

(3) Ein Abdruck der Hausordnung ist in jedem Haftraum auszulegen.

109.
Kriminologische Forschung

Dem kriminologischen Dienst obliegt es, in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Forschung den Vollzug, namentlich die Erziehungsmethoden, wissenschaftlich fortzuentwickeln und seine Ergebnisse für Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar zu machen.

110.
Einbehaltung von Beitragsteilen

Der in § 195 StVollzG bestimmte Beitragsanteil wird einbehalten. Bei unbilliger Härte kann von der Einbehaltung des Beitrages abgesehen werden.

111.
Dienst- und Sicherheitsvorschriften

(1) Die Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) gelten entsprechend.

(2) Der Gefangene wird mit „Sie“ angesprochen, soweit der Anstaltsleiter für Gefangene unter 16 Jahren nicht etwas anderes bestimmt.

112.
Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz
zum Strafvollzugsgesetz

Die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zum Strafvollzugsgesetz (SVVStVollzG ) vom 11. Dezember 2001 (SächsJMBl. 2002 S. 2), in der jeweils geltenden Fassung, gilt im Jugendstrafvollzug entsprechend, soweit die ihr zugrundeliegenden Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes in die bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug aufgenommen sind.

Dresden, den 25. März 1994

Der Staatsminister der Justiz
Steffen Heitmann

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsJMBl. 1994 Nr. 5, S. 42
    Fsn-Nr.: 311-V94.3

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 1. Januar 2002

    Fassung gültig bis: 30. Juni 2003