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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV Arzneimittelrisiko

Vollzitat: VwV Arzneimittelrisiko vom 22. Dezember 2014 (SächsABl. 2015 S. 434), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 23. November 2021 (SächsABl. SDr. S. S 230)

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums
für Soziales und Verbraucherschutz
und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
über Maßnahmen bei Arzneimittelrisiken
(VwV Arzneimittelrisiko)

Vom 22. Dezember 2014

I.
Grundsätze

1.
Der laufenden Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit muss im Interesse der Allgemeinheit durch geeignete Verwaltungsmaßnahmen Rechnung getragen werden. Als Arzneimittelrisiken im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift kommen insbesondere Zwischenfälle mit Arzneimitteln in Betracht, aus denen unmittelbar oder mittelbar Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung sowie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen können. Bei unvorhergesehenen Vorkommnissen mit Arzneimitteln müssen die notwendigen Maßnahmen innerhalb des Freistaates Sachsen sowie gegebenenfalls länderübergreifend koordiniert, erforderlichenfalls unverzüglich und unter Vermeidung überstürzter und unzweckmäßiger Aktionen eingeleitet werden.
2.
Die Erfassung und Bearbeitung von Arzneimittelrisiken erfolgt gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beobachtung, Sammlung und Auswertung von Arzneimittelrisiken (Stufenplan) nach § 63 des Arzneimittelgesetzes (AMG) vom 9. Februar 2005 (BAnz. S. 2383) sowie gemäß der Verfahrensanweisung des Qualitätssicherungssystems der Länder für den Bereich der Arzneimittelüberwachung und -untersuchung 121101 „Vorgehensweise bei Arzneimittelrisiken, Verbraucherbeschwerden und sonstigen Beanstandungen“ (VAW 121101), in der jeweils geltenden Fassung.
3.
Zuständige Behörde für die Entgegennahme von Meldungen über Arzneimittelrisiken und deren Bearbeitung ist die Landesdirektion Sachsen.
 
 
Landesdirektion Sachsen
Dienststelle Leipzig
Braustraße 2
04107 Leipzig
Telefon: 0341 977-2400 oder 0351 825-2414
Fax: 0341 977-2097 oder 0351 825-9201
E-Mail: Arzneimittelrisiken@lds.sachsen.de
4.
Zuständige Behörde im Sinne von Nummer 4.2 des Stufenplans ist das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz.
 
 
Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz
Albertstraße 10
01097 Dresden
Telefon: 0351 564-5726 oder 564-5653
Fax: 0351 564-5770
E-Mail: Arzneimittelrisiken@sms.sachsen.de
5.
Zuständige Behörde im Sinne von Nummer 4.3 des Stufenplans ist die Landesdirektion Sachsen.
6.
Alle in dieser Verwaltungsvorschrift genannten Behörden und Stellen nehmen Meldungen über Arzneimittelrisiken von anderen Behörden (zum Beispiel Gesundheitsämter, Polizeidienststellen), von betroffenen Fachkreisen (zum Beispiel Ärzte, Apotheker, Zahn- und Tierärzte, Krankenhäuser, pharmazeutische Industrie) sowie von sonstigen Personen und Institutionen, die mit Arzneimitteln umgehen, direkt entgegen.
7.
Sofern Meldungen über Arzneimittelrisiken bei anderen Behörden eingehen oder dort Beobachtungen bekannt werden, die einen solchen Verdacht rechtfertigen, sind diese sofort den Behörden gemäß Ziffer III Nummer 1 mitzuteilen. Sofern an Behörden und Stellen Verdachtsmeldungen über Arzneimittelrisiken aus der Bevölkerung herangetragen werden, sollte vor allem auf die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe oder die Weiterleitung der Information an eine Apotheke verwiesen werden.
8.
Gesetzlich geregelte Informationswege bei Arzneimittelrisiken (zum Beispiel Apothekenbetriebsordnung, Arzneimittelgesetz, Berufsordnung der Ärzte und Apotheker) bleiben vom Inhalt dieser Verwaltungsvorschrift unberührt.

II.
Arzneimittelrisiken

1.
Als Arzneimittelrisiken im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift kommen insbesondere in Betracht:
 
a)
Mängel der Qualität,
 
b)
Mängel der Behältnisse und äußeren Umhüllungen,
 
c)
Mängel der Kennzeichnung und der Fach- und Gebrauchsinformation und
 
d)
Arzneimittelfälschungen.
2.
Die Meldungen über Arzneimittelrisiken sollen nach Möglichkeit folgende Mindestangaben enthalten:
 
a)
Bezeichnung des Arzneimittels,
 
b)
Darreichungsform und Stärke,
 
c)
Name oder Firma und Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers,
 
d)
Packungsgröße,
 
e)
Chargenbezeichnung,
 
f)
Verfalldatum,
 
ga)
Zulassungs- beziehungsweise Registrierungsnummer,
 
h)
beobachtetes Arzneimittelrisiko,
 
i)
Maßnahmen, die gegebenenfalls schon ergriffen wurden oder beabsichtigt sind, und
 
j)
meldende Stelle.

III.
Informationswege (Alarmplan)

1.
Arzneimittelrisiken, die eine akute gesundheitliche Gefährdung der Allgemeinheit oder bestimmter Personen zur Folge haben können (Verdachtsfälle der Risikoklassen I und II), sind bei Bekanntwerden mit dem Stichwort „Arzneimittelrisiko“ unverzüglich telefonisch, durch Telefax oder durch E-Mail mitzuteilen.
 
a)
Während der Dienstzeit nimmt die Landesdirektion Sachsen Meldungen über derartige Arzneimittelrisiken entgegen. Sie informiert unverzüglich das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz über den Arzneimittelzwischenfall und stimmt das weitere Vorgehen mit diesem ab.
 
b)
Ist in unaufschiebbaren Fällen außerhalb der Dienstzeit die Landesdirektion Sachsen nicht zu erreichen, werden Meldungen und Informationen vom Lagezentrum beim Staatsministerium des Innern entgegengenommen. Das Lagezentrum ist folgendermaßen erreichbar:
 
 
 
Sächsisches Staatsministerium des Innern
Abteilung 3 – Landespolizeipräsidium, Lagezentrum
Wilhelm-Buck-Straße 2
01097 Dresden
Telefon: 0351 564-3775
Fax: 0351 564-3779
 
 
Das Lagezentrum stimmt in diesem Fall das weitere Vorgehen unverzüglich mit den vom Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz oder der Landesdirektion Sachsen benannten Vertretern ab.
2.
Arzneimittelrisiken, die keine unmittelbare Gefährdung der Allgemeinheit oder bestimmter Personen darstellen, sind ebenfalls unverzüglich mitzuteilen und werden von der Landesdirektion Sachsen eigenverantwortlich bearbeitet.
3.
Die Landesdirektion Sachsen informiert über die eingegangene Meldung sowie über den Bearbeitungsstand und die getroffenen Maßnahmen fortlaufend das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz.

IV.
Maßnahmen

1.
Die zuständigen Behörden können im Zuge der Gefahrenabwehr insbesondere folgende Maßnahmen ergreifen:
 
a)
gezielte Information ausgewählter Fachkreise (zum Beispiel Ärzte, Apotheker, Krankenhäuser, pharmazeutischer Großhandel),
 
b)
Information der Fachkreise unter Nutzung des Informationssystems der Sächsischen Landesärztekammer sowie der Sächsischen Landesapothekerkammer,
 
c)
Information der Fachkreise unter Nutzung des Informationssystems der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft beziehungsweise der Deutschen Apotheker,
 
d)
unmittelbare (direkte) Information der Fachkreise und
 
e)
Warnung der Bevölkerung, sofern Gefahr für deren Gesundheit besteht. Gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen nach § 69 des Arzneimittelgesetzes bleiben hiervon unberührt.
2.
Das Lagezentrum beim Staatsministerium des Innern kann zur Gefahrenabwehr außerhalb der Dienstzeit folgende Maßnahmen ergreifen:
 
a)
Information der Lagezentren der anderen Bundesländer,
 
b)
Information der Krankenhäuser, der Rettungsleitstellen sowie der diensthabenden Apotheken im Freistaat Sachsen über die nachgeordneten Polizeidienststellen (für die Aktualisierung der entsprechenden Liste der Krankenhäuser ist das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz verantwortlich) und
 
c)
Information der Bevölkerung über die Medien nach Maßgabe einer von den Vertretern des Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz oder der Landesdirektion Sachsen übermittelten Warnmeldung.
3.
Für die länderübergreifende Koordinierung von Maßnahmen bei Arzneimittelrisiken ist das für den pharmazeutischen Unternehmer zuständige Land federführend. Sind mehrere Länder federführend betroffen, sollen die erforderlichen Maßnahmen einvernehmlich über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten der Länder festgelegt werden, erforderlichenfalls kann dazu auch eine gutachterliche Stellungnahme bei der zuständigen Bundesoberbehörde angefordert werden. Über die beabsichtigten oder bereits veranlassten Maßnahmen werden die übrigen Obersten Landesgesundheitsbehörden und die zuständige Bundesoberbehörde unverzüglich informiert. Im Interesse eines einheitlichen Vollzuges orientieren sich die entsprechenden Aktivitäten der anderen Länder an diesen Maßnahmen.
4.
Besteht bei einem Arzneimittelrisiko nach Ziffer III Nummer 1 der Verdacht, dass der Zulassungsstatus des Präparats betroffen ist oder liegt eine staatliche Chargenfreigabe vor, ist zur weiteren Veranlassung unverzüglich die zuständige Bundesoberbehörde zu unterrichten.
5.
Untersuchungen und Begutachtungen, die im Zusammenhang mit im Freistaat Sachsen festgestellten Arzneimittelrisiken erforderlich werden, sind von der Landesdirektion Sachsen mittels der
 
 
Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen
Jägerstrasse 8/10
01099 Dresden
Telefon: 0351 8144-0
Fax: 0351 8144-1020
 
bei der beauftragten Arzneimitteluntersuchungsstelle zu veranlassen.
6.
Die Landesdirektion Sachsen hat bei den pharmazeutischen Unternehmern ihres Zuständigkeitsbereiches darauf hinzuwirken, dass eigenverantwortlich veranlasste und durchgeführte Maßnahmen, insbesondere Rückrufe, rechtzeitig mit ihr abzustimmen sind. Sie hat sich den Vollzug derartiger Maßnahmen unverzüglich mitteilen zu lassen und diesen gegebenenfalls beim pharmazeutischen Unternehmer zu überprüfen.

V.
Schnellwarnsystem innerhalb der EU
(Rapid Alert System, RAS)

1.
Auf Arzneimittelrisiken der Klassen I und II, über die die zuständige Bundesoberbehörde die Obersten Landesgesundheitsbehörden im Rahmen des RAS informiert, finden die Ziffern I bis IV entsprechende Anwendung.
2.
Die Landesdirektion Sachsen informiert das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz über Maßnahmen nach der Nummer 6.2.2 des Stufenplanes und über den Rückruf eines Arzneimittels oder einzelner Chargen durch den pharmazeutischen Unternehmer mit dem RAS-Formblatt nach der VAW 121101. Der jeweilige Qualitätsmangel ist von der Landesdirektion Sachsen auf Grundlage der entsprechenden Klassifizierungshinweise der EU, die der VAW 121101 in der jeweils gültigen Version zu entnehmen sind, zu bewerten. Das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz unterrichtet gemäß Nummer 7.2 des Stufenplanes die zuständige Bundesoberbehörde über die getroffenen Maßnahmen.

VI.
Zentral zugelassene Arzneimittel

1.
Auf Arzneimittelrisiken im Sinne von Ziffer III Nummer 1 und 2, die im Zusammenhang mit Arzneimitteln stehen, die von der Europäischen Kommission zentral zugelassen wurden, findet die Ziffer III entsprechend Anwendung. In diesen Fällen gilt allerdings die Maßgabe, dass die zuständige Bundesoberbehörde unverzüglich über das aufgetretene Arzneimittelrisiko zu informieren ist.
2.
In diesen Fällen werden die Vorschläge der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) für Maßnahmen über die zuständige Bundesoberbehörde den Obersten Landesgesundheitsbehörden zugeleitet. Die Landesdirektion Sachsen trifft die erforderlichen Veranlassungen und berichtet über deren Vollzug.
3.
Ist eine Maßnahme zum Schutz der Gesundheit dringend erforderlich, kann in einem solchen Fall das weitere Inverkehrbringen des Arzneimittels durch die Landesdirektion Sachsen gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz und im Benehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde gemäß § 69 Absatz 1a des Arzneimittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2222) geändert worden ist, untersagt werden. Die Ziffer IV Nummer 3 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die EMA über diese Maßnahme.

VII.
Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über Maßnahmen bei Arzneimittelrisiken (VwV Arzneimittelrisiko) vom 12. Juli 2006 (SächsABl. S. 730), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 26. November 2013 (SächsABl. SDr. S. S 911), außer Kraft.

Dresden, den 22. Dezember 2014

Die Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz
Barbara Klepsch

Der Staatsminister des Innern
Markus Ulbig

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2015 Nr. 13, S. 434
    Fsn-Nr.: 250-V15.1

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 27. März 2015

    Vorschrift außer Kraft seit:
    24. September 2020